Chiron, Chiron Sport, Chiron Super Sport 300+, Divo, Centodieci und jetzt der Chiron Pur Sport: Bugatti haut ein Modell nach dem anderen raus. Doch hinter der Vielfalt steckt eine klare Strategie. Die Veränderungen am Pur Sport sind so umfangreich, dass er fast schon als komplett neues Auto durchgehen könnte. Fahrwerk, Motor, Getriebe und Design wurden aufwendig optimiert. Das Ergebnis ist schon im Stand spektakulär!

Die wichtigsten Fakten zum Chiron Pur Sport im Überblick:
● 8,0-Liter-W16 mit 1500 PS und 1600 Nm
● Maximaldrehzahl von 6700 U/min auf 6900 U/min erhöht
● Getriebeübersetzung um 15 Prozent verkürzt
● Topspeed von "nur" 350 km/h, kein Speed-Key
● 50 Kilo Gewichtsersparnis im Vergleich zum Chiron
● 2,5 Grad negativer Sturz
● speziell entwickelte Semislicks: Michelin Sport Cup 2R
● zusätzlicher Fahrmodus "Sport+"
● auf 60 Stück limitiert
● Stückpreis: 3,57 Millionen Euro

Die Modellfamilie von Chiron bis Chiron Pur Sport

Fangen wir vorne an: Der Bugatti Chiron wurde 2016 als Nachfolger des jetzt schon legendären Veyron präsentiert. Allein die Zahlen zum Chiron sind beeindruckend: 8,0-Liter-W16, 1500 PS, 1600 Nm, ein Topspeed von 420 km/h und ein ehemaliger Basispreis von 2,86 Millionen Euro. Zwei Jahre später zeigten die Franzosen den Chiron Sport: Die größten Veränderungen sind ein neu abgestimmtes Fahrwerk und 18 Kilo Gewichtsersparnis. Motor und Getriebe bleiben unangetastet und auch die optischen Unterschiede sind erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Statt eines ovalen Doppelrohrauspuffs trägt der Chiron Sport beispielsweise vier runde Endrohre. Der Preis? 3,15 Millionen Euro.
Das macht den Chiron Pur Sport so besonders
Im Vergleich zum Pur Sport ist die Front des Divo völlig anders gestaltet. 
Ebenfalls noch 2018 debütierte der Bugatti Divo in Pebble Beach. Dabei handelt es sich um ein auf 40 Exemplare limitiertes Sondermodell, das auf Performance ausgelegt ist und sich auch optisch deutlich vom Chiron unterscheidet. Der Divo ist das erste Modell der neuen Coachbuilding-Ära von Bugatti, und er ist trotz eines Preises von 5,95 Millionen Euro bereits ausverkauft. Exakt ein Jahr nach dem Divo zeigten die Franzosen mit dem Centodieci eine Hommage an den EB110 aus den 90er-Jahren. Für die zehn Exemplare wurde die Leistung des W16 auf 1600 PS erhöht. Der Preis: satte 9,5 Millionen Euro.

Bugatti baut das schnellste Serienauto der Welt

Während Bugatti mit den Modellen Divo und Centodieci demonstrieren möchte, was die Designabteilung zu leisten imstande ist, hatte der Chiron Super Sport 300+ nur ein einziges Ziel: Topspeed! Anfang August 2019 holt sich Bugatti mit einer Höchstgeschwindigkeit von 490,484 km/h (304,8 mph) den Weltrekord für das schnellste Serienauto von Koenigsegg zurück. Zur Feier des Rekords legt Bugatti eine auf 30 Exemplare limitierte Kleinserie des Chiron Super Sport 300+ zum Stückpreis von 4,17 Millionen Euro auf. 
Das macht den Chiron Pur Sport so besonders
Für maximalen Topspeed wurde das Heck des Chiron Super Sport 300+ verlängert – mit Erfolg!
Doch Bugatti will noch mehr, und so kommt mit dem Chiron Pur Sport noch 2020 ein weiteres Modell auf den Markt. In der Pressemitteilung zum Pur Sport heißt es: "Es ist der bisher kompromissloseste und zugleich agilste Bugatti der Neuzeit." Alle Modelle kurz und bündig zusammengefasst, lautet die Definition folgendermaßen: Divo und Centodieci sind Coachbuilding-Modelle zu astronomischen Preisen, die zwar auf dem Chiron basieren aber eigentlich völlig losgelöst von diesem sind. Der Super Sport 300+ ist für maximalen Topspeed konzipiert, während der Chiron Pur Sport bestmögliche Track-Performance bieten soll.

50 Kilo Gewichtsersparnis

Wer aber denkt, dass der Pur Sport nur ein Chiron mit neuen Felgen und großen Flügel ist, liegt komplett daneben! Schon optisch sind die Unterschiede zum Basismodell durch die größeren Lufteinlässe und den verlängerten Frontsplitter deutlich erkennbar, aber um den sportlichsten Bugatti aller Zeiten zu entwickeln, war viel mehr nötig. Insgesamt konnte Bugatti 50 Kilo Gewicht einsparen. Klingt jetzt erst mal nach nicht viel bei einem Auto, das immer noch stattliche 1980 Kilo wiegt, doch der Aufwand für diese Ersparnis ist enorm. Der stellvertretende Design-Direktor Frank Heyl erklärt im Interview, dass beinahe jedes Bauteil angefasst und optimiert wurde.
Das macht den Chiron Pur Sport so besonders
Die Felgen des Pur Sport bestehen aus Magnesium und sparen 16 Kilo ungefederte Massen ein. 
Ein kurioses Beispiel sind die Scheibenwischerarme, die beim Pur Sport aus Carbon bestehen und ähnlich den Rotorblättern eines Helikopters funktionieren, indem sie durch die Krümmung auf die Windschutzscheibe gepresst werden. Gewichtsersparnis: zwei Kilo. Deutlich mehr Gewicht konnte bei den Felgen eingespart werden – insgesamt 16 Kilo ungefederte Masse. Dabei erläutert Heyl, dass Carbonfelgen in Betracht gezogen wurden, sich die Verantwortlichen am Ende jedoch aufgrund der hohen Hitzebeständigkeit für genauso leichte Magnesiumräder in 20-/21-Zoll entschieden. Die eingesetzten Aeroblades in den schwarzen Felgen bestehen allerdings aus Carbon und sorgen zusammen mit den neuen Louvres in den Kotflügeln für einen verbesserten Luftstrom. 

Der Pur Sport ist der langsamste Chiron

Ganz neu und speziell für den Pur Sport wurden die extra weichen Semislicks Michelin Sport Cup 2R entwickelt. Passend dazu hat Bugatti das Chassis-Set-up neu angepasst: Die vorderen Federn sind 65 Prozent und die hinteren Federn 33 Prozent härter. Carbon-Stabilisatoren sollen die Wankbewegungen minimieren, während ein um 2,5 Grad negativer Sturz für noch bessere Kurven-Performance sorgen soll. Gleichzeitig reduziert die Kombination aus Reifen und extremem Sturz die Höchstgeschwindigkeit auf "nur" 350 km/h, womit der Pur Sport der langsamste aller Chiron ist. Macht aber nichts: Denn wer auf maximalen Topspeed aus ist, der sollte sowieso den Chiron Super Sport 300+ bestellen.Dafür haben die Ingenieure dem neuen Pur Sport den zusätzlichen Fahrmodus "Sport +" spendiert, der über den ESP-Knopf links vom Lenkrad angewählt wird und so spätere Eingriffe der Traktionskontrolle erlaubt. Wer den absoluten Nervenkitzel sucht, kann per langem Tastendruck erstmals in einem Chiron das ESP komplett ausschalten. Das ist allerdings nur echten Profis zu empfehlen, denn schon im "Sport+"-Modus sollen Allrad-Drifts möglich sein. Entsprechende Skills vorausgesetzt. 

Sechs Auspuffrohre am Heck

Das macht den Chiron Pur Sport so besonders
Flügel und Diffusor formen ein "X". Die blauen Akzenten am Spoiler sind "Aero Fences" und keine Show. 
Das Heck ist die Sahneseite des Pur Sport. Statt des ausfahrbaren Flügels des normalen Chiron thront ein nicht zu übersehener XXL-Flügel oberhalb der durchgehenden Rückleuchte, der in Verbindung mit dem weit rausstehenden und deutlich größer dimensionierten Diffusor nicht nur weitere zehn Kilo einspart, sondern auch einen höheren Anpressdruck ermöglicht. Übrigens sind die blauen Akzente links und rechts der Flügelstützen keine reine Show, sondern sogenannte Grenzschicht-Zäune (Aero Fences), die die Luftverwirbelungen reduzieren sollen. Auch der Auspuff des Chiron Pur Sport ist ein absolutes Kunstobjekt. Er besteht aus Titan und wird im 3D-Drucker gefertigt. In Summe besitzt der Pur Sport somit sechs Endrohre. Vier sitzen in der Mitte, die allerdings optisch zu zwei gebündelt werden, und – was kaum jemand weiß – im Diffusor verstecken sich zwei weitere Endrohre, die den Diffusor anblasen und nur zu sehen sind, wenn man sich den Pur Sport von unten anschaut. Auf die Abgasanlage entfallen weitere zwei Kilo, sodass die Ingenieure in mühevoller Kleinarbeit peu à peu insgesamt 50 Kilo vom Ursprungsgewicht des Chiron einsparen konnten.

Maximaldrehzahl von 6700 U/min auf 6900 U/min erhöht

Doch mit der Gewichtsersparnis, der Überarbeitung des Fahrwerks und komplett neuen Reifen gab sich Bugatti immer noch nicht zufrieden, und so wurden auch der monumentale W16-Motor und das Getriebe optimiert und speziell auf das Einsatzgebiet des Chiron Pur Sport angepasst. Zwar blieb die Nennleistung mit 1500 PS und 1600 Nm auf dem Papier gleich, doch die Maximaldrehzahl wurde von 6700 U/min auf 6900 U/min erhöht. Gleichzeitig wurde das Getriebe neu abgestuft, die Übersetzung wurde um 15 Prozent verkürzt, wodurch die Elastizitätswerte um 40 Prozent über denen des Chiron liegen sollen. In Zahlen bedeutet das: Der Pur Sport beschleunigt im sechsten Gang von 60 auf 120 km/h fast zwei Sekunden schneller als der Chiron. Frank Heyl versichert, dass diese Maßnahmen auf der Rennstrecke enorme Auswirkungen auf die Performance des Pur Sport haben. 

Stückpreis des Pur Sport: 3,57 Millionen Euro

Das macht den Chiron Pur Sport so besonders
Größere Schaltwippen und jede Menge Alcantara im Innenraum des Chiron Pur Sport. 
Beim Innenraum des Pur Sport setzt Bugatti großflächig auf Alcantara. Während Lenkrad, Mittelkonsole, Dachhimmel und mehr beim normalen Chiron mit Leder ausgekleidet sind, kommt hier der leichtere Mikrofaserstoff zum Einsatz. Die größeren Schaltwippen sind dem Divo entliehen und sollen vor allem auf der Rennstrecke einen Vorteil bieten. Wie viele Besitzer mit dem 3,57 Millionen Euro teuren Bugatti Chiron Pur Sport tatsächlich Trackdays besuchen, bleibt abzuwarten. Die ersten Testfahrten auf dem Bilster Berg schienen sehr vielversprechend. Bis die ersten Kunden allerdings auf die Rennstrecke können, wird es noch ein paar Monate dauern: Die Produktion der ersten Chiron Pur Sport soll in der zweiten Jahreshälfte 2020 beginnen, sodass die ersten Kundenfahrzeuge Ende des Jahres ausgeliefert werden.
Play

Bugatti Chiron Pur Sport (2020): Supersportwagen - Interieur - Info

Viel Alcantara im Chiron Pur Sport

 
Fazit von Jan Götze: Ein 1980 Kilo schwerer Bugatti für die Rennstrecke? Klingt nach Marketing, doch wer das Glück hat, den Bugatti Chiron Pur Sport live zu erleben, merkt sofort, dass Bugatti es ernst meint. Die Veränderungen im Vergleich zum normalen Chiron sind viel tiefgreifender als zuerst vermutet und die Testfahrten auf dem Bilster Berg beweisen: Dieser Bugatti kann Kurven! Ich kann es kaum erwarten, selbst hinter das Steuer des Pur Sport zu dürfen!