Werfen wir mal einen Blick in die VW-Geschichte. Am Anfang war der Käfer. Der boxernde Rundling war aus gutbürgerlichen Hauseinfahrten nicht wegzudenken. Wer konnte, leistete sich wenig später mit dem Typ 3 in Form von VW 1500 und Co. ein wenig mehr. Mit der Zeit brachten K70 und der erste Passat noch mehr. Unterdessen legte der Golf eine einmalige Karriere hin. Und heute? Heute müssen sich beide immer häufiger traditionell dem "Mehr" geschlagen geben. Was wir damit meinen? Das Raumangebot natürlich. Davon bietet der Tiguan so viel, dass der Käfer von einst beinahe in den Allspace-Laderaum von heute zu passen scheint. Klar, ein Sharan kann das nochmals besser, doch Vans haben es in der Käufergunst derzeit schwer. Seine modische SUV-Optik macht den Tiguan ebenso massentauglich wie beliebt und somit für Volkswagen zur Eier legenden Wollmilchsau. Und selbst hier schleicht es sich noch ein, das "Mehr". Mit dem Tiguan Allspace streckt sich das Kompakt-SUV 21,5 Zentimeter in die Länge. Heute fühlen wir beiden auf den Zahn.
VW Tiguan Basispreis: ab 30.385 Euro (Ersparnis bei carwow.de bis zu 13.149 Euro).
VW Tiguan Allspace Basispreis: ab 34.250 Euro (Ersparnis bei carwow.de bis zu 10.580 Euro).

Der Allspace kommt optional mit dritter Sitzreihe

VW Tiguan
Nur nicht den Überblick verlieren: Der weiße Standard-Tiguan ähnelt dem grauen Allspace stark, ist aber kürzer.
Zu Beginn stellt sich die Frage nach der Größe. Der Längenzuwachs des Allspace kommt sowohl den Insassen in Reihe zwei zugute als auch dem Kofferraum. Auf diese Weise findet optional auch eine dritte Sitzreihe Platz, die auch kleineren Erwachsenen noch genug Raum bietet, ab 1,80 Meter Körpergröße wird sie aber zur Notlösung. Natürlich hängt die Wahl des Tiguan-Formats von Ihren Nutzungsabsichten ab; unserer Erfahrung nach bietet aber schon der normale Tiguan genügend Platz für ausgiebige Fernreisen zu viert. Der Preisaufschlag für den Allspace liegt bei 2125 Euro, die elektrische Heckklappe im Wert von 395 Euro ist darin inbegriffen. Der einzige weitere Unterschied liegt im für den Allspace nicht erhältlichen Basisbenziner (130 PS). Das wundert uns, wiegt der Lange doch nur 70 bis 80 Kilogramm mehr. Ebenfalls merkwürdig: Im Allspace leistet der Zweiliter-Topbenziner 10 PS weniger. Wir empfehlen ohnehin eine moderatere Bestellweise. Es gibt insgesamt nur drei verschiedene Motoren, die sich meist lediglich in der Leistungsstufe unterscheiden. Trotzdem sind die Aufpreise für mehr Dampf oft hoch, genau wie für luxuriösere Ausstattungen wie Ledersitze (ab 2590 Euro) oder das R-Line-Paket. Wer mit dem Tiguan auf Preise jenseits der 45.000 Euro zielt, kann sich auch gleich für größere oder feinere SUVs entscheiden. Wie bei den meisten VW liegt die Kernkompetenz des Tiguan im fast unschlagbar hohen Alltagsnutzwert, nicht etwa im luxuriösen Anspruch. Wir sprechen hier von innen unverkleideten Fensterrahmen der Türen oder dem verbreiteten Einsatz von Hartplastik im unteren Cockpitbereich. Nicht nobel, aber zweckmäßig eben.

Unbedingt empfehlenswert: das United-Paket

VW Tiguan
Wer sich hier nicht zurechtfindet, sollte nicht Auto fahren. Alles sitzt am richtigen Fleck, fasst sich gut an, ist logisch bedienbar – mit Ausnahme mancher Navis.
Das bringt uns gleich zur ersten Kaufempfehlung. Die passt so genau zu unserer praxisorientierten Empfehlung, dass sie den Rest der Kaufberatung schon fast obsolet werden lässt. Die Rede ist vom United-Paket für 2260 Euro. Es bietet die heutzutage quasi unverzichtbare Smartphone-Spiegelung, eigene 17-Zoll-Aluräder, eine Garantieverlängerung auf drei Jahre, Klimaautomatik, das von uns empfohlene kleinere Navi, das Winterpaket mit Sitzheizung und Co. sowie Sprach- und Verkehrszeichenerkennung. Hier müssen wir schon genau hinsehen, um weitere Extra-Empfehlungen zu finden. Wir raten zusätzlich noch zum Totwinkelwarner sowie zu den fürstlichen Komfortsitzen, die im Comfortline mit 890 Euro zu Buche schlagen, dafür aber bereits eine Massagefunktion mitbringen. Letztere kostet im gehobeneren Highline nur noch 530 Euro Aufpreis. Betrachten wir die Linien mal genauer: Comfortline als Basis bringt zum Beispiel Nebelleuchten, einen aktiven Spurhalteassistenten, Parksensoren vorn und hinten sowie 17-Zoll-Leichtmetallräder mit. Vervollständigt durch das erwähnte United-Paket bleiben kaum noch Wünsche offen. Daher ist die gehobene Highline (3370 Euro) eher kosmetischer Natur: 18-Zöller, Chromleisten, Ambientebeleuchtung und Leseleuchten im Fond gehören zu ihr. Funktionsmäßig gibt es hier immerhin die Komfortsitze, LED-Scheinwerfer, den Abstandstempomaten und die Klimaautomatik mit drei Zonen. Letztere steckt aber auch im "United"-Umfang. Noch mehr optische Feinarbeit leistet R-Line mit Kotflügelverbreiterungen und dicken 19-Zöllern; einen echten Funktionsvorteil bietet sie aber nicht – das würden wir uns also sparen.Der Tiguan ist nun mal kein Sportwagen. Ein echtes Offroadpaket wie noch beim Vorgänger gibt es nicht mehr, allein einen geänderten vorderen Stoßfänger, der den Böschungswinkel um ein paar Grad verbessert. Reiter und andere Hängerfahrer freuen sich über bis zu 2,5 Tonnen Anhängelast der Allradversionen – für ein Kompakt-SUV enorm. Die Fronttriebler ziehen immerhin 1600 bis 2200 Kilogramm. Der dazu notwendige Haken kostet faire 880 Euro und lässt sich zudem bequem per Tastendruck entriegeln, etwas Nachhilfe mit dem Fuß genügt zum Arretieren – vorbildlich. Allein eine Wandlerautomatik könnte den Tiguan als Zugfahrzeug noch verbessern. Gerade langsames Rangieren mit schwerem Anhänger geht zu Lasten der Kupplungen.

Je leichter der Tiguan, desto spröder federt das Fahrwerk

VW Tiguan
Nett, aber kein Muss: Die Fahrprofilauswahl mit Drehschalter neben der Schaltkulisse passt u.a. Gasannahme und Lenkunterstützung an.
Sein Talent als Lastesel merkt man dem Tiguan im normalen Betrieb nicht an. Mit 1500 bis 1600 Kilo Leergewicht sind die bürgerlichen Versionen nicht übertrieben schwer, die Turbomotoren bieten ansprechende Durchzugswerte, und traditionell sind die Wolfsburger sehr gut darin, die Gangübersetzungen sauber abzustimmen. Ebenfalls schön direkt und präzise agiert die Lenkung. Für das Fahrwerk gilt: je leichter der Tiguan, desto spröder federt es – und umgekehrt. Frontgetriebene 1.5er wirken durch ihre Straffheit wie ein Kompaktwagen und nicht wie ein SUV. Abhilfe schafft hier das adaptive Dämpfersystem für 1045 Euro. Stellen Sie es einmal auf Komfort ein, dann brauchen Sie den Schalter nie mehr anzurühren. So federt der Tiguan wunderbar fluffig – auch für stärkere Versionen ist dieses Fahrwerk sein Geld wert. Ab 220 PS ist es serienmäßig. Etwas Spielwert für günstige 180 Euro bietet die Fahrprofilauswahl mit Drehschalter neben der Schaltkulisse. Je nach Programm passen sich Gasannahme, Lenkunterstützung, DSG-Software und weitere Kleinigkeiten an – nett, aber kein Muss. Wer viel Langstrecke fährt, darf getrost zur Progressivlenkung für 225 Euro greifen. Sie ist ab 150 PS erhältlich und verringert die Servounterstützung bei höheren Geschwindigkeiten. So verbessert sich der Geradeauslauf – beim hochbauenden Tiguan durchaus willkommen.

Viele Freiheiten mit dem "Active-Info-Display"

Weitere Wahlmöglichkeiten bietet der Tiguan für das Fahrerblickfeld. Serienmäßig besitzt er als Kombiinstrument bestens ablesbare Analoguhren mit einem ansprechend großen Farbdisplay in der Mitte. Wer wie der Autor in erster Linie mit Verbrauchsdaten im Bordcomputer unterwegs ist, ist damit völlig ausreichend bedient. Das volldigitale "Active-Info-Display" mit 11,7-Zoll-Bilddiagonale für 510 Euro bietet dagegen die Option, die Navikarte etc. zwischen die Instrumente einzublenden, während Fahrdaten frei konfigurierbar innerhalb von Tacho und Drehzahlmesser angezeigt werden. Ein Druck auf die Lenkradtaste "View" verkleinert die Instrumente auf ein Minimum und gibt eine erweiterte Sicht auf die Karte frei. Wer diese Flexibilität schätzt, fährt mit dem Digitalcockpit gut – auch wenn Temperatur und Tankfüllstand nur noch in groben Balkengrafiken angezeigt werden. Eine weitere Option ist das Head-up-Display (565 Euro) für Geschwindigkeit, Navi-Pfeile und Verkehrszeichenerkennung. Eigentlich eine feine Sache, allerdings funktioniert es hier mit einer simplen Klappscheibe, statt die Daten direkt in die Scheibe zu projizieren. Dadurch ist es nicht ganz ablenkungsfrei und uns keine echte Empfehlung wert.

Bildergalerie

Kaufberatung VW Tiguan / Tiguan Allspace
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Kamera
Kaufberatung VW Tiguan / Tiguan Allspace

Von

Andreas Jüngling