Acht Autos aus vier Klassen

2695 Meter über Normalnull, minus zwölf Grad, tiefer Schnee auf vereistem Untergrund: kein Problem für Matthias Schöpf. Der Mann gibt sanft Gas und verschwindet kurz darauf leise grollend hinter der nächsten Biegung.

Zu schön, um wahr zu sein? Durchaus nicht, denn Schöpf sitzt im Cockpit eines 330 PS starken Pistenbullys, und der packt ganz andere Sachen. Schön wäre es ja, wenn wir ihm auf die Pisten am Rettenbachjoch (3014 Meter) folgen könnten – die Aussicht dort oben soll ja grandios sein. Aber unsere acht Autos aus vier Klassen sind nicht hier oben, um die Aussicht zu genießen. Suzuki Ignis, Mazda Tribute, Audi A4 und Mercedes-Benz E-Klasse müssen den ultimativen Schnee-Test absolvieren. Jeweils mit gleichen Motoren, Ausstattungen und Reifen als Front- oder Hecktriebler – und im Vergleich dazu mit Allradantrieb.

Die Prüfungen im Schnee sind aber nur der letzte Teil unseres großen Tests. Denn wir wollten natürlich wissen, ob uns vier angetriebene Räder auch bei Trockenheit oder Nässe Vorteile bringen, also im Autofahrer-Alltag ohne Winter-Stress.

Simulierter Autofahrer-Alltag

So stand zu Beginn der ganz normale Test auf dem Programm – auf serienmäßigen Sommerreifen. Dazu kommen die Ergebnisse, die wir auf den Handlingkursen des Continental-Reifentestgeländes ermittelt haben. Die kurvige Strecke mit dem trockenen Untergrund ist 3,8 Kilometer lang, das enge, gleichmäßig bewässerte Teilstück 1,9 Kilometer.

Wichtige Prüfung schließlich die Beschleunigung von null auf 80 km/h – diesmal auf einer Strecke mit unterschiedlichen Fahrbahnbelägen (Kopfsteinpflaster/Asphalt). Das simuliert eine nasse, etwas reparaturbedürftige Straße im Herbst. Eben genau wie im richtigen Leben. Nach diesen Strapazen wechselten alle Autos auf Winterpneus – das heißt paarweise auf identische Profile –, um einen unterschiedlichen Einfluss der Reifen möglichst auszuschließen.

Der Berg-Handlingkurs im Tiefschnee (650 Meter lang), ein eng gesteckter Kurs auf festgefahrener Decke (Länge 360 Meter) und eine Traktionsprüfung (Anfahren auf teils vereistem Boden, leichter Anstieg, 50 Meter) bildeten die Winter-Wertung. Die Ergebnisse aller Messungen finden Sie jeweils in den Diagrammen – die Fahrleistungen im direkten Vergleich. Die besseren Werte sind der Übersicht halber grün wiedergegeben, die schlechteren rot.

Suzuki Ignis

Zu den Ergebnissen: Der Suzuki Ignis – hier stellvertretend für seinen Zwilling Subaru Justy und für andere mit Allrad lieferbare Kleinwagen – zeigt eine bemerkenswerte Vorstellung. Zumindest mit Sommerreifen erledigt schon der frontgetriebene Ignis vieles so gut, dass die Allradvariante Four Grip mit Visco®-Kupplung (Verkaufsanteil 22 Prozent) nicht viel draufsetzen kann.

Der Suzuki fährt sich wendig und leichtfüßig, die Lenkung spricht spontan an. Er profitiert von seinem vergleichsweise niedrigen Gewicht. Auf der nassen Bahn hat der Fronttriebler dann ein paar Traktionsprobleme. Schließlich besitzt er weder Antriebsschlupfregelung noch ESP.

Der Allradler kann aus Kurven besser herausbeschleunigen. Richtig in Szene setzen kann er sich aber erst unter extremen Bedingungen: Im Tiefschnee etwa baut der Allradler die deutlich bessere Traktion auf, zieht mühelos davon und könnte sogar noch mehr Leistung als die 99 PS seines 1,5-Liters auf die Straße bringen.

Mazda Tribute

Der Mazda Tribute (Allradanteil 98 Prozent) steht hier für seinen technischen Bruder Ford Maverick und für die beliebten SUV von der Art des Honda HR-V, Hyundai Santa Fe oder Toyota RAV4 – alle mit Front- wie Allradantrieb zu bekommen. An die Agilität des kleinen Ignis reicht der Frontantriebs-Tribute – ohne jegliche elektronische Fahrhilfen – schon auf trockener Piste nicht heran. In schnellen Kurven schiebt er schwerfällig über die Vorderräder, die Lenkung arbeitet gefühllos, der Motor wirkt schlapp. Auf dem bewässerten Teilstück kommen dann größere Traktionsprobleme hinzu.

Beim Allrad-Tribute AWD (mit Lamellenkupplung) wird es etwas besser: Der AWD fährt auf trockenem Parcours eine Spur handlicher, untersteuert nicht ganz so stark. Im Regen dann – Überraschung! – ist er trotz der etwas besseren Traktion langsamer: eine Folge des spürbar höheren Gewichts (1525 gegenüber 1405 Kilo) und ein anschauliches Beispiel dafür, dass Allrad eben auch auf Nässe nicht nur Vorteile bringt.

Die Stunde des Tribute schlägt trotzdem noch, und zwar auf Schnee: Mit den Bridgestone Winter Dueller wandelt sich der träge Mazda zum Klettermaxen. Schon als Fronttriebler kraxelt er leichtfüßig die Berge hoch. Als Allradler krallt er sich noch fester in den Schnee, könnte gut mehr Leistung vertragen.

Audi A4

Der Audi A4 (quattro-Anteil bei der Limousine 6,3, beim Avant 12,7 Prozent) hat davon jedenfalls genug. Die 220 PS seines 3,0-Liters befeuern die Limousine lebhaft und nachdrücklich – egal ob Fronttriebler oder quattro.

Auf dem trockenen Kurs liegt der quattro (mit Torsendifferenzial und elektronischer Differenzialsperre EDS) ausbalancierter und griffiger als der Fronttriebler. Bei Nässe wird es wieder interessant: Der quattro baut zwar mehr Grip auf und zieht stürmisch aus den Kurven heraus. Rallyepiloten und Walter-Röhrl-Verehrer werden ihre Freude haben. Doch schneller ist am Ende der Fronttriebler – nicht zuletzt dank der aufwändigen Elektronik mit ASR und ESP. Er bleibt ruhiger, unaufgeregter. Und deshalb muss das sensible ESP nicht ganz so viel regeln wie beim quattro.

Umso eindrucksvoller spielt der Allradantrieb seine Vorteile dann im Winter aus. Egal ob auf festgefahrener Decke oder im Tiefschnee: Der quattro wird zum Gipfelstürmer, schiebt unaufhaltsam nach vorn. Im Wortsinn – man sollte früh genug an die nächste Kurve denken, denn die Seitenführungskräfte der Reifen sind begrenzt.

Mercedes-Benz E-Klasse

Im Vergleich mit Audi ist ja Mercedes-Benz nicht gerade ein Allrad-Pionier, baut aber konsequent die Allradtechnik aus (E-Klasse elf Prozent mit 4Matic). Auf dem trockenen Kurs fällt schon der heckgetriebene Mercedes-Benz E 320 durch ein ausgesprochen harmonisches, sauberes Fahrverhalten auf, stets kontrolliert vom aufmerksamen ESP.

Der Allradler 4Matic (mit Verteilergetriebe und elektronischer Traktionsregelung 4ETS) kann das erst mal nicht besser – Traktion hat auch der Hecktriebler genug. Auf dem nassen Parcours dann das schon bekannte Ergebnis: Der Allradler ist langsamer. Warum? Weil auch die normale E-Klasse dank neuester Elektronik-Hilfen die Kraft super auf die Straße bringt. Und weil der 65 Kilo schwerere 4Matic auf der relativ kurzen Strecke die Vorteile der besseren Traktion nicht so recht ausspielen kann.

Im Schnee zeigt der 4Matic dann, was in ihm steckt. Die Agilität, das Rallye-Feeling des quattro erreicht er dabei nicht ganz. Aber er pflügt mit einer fast unheimlichen Souveränität durchs Gelände. Im direkten Vergleich wirkt der Hecktriebler behäbiger. Hier merkt man eher, um was für ein Dickschiff es sich bei der E-Klasse eigentlich handelt.

Am Ende sind wir überrascht: Unverzichtbar ist Allradantrieb nur im Schnee. Unter allen anderen Bedingungen – selbst bei Nässe – sind moderne zweiradgetriebene Autos nahezu gleichwertig. Vorausgesetzt, sie haben hoch entwickelte, moderne Technik an Bord.

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