Aus Twingo wird "Angie's Nightclub"

Liebe Damen, woran denken Ihre Männer, wenn sie Rot sehen? An Bordell, Kneipe, Kiez? Mir fiel zu den Polstern des Twingo 1.2 spontan meine neue Nagellackfarbe "schwarze Kirsche" ein. Meinem kleinen Bruder die Einrichtung einer Bar.

Die plüschigen Polster in Kirschrot haben bei unserem Kleinwagenvergleich den stärksten Eindruck hinterlassen: Ihr samtiger Bezug und diese knallige Farbe – fortan hieß der Twingo bei unserem Testteam nur noch "Angie's Nightclub". Keine Ahnung, was ein Etablissement-Besuch auf der Reeperbahn kostet. Das Basismodell Authentique mit 58 PS jedenfalls gibt's für 8950 Euro. Dafür ist der Franzose garantiert treu. Das gilt auch für seine Konkurrenz: Suzuki Alto, Hyundai Getz und VW Lupo.

Dennoch sind die vier Kleinen so unterschiedlich, dass ein direkter Vergleich schwer fällt. Eigentlich haben sie nur eins gemeinsam: Alle vier motorisierten Einkaufstaschen kosten unter 10.000 Euro – Geiz ist angesagt, aber ist Geiz auch gut? Oder ist ein zwei Jahre alter Golf das bessere Angebot als ein Exemplar aus dem Sparquartett?

Pfiffiges Raumkonzept im Renault

Der Renault Twingo wirkt nach elf Jahren immer noch lustig. Wie ein Berufsjugendlicher. Der Thomas Gottschalk unter den Kleinwagen, dessen kleine Macken man gelassen hinnimmt: Die Gurte sind extrem weit hinten angebracht, was an den großzügig aufschwingenden Türen liegt. Das Geräusch des Blinkers nervt, die etwas eigenwillige Lenkung ebenso.

Auch nach mehr als einem Jahrzehnt auf der Straße fährt der kleine Trotzkopf aus Frankreich ungern um die Kurve und erschrickt vor Elchen so heftig, dass er Pirouetten dreht. Und der Bremsweg ist mit 43,5 Metern Metern eine Wagenlänge zu viel.

Die digitale Tachoanzeige liegt beim Twingo immer noch dort, wo sie bestimmt keiner sucht – rechts neben dem Lenkrad. Noch länger dauerte es, bis wir den Kilometerstand fanden. Dafür überzeugt der Franzosen-Floh noch immer mit seinem pfiffigen Raumkonzept. Die Rückbank kann nach hinten rutschen. Und ein Bett gibt's gratis dazu: Die Vordersitze klappen auf Wunsch komplett nach hinten, sodass sie mit den Rücksitzen eine Ebene bilden. Das Plüschsofa im Nachtclub ist vielleicht bequemer – langfristig aber bestimmt teurer.

Der Getz bietet hinten Platz wie im Golf

Der Hyundai Getz ist im Vergleich zu unserem Moulin-Rouge-Renault ein Auto wie ein Reihenhaus: ziemlich unauffällig. Dafür ein vollwertiger Kleinwagen, der einzige zum Geiz-Tarif, der auf der Rückbank Platz für drei bietet – wie unser gebrauchter Golf.

Keiner unter 10.000 Euro ist so komplett ausgestattet wie der Getz: vier Airbags, ABS, elektrische Fensterheber, Servolenkung und Seitenaufprallschutz, höhenverstellbare Sicherheitsgurte mit Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer, Gepäckraumabdeckung, neigungsverstellbares Lenkrad, elektrische Leuchtweitenregulierung und elektronische Bremskraftverteilung. Alles für 9890 Euro.

Ein tolles Auto für diesen Preis. Mit zwei Schwachstellen: Die Fläche der Vordersitze ist zu kurz geraten, und der Motor läuft zäh und brummig. Spätestens nach hundert Kilometern hätte die Fahrerin am liebsten den Bären unter der Motorhaube erlegt, fand aber nur einen ordinären 63-PS-Antrieb, der viel zu viel schluckt. Auf der Autobahn brauchte der Hyundai 10,3 Liter. Das passt nicht in eine Zeit, in der uns Politiker mit Öko-Steuer und Dosenpfand zu Menschen mit Umweltbewusstsein erziehen wollen. Ab April 2003 dieselt der Getz mit 80 PS in den Handel. Der Common Rail spart Sprit und bei hohen Laufleistungen auch Geld.

Suzukis Alto spurtet wie der alte Mini

"Wie vor 15 Jahren", urteilt ein Kollege über den Suzuki Alto 1.1 GL. Recht hat er. Das Armaturenbrett erinnert an den spröden Charme eines frühen VW-Jetta-Cockpits, die Bedienknöpfe sind funktional wie ein Plastikbecher: praktisch, aber unschön. Das hat uns vielleicht in den achtziger Jahren gefallen, wirkt aber 2003 so modern wie Omas Unterhosen.

Nie aus der Mode kommt hingegen der Leistungsgedanke: Auf 825 Kilo kommen 63 PS, die den Alto zur Rennmaus machen. Der muntere 1,1-Liter-Motor hängt nervös am Gas und erinnert an den alten Mini Cooper. Bei 150 km/h berührt der Scheibenwischer nicht mehr das Glas, sondern malt Luftlöcher. Weht der Wind von vorne, verliert der Suzuki mächtig an Fahrt. Stürmt es von hinten, toppt der Alto seine Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h. Seitenhalt bieten dann nicht mehr die Sitze, sondern Beifahrer oder Tür.

So viel zur Kuschelzone. Die Knautschzone findet Unterstützung durch zwei Airbags, ABS gibt es gegen Aufpreis – dann aber keine Klimaanlage, mit Klima kein ABS. Bei einem Crash sitzen die Hinterbänkler so sicher wie ein Möchtegern-Fakir auf Nägeln: Der Rückbank des Alto fehlen Kopfstützen. Geizen gerne – aber bitte nicht an der Sicherheit. Was man dem Suzuki zugute halten muss: Er ist mit einem Preis von 7950 Euro unschlagbar günstig, hat eine gute Ausstattung, niedrige Versicherungsklassen und sorgt mit seinem kernigen 1,1-Liter- Motor für Kitzeln im Gasfuß.

Der Lupo geizt mit der Serienausstattung

Der Lupo (zu Deutsch: Wolf) ist mit 9800 Euro deutlich teurer als der Alto. Dafür aber auch deutlich besser. Das Wölfchen von VW ist für seinen Fahrer zahm wie ein Schoßhündchen. Lenkung, Fahrwerk, Federung und Bremsen sind tadellos, 50 PS reichen völlig.

Ein super Typ für die Stadt, der dem Fahrer mit höhenverstellbarem Sitz und Lenkrad sicheren Halt gibt. Der Lupo geizt mit seiner Ladekapazität und der Serienausstattung: Der Kofferraum fasst nicht mehr als 130 Liter – beinahe jedes Goldfischbecken schluckt mehr. Die Konkurrenten Twingo und Getz haben da deutlich mehr zu bieten: 168 und 254 Liter, die auch voll genutzt werden können – sogar der Japan-Zwerg Alto packt 177 Liter weg.

Für Extras wie Seitenairbags (245 Euro), Servolenkung (575 Euro), elektrische Fensterheber und Zentralverriegelung (635 Euro), Becherhalter im Armaturenbrett (21 Euro) muss der Kunde bei VW zahlen. Das passt so gar nicht in unseren Sparplan. Cash ist uncool – vor allem wenn es diese Extras bei Twingo oder Getz ganz umsonst gibt.

Technische Daten im Überblick

Was uns gefällt: die Beschleunigung des Suzuki Alto. Von null auf hundert in 12,5 Sekunden – da kommt Freude auf. Was uns überrascht: der hohe Spritverbrauch von Twingo und Getz. Das ist nicht zeitgemäß und muss sich ändern.

VW Golf (gebraucht)

Golf ist gemütlich: vielleicht etwas bieder, dafür klassenlos. Berufspendler, die jeden Tag über 30 Kilometer fahren, sind mit unserem zwei Jahre alten Gebrauchten besser bedient. Er hat den höchsten Fahrkomfort, am meisten Platz und mit ESP die beste Sicherheit. Dazu etliche Komfort-Extras, die unsere neuen Minis über die 10.000-Euro-Grenze bringen. Im Unterhalt ist er allerdings teurer. Jeder Kilometer kostet 33 Cent. Getz & Co fahren für weniger als 31, bieten dazu noch Neuwagengarantie. Das spricht für die Minis. Die Stadt gehört den Kleinen. Hier ist gegeizte Größe besser als ein gebrauchter Golf. Denn Parkplätze sind ja auch nicht riesig.

Fazit und Wertung

Fazit Heute mal nur gute Nachrichten: Alle vier Kleinwagen konnten bei unserem Vergleich einen Sieg einheimsen. Der Hyundai Getz fuhr die besten Messwerte ein, der Lupo überzeugt mit Charme: Motor, Schaltung und Qualität – das hört und fühlt sich vernünftig an. Der Suzuki Alto geizt am meisten: Er verursacht die niedrigsten Versicherungskosten und schluckt mit 6,3 Liter Super im Schnitt am wenigsten Sprit. Und der Twingo? Der konnte keinen Teilerfolg feiern, räumt dafür aber den Gesamtsieg ab. Der Franko-Floh überzeugt durch seine inneren Werte: viel Platz auf allen Plätzen. Gemütlicher ist es nur im Golf – der fuhr aber außerhalb der Wertung.

Von

Margret Hucko