Deutschland bangt um Opel. An Sympathie fehlt es dabei nicht. Und jetzt liefert uns Rüsselsheim den schönsten Grund dafür – sein Name: Insignia Sports Tourer. Endlich ein Opel-Kombi, der auch in Ingolstadt oder Dingolfing vom Band rollen könnte, so stilsicher und dynamisch tritt er auf. Bevor der Insignia Sports Tourer aber den Premium-Herstellern auf die Pelle rückt, muss er erst mal seine Mittelklasse-Gegner abbügeln. Und schon das ist keine Spazierfahrt. Härtester Widersacher: der VW Passat Variant. Er ist der Liebling der deutschen Kombi-Nation. Und damit der Maßstab – obwohl er schon vier Jahre im Laden steht. Mehr Lifestyle-Laster als Nutzwert-Riese will der $(LB388996:Renault Laguna Grandtour)$ sein. Mal sehen, ob der sportliche GT mit seiner serienmäßigen Allradlenkung den germanischen Gegnern in die Parade fahren kann.

Der Insignia Sports Tourer ist der längste Kombi in diesem Vergleich

Karosserie: Mit 4,91 Meter Länge übertrifft der Opel Insignia Sports Tourer den Laguna um elf Zentimeter, den Passat sogar um 14 Zentimeter. Im Opel profitieren davon aber nur die Passagiere in der ersten Reihe. Hier reisen selbst Hünen ausgesprochen bequem. Der große Verstellbereich von Lenkrad und Sitzen ermöglicht jedem eine angenehme Sitzposition. Der wuchtige, bis in die Türverkleidungen reichende Armaturenträger beeinträchtigt weder Platz noch Raumgefühl. Dafür ist er so gut verarbeitet, dass fast Oberklasse-Feeling aufkommt. Auch der Passat ist ein gewissenhaft zusammengebautes Auto. Und selbst der ehrgeizige Laguna Grandtour lässt sich keine Schlampigkeit ankreiden – mit einer kleinen Ausnahme: Unterschiedliche Spaltmaße trüben den ansonsten ordentlichen Qualitätseindruck. Wichtiger: Vorn kommt in keinem der drei Platzangst auf. Im Gegenteil. Hinten bietet der kurze Passat am meisten Luft. Auf der schmalen und wenig Beinauflage bietenden Opel-Bank wird es dagegen schon für drei Teenager eng, der Laguna-Fond ist ebenfalls knapper geschnitten. Vorteil VW auch beim Kofferraum: Während sich Opel- und Renault-Käufer mit dem Urlaubsgepäck einschränken müssen, reicht beim Passat der Platz locker auch noch für das Schlauchboot der Kinder.

Sein Zweiliter-Turbo macht den VW Passat Variant zur Familienrakete

VW Passat Variant
Antrieb:
Der 200 PS starke Zweiliter-Turbo-Direkteinspritzer aus dem VW-Konzernbaukasten macht den Passat zur Familienrakete. Er tritt schon im Drehzahlkeller spontan an, hängt im mittleren Tourenbereich bissig am Gas und dreht lustvoll in Richtung Begrenzer. Dabei arbeitet er leise und säuft nicht – so einen Kumpel wünscht sich doch eigentlich jeder, der Spaß und Sparsamkeit unter einen Hut bringen muss. Dagegen enttäuscht der 1,6-Liter-Turbo des Insignia. Nicht wegen der fehlenden 20 PS, sondern aufgrund der unharmonischen Leistungsentfaltung. Unter 2000 Touren ist der raue Typ noch ganz schön verschlafen. Darüber holt er erst mal tief Luft und stürmt heftig voran, um sich kurz darauf schon wieder eine Pause zu gönnen. Erst ab 4000 Touren dreht er auf, dröhnt dann aber laut. Zu diesem zähen und unentschlossenen Charakter passt das sehr lang übersetzte Getriebe überhaupt nicht. Die Sprünge zwischen den Gängen zwei und drei sowie vier und fünf sind zu groß. Beim Überholen im großen Gang fährt der Insignia seinen Rivalen deshalb hinterher. Der 204 PS starke Renault-Turbo ist dagegen ein kräftiger Bursche, der Gaspedalbewegungen fix umsetzt. Bei hohen Touren arbeitet er jedoch brummig, außerdem trinkt er zu viel.
Komfort: Als Insignia Edition verwöhnt der Opel mit Klimaautomatik, CD-Radio, DVD-Navigationssystem und bequemen Komfortsitzen. Dazu federt er kommod, speziell mit dem adaptiven FlexRide-Fahrwerk (930 Euro). Im soften Tour-Modus gleitet der große Kombi souverän über Unebenheiten, selbst grobe Wellen absorbieren die Federn gelassen. Das kann der Passat aber genauso gut, Querfugen und Kanten schluckt das ebenfalls aufpreispflichtige elektronisch geregelte DCCFahrwerk des VW Passat sogar noch einen Tick besser (1025 Euro). Beim getesteten Passat Variant Comfortline kosten allerdings viele Annehmlichkeiten (Klimaautomatik, Radio, Navigation) Aufpreis, die beim Insignia Sports Tourer Edition schon serienmäßig mitfahren. Kontrastprogramm beim Renault. Den sportlichen Laguna Grandtour GT gibt es nur mit Vollausstattung (unter anderem Xenonscheinwerfer, Zweizonen-Klima, Einparkhilfe). Dazu zählen auch die straffe Federung und 18-Zoll-Aluräder mit Niederquerschnittreifen. Das schöne Schuhwerk verschlechtert aber den Komfort, vor allem Querfugen reicht der Renault trocken durch.

Die Allradlenkung des Laguna Grandtour ist durchaus spaßig

Renault Laguna Grandtour
Fahrdynamik:
Jetzt wird's spannend: Hält der Insignia Sports Tourer, was Name und dynamisches Aussehen versprechen? Die bisher getesteten Limousinen punkteten jedenfalls mit sicherem Fahrverhalten. Das gilt im Großen und Ganzen auch für den Kombi. Dennoch machen sich die zusätzlichen Pfunde im Heck deutlich bemerkbar: Bei plötzlichen Ausweichmanövern oder bei Lastwechseln in schnellen Kurven drängt das Heck erstaunlich weit nach außen, bevor es vom ESP eingefangen wird. Eine betont sportliche ESP-Auslegung also, die ungeübte Fahrer verschreckt – und womöglich zu gefährlichen Überreaktionen verleitet. Normalerweise wird es – immerhin – nicht wirklich kritisch, weil sich der Sports Tourer weder aufschaukelt noch zum Gegenschlag ansetzt. Dynamik soll auch die sehr direkt ansprechende Lenkung vermitteln, die aber zu leichtgängig arbeitet und wenig Fahrbahnkontakt vermittelt. Auf kurvigen Strecken fällt es schwer, mit dem Opel eine saubere Linie zu fahren. Ständig fordert er Lenkkorrekturen, weil schon kleine Ausschläge zu heftigen Schlenkern führen.
Da gefällt uns der Renault Laguna GT mit seiner Allradlenkung besser. Bis Tempo 60 biegt der Franzose so zackig ums Eck, als hätte er irgendwo ein Klappscharnier eingebaut – gewöhnungsbedürftig, aber spaßig. Und sicher, das garantieren ein straffes Fahrwerk und ein aufmerksames ESP. Aber den besten Kompromiss bietet einmal mehr der Passat. Mit fast schon auf reizender Lässigkeit demonstriert der Wolfsburger, wie gut sich Komfort, Fahrspaß und Sicherheit unter einen Hut bringen lassen. Der ausgewogene Passat wird jedem Fahrernaturell gerecht.
Kosten: Für den Insignia 1.6 Turbo Sports Tourer "Edition" verlangt Opel einschließlich FlexRide-Fahrwerk 32.175 Euro, der Laguna Grandtour GT 2.0 Turbo kommt auf 31.500 Euro. Traditionell teuer: Der VW Passat Variant 2.0 TSI. Mit Comfortline-Ausstattung, optionalen 17-Zoll-Rädern und DCC-Fahrwerk sind 33.435 Euro fällig. Dafür schneidet er an der Zapfsäule besser ab als seine beiden Mitbewerber: Im Schnitt fordert er 9,2 Liter Super. Opel (9,4 Liter) und Renault (9,8 Liter) konsumieren mehr – und der Laguna kommt auch bei den Versicherern nicht günstig davon.
Wie sich die drei Kombi-Konkurrenten auf dem Siegerpodest platziert haben, erfahren Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen gibt es als Download im Heftarchiv.
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Fazit

von

Uli Holzwarth
Da baut Opel endlich mal einen Mittelklasse-Kombi, der schon beim Betrachten Lust aufs Fahren macht. Und was passiert? Der VW Passat Variant gewinnt mit großem Vorsprung. Auch wir waren ganz schön überrascht, als der Opel Insignia Sports Tourer beim Zusammenzählen der Punkte immer weiter hinter dem Wolfsburger Dauerkonkurrenten zurückfiel, sich letztlich sogar nur knapp vor dem Renault Laguna behaupten kann. Dabei ist der Insignia Sports Tourer ein gutes Auto, das Konzept stimmt. Mit einem harmonischeren und sparsameren Antrieb und etwas Feintuning an Lenkung und ESP ist der Opel-Kombi bei der Musik. Das gilt ebenso für den Renault Laguna Grandtour GT. Mehr Komfort, weniger Verbrauch – schon ist für den Franzosen ebenfalls mehr drin.

Von

Uli Holzwarth