1er BMW nimmt seine Insassen hart ran

Es ist angerichtet. Mit den Basis-Modellen von Audi, Mercedes-Benz und BMW kommt Kaviar in die Kompaktklasse. Man braucht sie nicht wirklich, aber es gibt Momente im Leben, da streicheln sie die Seele. Die jüngsten Zugänge dieser Seelenwärmer heißen A-Klasse und 1er – das ist der Golf von BMW. Ein neues Stück Bangle-Blech (Chris Bangle ist der Chef-Designer von BMW), das Statements setzt: "Ja, ich bin ein echter BMW. Ich fahre so. Ich fühle mich auch so an."

Er soll Spaß machen oder – wie sie das im Konzern formulieren – "Freude am Fahren" vermitteln. Das geht immer noch am besten mit Heckantrieb. Nahezu die Hälfte des Gewichts lastet auf der Hinterachse. Weil Lenkung und Antrieb voneinander getrennt sind, fährt der BMW dynamischer als die frontgetriebene Konkurrenz durch Kurven. Schnell wird klar, der BMW will ein Sportler sein, ein in Blech gepreßtes Endorphin, wie es im Verkaufsprospekt steht, also ein Glückshormon.

Doch das Glück endet auf Kopfsteinpflaster (was die Hochglanzbroschüre natürlich nicht verrät). Hier nimmt der 1er seine Insassen härter ran, das Fahrwerk bleibt konsequent knochentrocken. Wenig Glücksgefühle auch im Innenraum: Der Kofferraum wirkt klein (330 Liter), die Rückbank ist eine bessere Hutablage, und – ganz ehrlich – das graue Plastik scheint viel zu billig für einen 19.900 Euro teuren 2+2-Sitzer, der ein lifestyliges Premiumprodukt sein will.

Einparken, einkaufen, einpacken mit Stern

Relativ unspektakulär geht der kleinste 1er-Benziner ans Werk. Er tritt sanft an, 115 PS reichen für Tacho 200, die Beschleunigung (null auf 100 in 11,4 Sekunden) fühlt sich an wie in einer praktischen Familienkutsche. Sein maximales Drehmoment erreicht der längs eingebaute Vierzylinder erst bei 4300 Touren, deutlich später als Audi und Mercedes-Benz.

Obwohl sich der BMW subjektiv eher behäbig bewegt, beschleunigt der 116i auf der Meßstrecke schneller als die beiden Konkurrenten. Deren Basismotoren leisten schmalere 102 und 95 PS, verbrauchen dafür aber weniger und billigeres Super statt Super Plus.

Leistung definiert die A-Klasse anders: einparken, einkaufen, einpacken – das ist ihre Welt. Wenn es sein muß auch mit Tricks und doppeltem Boden. Im Kofferraum läßt sich der Laderaumboden in der Höhe verschieben, beim Fünftürer lassen sich sogar die Sitze ausbauen (Aufpreis).

Der kleine Benz bietet am meisten Platz

Im Vergleich zum Vorgänger legte die A-Klasse in der Länge um 23 Zentimeter zu, was der erstmals angebotene Dreitürer vornehm kaschieren kann. Der Kunde verzichtet auf zwei Türen, er gewinnt laut Mercedes-Benz "jugendlichen Charme" in Form eines Coupés. Das klingt prima, aber beim Aus- und Einsteigen scheuern sich die Fondpassagiere an der B-Säule wie ein Hund am Laternenmast. Zu eng ist die Lücke zwischen Front- und Fondsitzen, die Türen sind zu wuchtig für enge Parklücken und die Gurte für die vorn Sitzenden zu weit hinten.

Beim Transport ist es klar: Obwohl die A-Klasse 40 (!) Zentimeter kürzer ist als 1er und A3, schlägt sie die Konkurrenz um Längen. Sie bietet den Passagieren mehr Beinfreiheit, Schultern rücken weiter auseinander, für Knie und Köpfe bleibt mehr Luft. Dieses geniale Konzept nennt Mercedes-Benz One-Box-Design. Nachteil des raumzaubernden Kisten-Formats: Der 1.5-Liter-Mercedes kämpft schwer gegen den Wind und läßt sich leichter zur Seite pusten. Was schwerer wiegt: Er kommt im Ernstfall spät zum Stehen. 40,2 Meter Bremsweg aus 100 km/h sind zuviel. Bei einem so teuren Kompakten (17.980 Euro) darf der Kunde mehr erwarten. Das ESP wacht in der zweiten Generation permanent, einen Ein-/Ausschalter gibt es nicht mehr – was aber nicht weiter stört. Nur beim Anfahren auf Schnee oder Matsch könnte das Probleme bereiten.

Im Vergleich zu 1er und A3 schenkten die Mercedes-Benz-Techniker jeder Funktion auch einen Bedienschalter. Moderner wirkt das iDrive gesteuerte BMW-Cockpit – kostet aber auch 2400 Euro extra (inklusive Navigationssystem). Mit einem silbernen Knubbel für Kluge steuert der Fahrer Navi, Klima, Radio und Telefon auf einmal – wenn er es denn erst mal kapiert hat.

Exklusives Wohlfühlambiente im Audi A3

Am simpelsten läßt sich der Audi bedienen. Reinsetzen, anfassen, wohlfühlen. Alles erklärt sich wie von selbst, so als wäre für dieses Auto nie eine Bedienungsanleitung geschrieben worden. Er ist mit mehr Liebe gemacht als Konzernbruder Golf, mit dem sich der A3 Plattform und Technik teilt. Im Audi findet man, was der 1er vermissen läßt. Aufgeschäumter Kunststoff, minimale Spalte, feine Formen, Alu-Schmuck. Einfach mehr Auto fürs Geld – denkt man. Doch fast alles was glänzt, kostet im A3 extra. Selbst eine Klimaanlage muß der Kunde wie bei BMW teuer bezahlen, die im Mercedes-Benz hingegen serienmäßig mitfährt. Das macht 1390 Euro, die auf den strammen Preis von 19.050 Euro noch mal draufkommen.

Im Alltag läßt es sich mit Audis Basis-Benziner gut leben. Erst auf der Autobahn, ab Tempo 160, wirkt der Vierzylinder zäh und schon bei leichten Steigungen muß zurückgeschaltet werden. Beim Fahrwerk besserte Audi zwar nach, aber grobe Bodenwellen kommen immer noch spürbar durch. Was sonst noch stört, ist die miese Sicht nach hinten – auch wenn die beim 1er durch das kleinere Heckfenster sogar noch schlechter ausfällt.

In der A-Klasse von Mercedes-Benz behält der Fahrer besser den Überblick, nur Gefühle wollen nicht aufkommen. Obwohl die Stuttgarter aus dem ehemals klobigen Ambiente ein ansehnliches Cockpit schnitzten, wirkt der Baby-Benz einfach nüchtern und neutral. Das reicht zwar für den Testsieg, aber womöglich nicht für den Kauf. Denn hier geht es um den Kaviar der Kompakten. Und bei soviel Luxus entscheidet meistens der Geschmack.

Kosten und Ausstattungen

Im Kostenkapitel fährt die A-Klasse den Sieg nach Hause. Mit dem schwächeren Basismotor bietet Mercedes-Benz den Kompaktwagen billiger an als die Konkurrenz ihre Einstiegsmodelle.

Technische Daten und Testwerte

Der 1er erzielt einen super Bremswert. Unter 38 Meter – das ist für einen Kompakten sehr beachtlich. Aber auch beim Audi gibt es keinen Grund zum Klagen, der immerhin noch vor der 39-Meter-Marke steht. Enttäuschend: die lange Spur der A-Klasse. Das ist mit rund vierzig Metern eine Klasse für sich – diesmal leider im negativen Sinne.

Fazit und Wertung

Fazit von AUTO BILD-Redakteurin Margret Hucko Mein Verstand sagt A-Klasse. Mein Bauch sagt BMW. Der Audi wäre nur ein Kompromiß – wenn auch ein schöner. Die A-Klasse gewinnt den Vergleich, weil sie praktischer ist als Audi und BMW zusammen. Weil sie günstiger ist, ohne billig zu wirken. Mercedes-Benz hat im Vergleich zum Vorgänger richtig zugelegt. Das Platzangebot: besser. Das Ambiente: schöner. Der Verbrauch: vernünftig klein. Lenkung, Fahrwerk – alles stimmiger. Mein Herz gewinnt trotzdem der BMW. Weil er fährt wie ein BMW. Weil er aussieht wie ein BMW. Nur fühlt er sich nicht so an, das kann Audi besser. Die Qualität steht teilweise nicht in Relation zum Preis. Aber auch das gehört zu Herzensangelegenheiten: über kleine Macken mal hinwegzusehen.

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