Beeindruckt sitze ich im neuen Opel Insignia und denke: Donnerwetter! Da haben sich ja mal die Jungs vom Design gegen die rüden Rotstiftler durchgesetzt. Das sieht klasse aus. Der Kunststoff wirkt hochwertig, gut verarbeitet, da steckt offensichtlich Liebe drin. Vielleicht etwas verspielt, aber konsequent gezeichnet. In vielen Details erkennt man die Wing- oder Flügel-Linien wieder. Im Vergleich zum Neuen wirkt der Vectra plötzlich wie ein schlicht verputztes Armenhaus. Schon die Insignia-Basisversion hat eine elektrische Fahrersitz-Höhenverstellung, Mittelarmlehne vorn, geteilt umklappbare Rücksitzlehne, ein Radio und Tagfahrlicht. Über Klimaanlage, elektrisch verstell- und beheizbare Spiegel sowie Zentralverriegelung redet man in dieser Klasse nicht mehr. Das hat man. Rüsselsheim gibt also wieder richtig Gas. Das war nicht immer so. Schauen wir noch mal kurz in die 80er-Jahre. Da hatte die treue Rüsselsheimer Kundschaft in der Mittel- und Oberklasse die große Auswahl. Rekord E standen in den Schauräumen einträchtig neben Commodore und Senator. Gut, ein bisschen amerikanisch waren alle angehaucht, aber die Opelaner taten ihr Bestes, den berühmten Ruf der Zuverlässigkeit über die gesamte Modellreihe zu zementieren.

Der Basis-Insignia mit 115 PS startet bei 22.700 Euro

Nun soll der neue Insignia also das Wunder vollbringen, die Lücke zwischen Vectra und Omega zu schließen, ja sogar ein Funke Senator soll überspringen. Etwas viele Wünsche auf einmal, oder? Aber immerhin, mit 4,83 Meter Länge ist der Neue nur anderthalb Zentimeter kürzer als ein Senator B von 1990. Dafür ist er satte 22 Zentimeter länger als ein Vectra, den Signum übertrifft er sogar noch um 18. Das Format eines Omega selig (Länge 4,90 Meter) hat er freilich noch nicht. Zumindest bei den Außenmaßen. Aus Rüsselsheim weht also ein ganz frischer Wind. Womit wir beim VW Passat sind. Er ist der Maßstab in dieser Klasse und in vergleichbarer Version (122 PS) gleich mal 1925 Euro teurer. Der Basis-Insignia mit 115 PS soll nur 22.700 Euro kosten. Und selbst der Basis-Passat mit 102 PS ist noch 375 Euro teurer. Für mehr Geld bekommt der Kunde in Wolfsburg weniger Auto. Schauen wir uns die beiden Rivalen genauer an. Dem VW fehlen in der Länge zum Opel sieben Zentimeter, die Ausstattung ist ebenfalls manierlich, ein Radio kostet aber bereits Aufpreis. Der Blick in den Innenraum ruht mit mehr Wohlgefallen auf den Armaturen des Opel. Sie sind nicht so zerklüftet wie im VW, sondern klassisch-solide geformt und spielen gekonnt mit bumerangförmigen Linien. Als Vorlage dazu dient die außen ins Türblech gepresste "Wing-"Sicke.

Erste Bilder vom Insignia-Kombi gibt es hier!

Opel Insignia
Ganz liebevoll haben sich die Designer das Opel-Blitz-Symbol vorgenommen. Oben im Ring ist stets "Opel" eingraviert. Es findet sich an Grill und Heck, dem Airbag-Pralltopf sowie auf der Motor-Verkleidung. Designchef Mark Adams hat als Devise ausgegeben: "Sculptural Artistry and German Precision" - was soviel wie "kraftvolle Formen mit deutscher Präzision" heißt. Und tatsächlich: Sie ist an vielen Details zu erkennen. Wo zum Beispiel der VW an den Rücksitzen den Gurt nur mit einem kleinen Plastikabweiser führt, da verhindert beim Opel eine kleine Kralle, dass das Gurtband beim Umlegen der Rücksitzlehne im Wege ist. Oder die hinteren Kopfstützen. Sie sind beim Opel tief versenkbar, behindern die Rücksicht also nicht, aber erinnern Passagiere ans Justieren, denn sie drücken im eingeschobenen Zustand störend auf die Schulterblätter.
Die Musik aber spielt vorn. Beide Wagen haben Frontantrieb, auf Wunsch ziehen aber auch alle vier Räder. Die Lärmdämmung, so berichten Ingenieure, soll besser als beim Passat sein. Ebenfalls der Fahrkomfort, denn das Fahrwerk wurde völlig neu konstruiert. Auf Wunsch (930 Euro) gibt es das FlexRide genannte Fahrwerk, das sich in drei Härtestufen variieren lässt. Das aber auch vollautomatisch eine kritische Situation erkennt und dann auf optimale Härte und somit passende Räderführung umschaltet. Ganz stolz sind die Rüsselsheimer auf ihr adaptives Fahrlicht (zusammen mit einem Sichtpaket 1450 Euro teuer, aber nicht im Basismodell zu haben), das die Bi-Xenon-Scheinwerfer vielen Situationen anpassen kann. Die Lichtverteilung in der Stadt, auf Landstraße und Autobahn ist variabel, Kurven- und Abbiegelicht ist dabei, das Tagfahrlicht leuchtet aus LEDs. Liebevoller Gag am Rande: Tagfahrlicht, Rück- und Bremslichter sind ebenfalls wingförmig ausgebildet, somit ein neues Erkennungsmerkmal bei Dunkelheit. Angenehm: Vorn sehen sie nicht so aggressiv drängelnd wie etwa bei den großen Audi aus.

Sieben Motoren für den Insignia, neun für den Passat

Opel Insignia, VW Passat
Wie ist der Insignia in Form? Sieben Motoren sind verfügbar, beim Passat sind es neun. Dort finden sie unter einer flachen Haube Platz, der Opel kommt mit einer Knollennase daher. Grund: Alle neuen Automodelle müssen seit Oktober 2005 strengere Fußgänger-Aufprallvorschriften erfüllen. Dadurch ist die Insignia-Haube relativ hoch geraten. Die Techniker aber sind stolz, dass sie dennoch einen cW-Wert von 0,27 erreicht haben. Das Heck des Opel ähnelt dem des Astra, trägt einen kräftigen Schuss Frontpartie. Wären die Rücklichter weiß und Grilllöcher in der Mitte, dann könnte hinten auch vorn sein. Überhaupt passiert Ungewöhnliches mit dem Betrachter. Von der Seite her besehen, wirkt der Insignia eher gedrungen. Schräg von vorn rassig. Die großzügig verchromte Front ist ausdrucksstärker. Von schräg hinten stemmen sich die Räder kraftvoll in den Boden, direkt von hinten wiederum wirken die Proportionen jedoch unstimmig. Doch das muss jeder, der sich für den Insignia interessiert, selbst bewerten. Der Passat ist ja schließlich auch nicht wirklich ein Ausbund an Schönheit. Zumindest mit Stufenheck. Außerdem kommt der neue Opel auch in einer Schrägheckversion, der Caravan ist für nächstes Frühjahr geplant und sieht auch wirklich gelungen aus. Ob Stufen- Fließ- oder Kombiheck – der Insignia muss einschlagen. Und ich sage Ihnen eines: Ich habe da ein gutes Gefühl.

Fazit von AUTO BILD-Autor Diether Rodatz

Glückwunsch, Opel: Der Insignia ist eine imposante Erscheinung. Ein stattliches Auto, modern gezeichnet und auf den ersten Blick sehr liebevoll und gut verarbeitet. Er hat viel Platz, ist gut ausgestattet und bietet modernste Technik zu bezahlbaren Preisen. Und das zählt heute besonders. Ob er den Rivalen VW Passat dann auch tatsächlich im Fahrvergleich schlagen kann, muss der erste Test zeigen. Die Messlatte liegt hoch. Aber eines steht jetzt schon fest: Opel hat einen guten Job gemacht.