Der Hammer fiel nach mehr als zehn Jahren: Laut EU-Verordnung Nr. 433 aus dem Jahre 2009 (überarbeitet 2014) dürfen seit Januar 2020 neu zugelassene Autos in Europa im Schnitt nur noch 95 g Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen. 95 g CO2/km entsprechen einem Verbrauch von 4,1 Liter Benzin oder 3,6 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Doch die 95 Gramm sind nur ein Basiswert: Von ihm ausgehend werden individuelle Flottengrenzwerte ermittelt anhand des Durchschnittsgewichts der tatsächlich verkauften Autos.

Verbrauch und Gewicht werden berücksichtigt

Berechnet werden die einzelnen Grenzwerte mit einer Formel, die Verbrauch und Gewicht eines jeden Modells bzw. jeder Modellausstattung berücksichtigt. Ausgegangen wird von einer Referenzmasse von 1392 kg. Je geringer das Leergewicht, desto mehr sinkt der individuelle CO2-Grenzwert – und umgekehrt. Der leichte Renault Twingo kommt so auf 81 Gramm, der schwere Mercedes GLE auf 137 g (weitere Beispiele in der Galerie). Hält ein Hersteller den Grenzwert nicht ein, wird es für ihn teuer. Und was kann das für Kunden bedeuten? Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Fragen und Antworten zur CO2-Grenze von 95 g/km

WELCHE STRAFZAHLUNGEN DROHEN DEN HERSTELLERN?

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Leicht zu merken: 95 Euro. Aber: pro Gramm CO2 zu viel – und pro zugelassenem Auto. Beispiel: Der neue Golf mit Benzinmotor überschreitet seinen individuellen Grenzwert um 17 Gramm – und kostet VW somit 1615 Euro an Strafe pro Auto. Im Gegenzug gibt's in selber Höhe auch Gutschriften.

WELCHE AUSNAHMEN ODER TRICKS GIBT ES?

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Einige. In diesem Jahr werden die dreckigsten fünf Prozent der Flotte eines Herstellers noch nicht mitgerechnet (erst ab 2021). Und: Autos mit weniger als 50 g CO2 (also Plug-in-Hybride und reine E-Autos) werden 2020 doppelt gerechnet. So bekommt der Mercedes GLE Plug-in die 10.260 Euro zweimal gutgeschrieben. Durch das "Pooling" dürfen sich auch Hersteller zusammentun, um den Flottenwert zu drücken (z.B. Toyota und Mazda). Und: Kleinserien-Hersteller mit maximal 10.000 Autos pro Jahr werden durch weniger harte Grenzwerte geschont.

WIE REAGIEREN DIE AUTOBAUER AUF DEN GRENZWERT?

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Sie passen ihre Produktpalette an. VW will durch den massiven Verkauf des E-Autos ID.3 den Flottenschnitt senken. Daimler nimmt beim leichten Smart die Benziner vom Markt, die Strafe kosten würden; auch Seat Mii und Skoda Citigo gibt’s nur noch mit E-Antrieb. Geringe Marge, hohe Strafen – daher verschwinden immer mehr Kleinstwagen-Verbrenner vom Markt. Fiat plant sogar den kompletten Ausstieg aus dem Kleinwagen-Segment, also keine Uno mehr. Und: Mehr Plug-in-Hybride sollen die Strafen der Benziner-SUV ausgleichen. Unser Beispiel der beiden Golf zeigt: Die neue Grenzwert-Regelung könnte für eine Renaissance des Diesel (hier gibt's ein Pro und Kontra) sorgen.

WAS BEDEUTET DAS FÜR DIE KUNDEN?

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Neuwagen nur noch für Reiche?  33.580 Euro gaben Deutsche 2019 im Schnitt für einen Neuwagen aus – Tendenz steigend. CO2-Strafen werden die Konzerne an Kunden weiterreichen. Aber es gibt auch Positives: Um den Verkauf von elektrifizierten Modellen zu fördern, bieten Staat und Hersteller noch höhere Kaufprämien an. Ganz generell gilt: Zwang zu weniger CO2 heißt weniger Verbrauch und damit: geringere Spritkosten.

WIE WEIT WIRD DER GRENZWERT NOCH GESENKT?

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Der Flottengrenzwert soll bis 2030 um weitere 37,5 Prozent abgesenkt werden. Ob das realistisch ist, soll 2023 noch einmal überprüft werden. Unter anderem, indem man schaut, wie viel E-Autos in Europa zugelassen werden.

UND WIE HILFT DAS ALLES DEM KLIMA?

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Der EU-Grenzwert von 95 g/km sorgt erst mal dafür, dass sich die Hersteller in die richtige Richtung bewegen – und damit die lokalen Emissionen sinken. Auch der Marktanteil an E-Autos wird 2020 drastisch steigen. So weit, so gut. Doch der Nutzen für die Umwelt hängt von der CO2-Bilanz der Produktion ab – und vom Öko-Anteil am deutschen Strom-Mix. Der stieg zuletzt auf fast 50 Prozent. Aber der Gewichtsfaktor lässt den SUV-Boom nicht abebben. Mit allen negativen Konsequenzen.