Gäbe es einen lateinischen Namen für die schwere Krankheit, die unser Dauertest-Passat durchlitt, sie hieße wohl Influenza Electronicus. Oder so ähnlich. Übersetzt: schmerzhaftes Sensorfieber und brennender Ausschlag im Bereich der Motorelektronik. Unser Patient zeigte dabei ausgesprochen hartnäckige Symptome. Und im Behandlungsverlauf schwächten schwere Motor-Operationen sowie diverse Kunstfehler der Werkstatt den Ärmsten zusätzlich. Aber der Reihe nach. Im Mai 2006 trat der Passat seinen Dienst zum AUTO BILD-Dauertest an. In der meistgekauften Ausführung Variant, in funktionalem Comfortline-Trimm, mit 170 PS starkem TDI. Dazu ein sündhaft teures Ausstattungspaket inklusive großem Farbnavigationssystem, Lederausstattung, modernem DSG-Getriebe.

Arbeitstier mit Reisequalitäten

VW Passat Variant 2.0 TDI
Der Passat Variant mit starkem TDI gilt als gesunde Mischung, unser Modell musste allerdings häufig operiert werden.
Deutschlands beliebtester Kombi in Top-Form. Einfach traumhaft. Aber auch teuer. 45.858 Euro waren vor zweieinhalb Jahren für den edlen Laster fällig – entsprechend hoch die Erwartungen. "Eher Prunkwagen als Volkswagen", formulierte unser Chef vom Dienst Helmut Litzenberger gleich den hohen Anspruch des Super-Passat. Von wegen. Bei uns musste der arctic-blaue Variant ganz unten anfangen, von Beginn an kräftig malochen. Heißt: eilige Dienstreisen abreißen, schwere Anhänger zerren, Unmengen Mess- und Fotomaterial transportieren. Verhoben hat er sich dabei nicht, ganz im Gegenteil. Das Fahrtenbuch füllte sich anfangs so schnell mit Lob, wie sich die Kilometer addierten: "Leiser Reisewagen, guter Durchzug, subjektiv starke Bremsen, sensationeller Verbrauch", fasste Redakteur Karl-August Almstadt die Autobahn-Qualitäten zusammen.

Probleme von Anfang an

"Mit vorgeklapptem Beifahrersitz und flach gelegten Fondlehnen wird der Variant zum Kleinlaster", lobte Tester Manfred Klangwald auch noch die Stärken im Transportbereich. Im Prinzip waren sich alle Nutzer einig: Der Komfort stimmt, die Sitze sind tadellos, das DSG-Getriebe mit seinen weichen Schaltübergängen begeistert – dieser Kombi ist sein Geld wert. Der Haken an der Sache: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Passat gerade einmal 10.000 Kilometer auf der Uhr. Gut eingefahren, könnte man meinen. Oder aber: schon am Ende. Denn außer Lob am konzeptionellen Können, hagelte es von da an vorrangig negative Bemerkungen.

DSG-Getriebe nervte über die gesamte Testdistanz

Speziell das Getriebe fand nach und nach Kritiker. Beim Anfahren oder im Rangierbetrieb zickte es. Der elektronisch überwachte Kraftschluss der Doppelkupplung erfolgte scheinbar lieber zufällig als nach einem logischen Programm. Selbst nach einem Software-Update in der VW-Werkstatt ruckelte sich der Variant weiterhin unsensibel in Parklücken, nervte mit verzögertem Ansprechen. Schlimmer noch: Bei Minusgraden ließ sich das Getriebe gelegentlich erst nach mehreren Versuchen zur Rückwärtsfahrt überreden. Redakteur Jörg Maltzan konnte den VW im Winterbetrieb "nur im Kriechgang mit viel Geschick aus der Tiefgarage bugsieren". Immerhin: Diese Unzulänglichkeiten des DSG bei Kälte lassen sich – übrigens wie die bei hohen Temperaturen mehrfach überforderte Klimaanlage – gerade noch in die Abteilung temporäre Komfortschwäche sortieren.

Motor mit Leistungsverlust

Andere Macken dagegen gehören ganz klar in die Kategorie Ganzjahres-Ärger. Bei Kilometer 18.380 hüstelte der Turbodiesel erstmals, fiel kurz darauf mit schwindender Leistung unangenehm auf, schwächelte bald bei der Höchstgeschwindigkeit, schleppte sich im Notlaufprogramm von der Autobahn oder sogar nur am Haken der Gelben Engel in die nächste Werkstatt. So viel vorab: Das Motor-Husten und die Schwächeanfälle wuchsen sich letztlich zu einem chronischen Leiden aus. In der Zwischenzeit beschäftigte uns der Dauertest mit abenteuerlichen Reparaturerlebnissen. Wahrscheinlich hing der Variant häufiger am VW-Diagnosegerät als Amy Winehouse am Kochsalz-Tropf.

VW war mit Problem-Diagnose überfordert

VW Passat Variant 2.0 TDI
Provisorium: Das gelbe Bypass-Kabel überbrückt den Kabelbaum vom Ladeluft-Drucksensor zum Motorsteuergerät.
Gebracht hat es bei beiden jedenfalls nur kurzzeitige Besserung. Vom ausgetauschten Luftmassenmesser über zweifach gewechselte Pumpe-Düse-Einspritzelemente bis zu einem notdürftig durch den Motorraum verlegten Bypass-Kabel zum Ladeluft-Drucksensor operierten die VW-Mechaniker in insgesamt neun (!) Eingriffen am offenen Herzen des Vierzylinders. Leider erwiesen sich die meisten Einschnitte als Fehldiagnose – letztendlich war ein Temperatursensor am Turbolader der Übeltäter. Fatal: Der Ausfall dieses Fühlers ist kein Einzelfall bei den Zweiliter-TDI. Darüber hinaus sind Defekte vom Diagnosegerät grundsätzlich nicht auffindbar. Das wäre immerhin eine klitzekleine Entschuldigung, warum sich der für den Dauertest zuständige Servicebetrieb mit der Behandlung so schwertat.

Bei Inspektion übersah VW verschlissene Bremsbeläge

VW Passat Variant 2.0 TDI
Unglaublich: Bei einer Inspektion übersah VW bis auf die Trägerplatte verschlissene Bremsbeläge an der Hinterachse.
Unverzeihlich sind allerdings andere Patzer des Hamburger VW-Händlers. Zum Beispiel die vergesse Batteriebefestigung oder der Pfusch bei der letzten Wartung: Die Firma Raffay übersah trotz Inspektionsvorgabe die bis aufs Metall heruntergeschliffenen Bremsbeläge an der Hinterachse – eine lebensgefährliche Fahrlässigkeit, besonders deshalb, weil VW hier keine warnende Verschleißkontrolle vorsieht. Immerhin blieb uns so eine weitere blinkende Warnlampe erspart. Zuvor hatten bereits mehrfach Beifahrerairbag, Temporegler und Abgassystem per gelbem Flackerlicht auf Probleme mit anschließender Reparatur hingewiesen.

Angst vor Pannen blieb bis Testende

Nur fürs Protokoll: Beim Airbag handelte es sich um eine fehlerhafte Steckverbindung (in der Serie ab Mai 2007 geändert), der Temporegler heilte sich meist nach einem Neustart selbst, die Abgas-Meldung hing mit einem fehlerhaften Kabelanschluss im Ladeluftsystem zusammen (seit Juni 2007 verbessert). So oder so – die Angst vor Pleiten und Pannen blieb bis zum Ende Dauer-Beifahrer von WOB-DJ 825. Fast könnte man bei der Zerlegung des Dauertest-Kandidaten von Erlösung für den armen Patienten sprechen. Fast. Unsere Abschlussvisite ergab dann doch noch eine Überraschung: Wir fanden kaum Verschleiß, wenig Rost. Ohne einen weiteren Anfall von "Influenza Electronicus" hätte der Passat also noch ein langes Leben vor sich.

Gesunder Motor, makelloses Getriebe

VW Passat Variant 2.0 TDI
Immer noch nicht abgestellt: Rissbildungen im Zylinderkopf sind ein bekanntes Problem bei VW-TDI-Motoren.
Jeder Kranke wartet sehnsüchtig auf ein positives Untersuchungsergebnis. Beginnen wir also mit den guten Nachrichten. Der Antrieb unseres Sorgenkindes zeigt sich nach der Total-Demontage in technisch gutem Zustand. Der DEKRA-Sachverständige urteilt nach der Motorvermessung: "Maßhaltigkeit von Kolben und Laufbuchsen sowie das daraus resultierende Laufspiel sind in Ordnung." Wenig Vertrauen erwecken allerdings die Spannungs- und Hitzerisse im Zylinderkopf des Dieselmotors. Die VW-Techniker sehen das entspannt, behaupten, die Risse blieben ohne Auswirkung, würden sich bei laufendem Motor schließen. Na, ja ...

Die Rostvorsorge ist gut, der Pflegezustand mies

VW Passat Variant 2.0 TDI
In demontiertem Zustand zeigte sich der Passat von der soliden Seite.
Besser sehen die Bauteile des DSG-Getriebes aus. Die Gangräder, Kupplungen und Übertragungsteile wirken wie neu. Ebenso übersteht die Rostvorsorge unsere Untersuchung fast ohne Tadel. Bis auf eine Verstrebung am Vorderwagen ist der Passat innen und außen gut gegen Rost geschützt. Im empfindlichen Elektrikbereich sind Steckverbindungen, Massebefestigungen sowie Sicherungskasten und Steuergeräte sauber, trocken und gut isoliert. So weit die guten Nachrichten. Die schlechte ist, dass das Pflegepersonal recht lieblos mit dem Patienten umgesprungen ist. Wir staunen über die unzureichend befestigte Dämmmatte an der Motorhaube, über fehlende oder nicht eingeclipste Befestigungen von Kabeln und Abdeckungen im zudem völlig verdreckten Motorraum. So sollte ein werkstattgepflegtes Fahrzeug nicht aussehen.

Hersteller-Reaktionen: Das sagt Volkswagen ...

... zu den Leistungsproblemen: Es hat leider recht lange gedauert, um dem Verursacher der Leistungsprobleme, dem T3-Sensor, auf die Spur zu kommen. Einen verbesserten Temperatursensor bereitzustellen, brauchte ebenfalls einige Zeit. Deshalb wurde bei der ersten Reparatur am Testwagen ein Bauteil eingebaut, das noch der ersten Serie entsprach. Dieses fiel leider später ebenfalls aus. Seit Anfang 2007 wird in der Serienfertigung der optimierte Sensor eingesetzt.
... zum zweimaligen Austausch der Pumpe-Düse-Elemente: Die nachfolgende Untersuchung der Elemente hat ergeben, dass der erste Austausch überflüssig war. Ursache für die mangelnde Motorleistung war der T3-Sensor. Der zweite Austausch kurz vor dem Testende war berechtigt, da die Düsenlöcher (sechs pro Element) verkokt waren. Für betroffene Kunden bieten wir mittlerweile eine Reinigung der Elemente per Ultraschallbad an.

Das sagen die Leser ...

"Nach einem Jahr gewandelt" Im Mai 2006 erhielt ich meinen neuen Passat. Bereits nach einer Woche begann eine Odyssee mit 40 Macken und 31 Werkstattaufenthalten in den ersten sieben Monaten. Hier nur einige der Mangelpunkte: abfallende Seitenrollohalterungen, unsauber eingepasste Plastikteile, Knacken von der fahrerseitigen B-Säule, permanent leuchtende Airbagkontrolle, defekte Freisprecheinrichtung, defekte Innenspiegel-Automatik, stotternder Leerlauf, Leistungsverlust. Der Wagen wurde schließlich nach einem Jahr gewandelt. Jörg Kletzien, per-E-Mail, VW Passat Variant 2.0 TDI (140 PS)
"Keinerlei Schwierigkeiten" Auch wenn der Pumpe-Düse-Motor immer wieder als laut und rappelig dargestellt wird, ich finde ihn leise. Wer jahrelang wie ich Ford mit Dieselmotor gefahren ist, wird dies bestätigen. Mein Passat hat bislang keinerlei Schwierigkeiten gemacht. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 215 km/h laut Tacho, die Xenon-Scheinwerfer mit Kurvenlicht sind genial, das DSG-Getriebe ist eine Wucht. Markus Lott, 59379 Selm, VW Passat Variant 2.0 TDI (140 PS)
"Nur zwei Ölwechsel" Mein Passat hat bisher nach 65.000 Kilometern außer zwei Ölwechseln noch nicht einmal Verschleißteile wie Glühbirnen oder Bremsbeläge benötigt. Der Verbrauch ist bei 90 % Autobahnanteil mit 6,5 Liter Diesel erfreulich niedrig. Einziger Ausrutscher war bislang ein defektes Steuergerät für die elektronische Parkbremse. Ulrich Halser, 81925 München, VW Passat Variant 2.0 TDI (170 PS)
"Problemtyp mit Zicken" Mein Passat ist ein echter Problemtyp mit Zicken. Ausgetauscht wurden bisher: Motorsteuergerät, Navigationssystem, Sensoren der Park Distance Control. Mängel gab es am DSG-Getriebe, der Feststellbremse, dem Radio sowie der Klimatisierung. Dieser Passat ist teuer und bietet nicht den erwarteten Gegenwert. Michael Schoch, per E-Mail, VW Passat Variant 2.0 TDI (140 PS)
"Probleme von Anfang an" Schon in den ersten Tagen nach der Abholung gab es Schwierigkeiten mit der elektrischen Feststellbremse. Wenige Tage später eine Rückrufaktion. Kurz darauf musste das ABS-Steuergerät ausgetauscht werden. Das Fahrzeug überraschte des Weiteren mit ungleichmäßig abgefahrenem Reifenprofil und entsprechend lauten Abrollgeräuschen sowie übermäßig lauten Motorgeräuschen. Letztlich wurde das Multifunktionsdisplay getauscht und ein Fensterheberschalter wegen abgeplatzter Farbe ersetzt. Meine Zufriedenheit ist total im Keller. Klaus Knutzen, per E-Mail, VW Passat Variant 2.0 TDI (140 PS)

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Jan Horn

Zählen wir zusammen: stimmiges Konzept, standfeste Mechanik, beste Fahreigenschaften – ist der Passat also ein gutes Auto? Leider nicht. Die anfällige Elektronik verhagelt ihm die Bilanz. Dazu dumme Fehler der Werkstatt. Nach Polo und Touran erneut ein Dauertest-Debakel für VW. Das sollte in Wolfsburg zu denken geben.
Das VW Passat-Dossier enthält viele Versionen, Ausstattungen, Motoren und alle Erfahrungen und Testergebnisse, die wir mit der Wolfsburger Mittelklasse in den vergangenen Jahren gesammelt haben. Jetzt als PDF downloaden.

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Von

Manfred Klangwald