Lange hatten wir vor allem Toyota im Blick. Inzwischen ist es Hyundai – schon 2011 warnte VW-Chef Martin Winterkorn vor den stark auftrumpfenden Koreanern. Jetzt sind seine Befürchtungen wahr geworden. Der neue Hyundai i10 besiegt den VW Up in einem AUTO BILD-Vergleichstest nach Punkten. Eine Überraschung, für manche sogar eine Sensation. Auf jeden Fall aber einer der spannendsten Tests des Jahres. Lesen Sie mal, wie es dazu kommen konnte.

Der i10 zeigt sich durchaus erwachsen

Hyundai i10
Nicht täuschen lassen: Der babyblaue Lack unterstützt die Tendenz, den Korea-Knirps nur süß zu finden.
Niedlich sieht er aus, der i10. Der babyblaue Lack unterstützt die Tendenz, den Korea-Knirps einfach nur süß zu finden. Dagegen wirkt der Up sehr ernst und streng, man unterstellt dem VW automatisch die größere Reife. Das allerdings stellt sich als Fehler heraus. Schon das Probesitzen bestätigt, dass auch der i10 ein vollwertiges Auto ist. Beim Platzangebot steht er dem Up kaum nach, nimmt auch mal vier Erwachsene mit ins Kino und kann sogar noch einen Hauch mehr Gepäck einladen. Auch die Sitze überzeugen, fallen groß genug und angenehm gepolstert aus. Im VW liegt dem Fahrer zwar das wie im i10 nicht längsverstellbare Lenkrad besser in der Hand, auf Reisen fühlen sich die Gäste des Koreaners aber keinen Deut schlechter untergebracht. Sogar der Qualitätseindruck im Hyundai gefällt. Einfach, aber solide geht es hier zu. Der VW in teurer "High Up"-Ausstattung verströmt mit Klavierlack und einigen Luxusextras wie Digitalradio und dem Notbremssystem "Citystopp" (so etwas ist für den Hyundai i10 nicht lieferbar) nur wenig mehr Glanz.
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Beim VW Up bemerkt man den Rotstift

VW Up
No-go für einen Viertürer: Im Up gibt es hinten nur Ausstellfenster –  da spart VW an der falschen Stelle.
Dafür überzeugt der Hyundai mit sinnvoller Ausstattung und praktischen Details, die VW dem Rotstift opfert. Im i10 fahren alle vier Seitenfenster elektrisch auf und ab, der Fahrer hat über vier Schalter in der Tür die volle Kontrolle – bei VW steckt je ein Fensterheberschalter in den vorderen Türen, hinten müssen Ausstellfenster reichen. Für einen Viertürer ein Unding.  Und so geht es weiter: Dem Up fehlt die Kofferraumbeleuchtung, die Hutablage wird beim Öffnen der Heckklappe nicht von Bändchen angehoben, sondern verlangt Handarbeit, der Tank muss mit dem Schlüssel geöffnet werden. Okay, da leistet sich auch der Hyundai seine Schwächen. Die Klappe muss mit einem Extrahebel entriegelt werden und liegt auf der linken Fahrzeugseite – wer ohne Sprit liegen bleibt und aus dem Kanister nachfüllen muss, steht dabei auf der Straße. Doch so weit muss es nicht kommen, die beiden Knirpse verbrauchen mit unter sechs Litern ja nicht viel, bieten über 600 Kilometer Reichweite und meistern Langstrecken erstaunlich anständig. Der fröhlich knurrende Dreizylinder des Hyundai wird zwar etwas lauter als der Dreier des Up; wer sich auf der Autobahn bei 150 km/h einpendelt, reist aber in beiden recht entspannt.
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Dabei wirkt der i10 dank dem leichten PS-Vorsprung (67 zu 60 PS) lebhafter, ohne einen echten Vorsprung herauszufahren. Sagen wir es so: Up und i10 sind zweckmäßig motorisiert, aber nicht aufregend oder gar sportlich. Auch dem Fahrwerk fehlt der Sportgeist weitgehend – was aber nicht weiter stört. Im Gegenteil. Der verbindlich und fest federnde Wolfsburger gibt in dieser Klasse den guten Ton an, könnte schon fast eine Klasse höher bei den Kleinwagen wie Polo oder Corsa mitspielen.

Der Sieger an der Kasse heißt ganz klar Hyundai

Hyundai i10 VW Up
Da überholt der Koreaner: Wenn's um Preis und Garantie geht, liegt der i10 ganz deutlich vor dem Up.
Schnell aufeinanderfolgende Querverwerfungen bringen den Zwerg zwar aus der Ruhe und lassen ihn nervös über die Buckelpiste hoppeln, auf den meisten Straßen hier im Land vermittelt der Up aber ausgewogene Souveränität. Erfreulich und bisher alles andere als selbstverständlich: Der Hyundai kann's kaum schlechter. Mit weicherer Grundtendenz in den Federn bügelt auch er die üblichen Straßenschäden sauber weg, kommt nur bei fiesen Kratern und mit voller Zuladung aus dem Rhythmus. Ohne Schrittfehler meistern beide Ausweichmanöver und Wechselkurven. Das serienmäßige ESP hält Up und i10 auf Kurs, bringt auch übermütige Piloten sicher ans Ziel. Und wenn es jemand wirklich darauf anlegt und die Knirpse als Kurvenkünstler missbraucht, dann macht der VW wegen der direkteren Lenkung etwas mehr Spaß.
Gehen wir an die Kasse. Als High Up mit vier Türen (480 Euro) und Start-Stopp-System (400 Euro) kostet der kleinste VW tatsächlich 13.480 Euro – auch hier wildert der Up fast schon eine Klasse höher bei den Kleinwagen. Ganz anders der Hyundai. Im leckeren Trend-Trimm und ebenfalls mit vier Türen (Serie) sowie Start-Stopp-Automatik (200 Euro) werden für den i10 nur 11.820 Euro fällig. Dazu noch der Garantievorteil von fünf Jahren gegenüber den mageren zwei Jahren bei VW, schon hat Hyundai den Sieg in der Tasche. Herr Winterkorn wird die Koreaner wohl noch genauer im Blick behalten müssen.
Erstaunlich, wie stark die 3,50-Meter-Knirpse heute auftreten. Der Hyundai i10 bietet zum fairen Kurs alles, was man von einem kleinen Auto erwarten kann. Und auch der Up überrascht in dieser Klasse mit großer Reife und feinem Komfort. Sein hoher Preis enttäuscht mich allerdings sehr: Der Up ist zu teuer und dennoch oft karg ausgestattet.