Golf, Passat, Polo: Autofans sind da gedanklich sofort bei VW. Nur Liegerad-Fahrer denken wohl vorrangig an Tropenwinde oder an einen Sport für Snobs. So weit, so klar. Größeres Rätselraten beginnt aber, wenn wir Namen wie Amarok, Crafter und Caravelle in die Runde werfen. Wahrscheinlich sind jetzt nur noch sattelfeste Spezialisten in der Spur. Auch hier geht es um Modelle der Marke Volkswagen. Und nun die Eine-Million-Euro-Frage: Wo stecken Sie im Geiste einen Constellation Titan hin? Klingt doch nach Transatlantikflugzeug, eventuell auch nach einem teuren Werkstoff aus dem Metallbau. Bestimmt nicht nach einem VW-Modell, oder?
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Video: VW Titan/VW Up

Der größte VW gegen den kleinsten

Falsch! Es ist tatsächlich ein Blutsbruder von Passat und Co, gleichzeitig sogar VWs größte Nummer im Konzern. Okay, nicht verkaufszahlenmäßig, da kommt eh nichts an den Golf heran. Dafür aber in Sachen Dimensionen und Gewicht. Der Constellation Titan Tractor 26-370, so der komplette Name, ackert in der obersten Liga der Lkw, wiegt leer bereits satte neun Tonnen und überragt sogar einen T5-Multivan um gut zwei Meter.

Auf einen Blick: Alles zum Kleinwagen VW Up

Furchteinflößend, dieser VW-Gigant, besonders im Vergleich mit dem Konzern-Kleinsten. Der heißt Up und kauert auf knapp 1,50 Meter Stehhöhe. Weniger Auto gibt’s nicht. Zumindest nicht aus Wolfsburg. Eint die beiden mehr als ein verchromtes VW-Logo im Kühlergrill? Nicht, wenn wir den üblichen AUTO BILD-Maßstab anlegen. Anders als der Up, der auf Großstadtleben und Autobahntauglichkeit getrimmt wurde, in dem ein moderner Benzinmotor sparsam schnurrt, erfüllt der Titan nur einen Zweck: Er soll schuften, bloß nie schlappmachen. Er ist weder auf Autobahnen noch Bundesstraßen unterwegs – der Constellation-Truck rumpelt vorrangig über argentinische Pampa- Pisten und bolivianische Hochland- Holperstrecken.
Der Titan hat in Europa so wenig verloren wie Kaffeebohnen in einer Tüte Goldbären. VW bietet den XL-Truck nur in Südamerika an, lässt ihn in Brasilien fertigen und zwischen Feuerland und Mexiko ausliefern. Nach Deutschland kommt der Titan nur im Einzelfall, als "Erprobungsfahrzeug", so wie unser Fotomodell. Seine robuste, fast altmodische Bauweise ist dem Markt entsprechend volle Absicht – weniger der Geiz der Entwickler. Wie simpel der Constellation gestrickt ist, zeigt bereits ein Blick unter die mächtigen Stahlträger des Rahmens. Oberschenkeldicke Blattfederpakete halten medizinballgroße Differenzialgehäuse, Quertraversen sind mit daumenbreiten Nieten verfügt, in gewaltigen Tankfässern schwappen rund 620 Liter Gasóleo – so heißt der südamerikanische Laster-Diesel.

Sechs and the City: Der VW Up im Sechser-Vergleich

Jan Horn mit VW Constellation und VW Up
Mit 3,54 Meter Länge passt der Up fast zwischen die Achsen des Constellation. Sein Radstand zwischen Vorder- und erster Hinterachse beträgt 3,30 Meter.
Im vorderen Drittel der Rahmen-Spur thront der klotzige Dieselmotor: ein 9,4-Liter-Reihensechszylinder-Direkteinspritzer von Cummins mit feistem Turbolader. Macht rund 1600 Newtonmeter – mehr als 16-mal so viel wie der Up mit niedlichen 95 Newtonmetern. Schließlich darf der Constellation in Brasilien als 74-Tonnen-Zug durch die Plantagen walzen, im Gegensatz zu dem in Deutschland geltenden 40-Tonnen-Limit. Apropos: Die bei uns geltende 80-km/h-Schallmauer durchbricht der Titan mit reichlich Überschussgeschwindigkeit. Er ist dank seiner probehalber vergebenen Zulassung ungedrosselt, röhrt im letzten Gang auf über Tempo 130. Mehr schafft gefühlt auch der Up kaum. Bis zu 16 Gänge (je nach Variante auch sechs oder acht) haben die Constellation-Getriebe zu bieten, aber die Kraft der Cummins-Maschine reicht, um bei jedem Schaltvorgang gleich mehrere Fahrstufen souverän zu überspringen. Leider muss der Fahrer noch selbst kuppeln, und das ist ziemlich kraftraubend – im Feierabendstau brennt bald der linke Oberschenkel.

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Aber sonst fährt sich der Titan ganz undramatisch. Mit sonorem Brummen und leichtem Schlingern (wie auf einer Skandinavien-Fähre), spürbarem Lenkspiel (wie im 60er-Jahre-Mercedes), herrlicher Aussicht (wie im modernen Hochhaus) und unter staunenden Blicken (wie auf einem roten Teppich) donnern wir den Innenstadt-Boulevard hinunter. Das mit den staunenden Blicken legt sich übrigens während der gesamten Fahrt nicht. Wo der Constellation verschnauft oder durchfährt, werden Handyfotos geknipst, Fragen gestellt, Augen aufgerissen, Nebenmänner angestupst. Zu fremd ist ein derart großes VW-Logo an einem derart unbekannten Gesicht. Den "neuen" Up nimmt ja inzwischen eh kaum jemand mehr wahr – aber wenn sein großer Bruder aus Übersee mit von der Partie ist, vergisst man ihn gänzlich. Up – war das nicht irgendein VW-Modell? Mehr zum Thema VW Up Tuning.
Technische Daten VW Constellation Sechszylinder, Turbo • vorn längs • Hubraum 9354 cm3 • Leistung 273 kW/367 PS bei 2000/ min • max. Drehmoment 1600 Nm bei 1100/min • Hinterradantrieb • Sechzehnganggetriebe • Tank 620 l • Spitze 130 km/h • Leergewicht 8850 kg • 0–80 km/h in 21,32 s • Bremsweg 80–0 km/h 41,9 mVerbrauch circa 35 l Diesel/100 km • CO2 928 g/km • Preis ab circa 130.000 Euro.
Technische Daten VW Up Dreizylinder • vorn quer • Hubraum 999 cm3 • Leistung 55 kW/75 PS bei 6200/min • max. Drehmoment 95 Nm bei 3000/min • Vorderradantrieb • Fünfganggetriebe • Tank 35 l • Spitze 171 km/h • Leergewicht 929 kg • 0–80 km/h in 9,5 s • Bremsweg aus 80 km/h 26,3 m • Verbrauch EU-Mix 4,7l Super/100 km • CO2 108 g/km • Preis ab 10.450 Euro.
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Fazit

Dem Constellation fehlt der feine Schliff eines Up, gegen moderne Transeuropa-Laster kann er nicht anstinken. Dafür ist er viel origineller als alle anderen Typen des VW-Konzerns. Und in Südamerika ist  der robuste Malocher ein echter Traumtyp.