Der Golf Südamerikas hat mit seinem Wolfsburger Vorbild vor allem eins gemeinsam: drei Buchstaben. Und auch den Erfolg. Der VW Gol (auf Deutsch: Tor) wird seit 1983 in Brasilien gebaut, seit 21 Jahren ist er dort das bestverkaufte Auto. Unangefochten. Jetzt geht die vierte Generation des Gol mit einem echten Knallerpreis an den Start. 11.800 Euro kostet das Basismodell des Viertürers. Und die Total-Flex-Technik, die den Motor fit für den Benzin- oder Ethanol-Betrieb macht, fährt in jedem Modell serienmäßig mit. Eine schlanke, dynamische Front hat der Gol, mit dem neuen Markengesicht und einem Kühlergrill, den wir vom Scirocco kennen. Das freut Entwicklungschef Egon Feichter ganz besonders: "Das zeigt, dass wir in Brasilien ganz vorn mit dabei sind, das gilt für das Design und auch die Technik." Kräftige Schultern geben der Silhouette Charakter. Der VW Gol sieht ein wenig aus, als hätten sie den Tiguan geschrumpft. Das Heck wirkt gefällig, aber nicht umwerfend. Wer will was dagegen sagen, wenn alle VW-Mannen beteuern, das wäre der brasilianische Geschmack ...

Der Gol fährt im Geiste der Brüder Golf & Polo

VW Gol 1.6
Innen werden die Unterschiede zum Golf "made in Germany" deutlicher. Die Chromringe um Instrumente und Lüftungsdüsen sehen ganz nett aus, das Material der Armaturentafel dagegen erinnert an europäische Kleinwagen der 80er – lieber nicht anfassen. Ablagen finden sich nur spärlich, die Sitze sind knautschig weich und ihre Bezüge ausgesprochen schweißfördernd. Ärmlich wird es dann dort, wo keiner auf Anhieb hinguckt. Die Matte auf dem Kofferraumboden scheint aus dem Ein-Euro-Shop zu stammen, darunter liegt ein Notrad. Bleibt die Frage, ob der Gol zumindest mit den vorzüglichen Fahreigenschaften seiner Brüder im Geiste, dem Golf oder dem Polo, mithalten kann. Er gibt sich alle Mühe. Die Lenkung arbeitet tadellos, vermittelt gutes Gefühl für Fahrbahn und Traktion. Der Federungskomfort ist wirklich gut. Zumindest für die meist sehr schlechten Straßen Brasiliens. Kräftige Schräglage in Kurven bleibt da nicht aus. Das Fahrverhalten entspricht gesundem Mittelmaß, ein dezentes Untersteuern erleichtert es, die Kontrolle zu behalten.

ABS und Airbag gibt es nur gegen Aufpreis

VW Gol 1.6
Aber jetzt kommts: ESP ist gar nicht im Angebot und ABS gibts nur gegen Aufpreis. Airbags – ebenfalls nicht serienmäßig. Sie werden in Brasilien selten geordert, die Ausstattungsrate liegt unter sechs Prozent. Die Bremse ist so weich wie die brasilianischen Schnulzen im Radio. Trittsicher das Pedal, gleichermaßen geeignet für die Sambalatschen oder die turmhohen High-Heels, auf denen mindestens 99 Prozent aller Brasilianerinnen unterwegs sind. Wer schön sein will, muss halt leiden. Das gilt nicht für den Gol. Der hat mehr Platz für Passagiere als sein Vorgänger und transportiert sie – passend zu Brasiliens Autobahn-Tempolimit von 120 km/h – angepasst zügig. Der Basismotor, ein Einliter-Vierzylinder, ist dennoch ein müder Hund.
Mehr Laune macht der 1,6-Liter-Benziner mit 103 PS. Der schafft immerhin 192 km/h Spitze und sorgt für eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in 9,6 Sekunden. Kein Wunder, bei eben mal 944 Kilogramm Leergewicht. Die Maschine zeigt sich drehfreudig und nicht zu laut. Die fünf Gänge des manuellen Getriebes lassen sich präzise wechseln. Diesel sind nicht zu haben, die sind unterm Zuckerhut für Privat-Pkw verboten. VW plant derzeit nicht, den Billig-Golf nach Europa zu bringen. Die im Vergleich zum Euro starke Landeswährung Real würde den Gewinn aufzehren. Doch die Wolfsburger können anders rechnen. Denn im Brasilien-Preis sind 35 Prozent Steuer enthalten. Zu uns könnte das Auto viel günstiger kommen. Für gut 10.000 Euro wäre der Ethanol-Gol eine gute Volkswagen-Antwort auf Dacia und andere Preisbrecher.

Fazit von AUTO BILD-Mitarbeiter Michael Kirchberger

Der Gol ist solide und komfortabel. Und er fährt mit alternativen Kraftstoffen. Zwar erfüllt er (noch) nicht unsere Sicherheitsnormen, dennoch stünde er VW gut zu Gesicht. Als Volkswagen zu Volks-Preisen.

Kann ich den Gol selbst importieren?

VW Gol 1.6
Den Gol gibt es mit zwei Motorisierungen: Als 1.0 VHT Flex und als 1.6 VHT Flex. Das VHT steht für Volkswagen high torque und Flex für flexi fuel, also die Möglichkeit, Benzin und Ethanol sowie jegliche Mischung beider Stoffe zu fahren. Beide Saugmotoren erfüllen in etwa die Euro-4-Norm. Das brasilianische Messverfahren ähnelt dem deutschen, ist aber nicht identisch. Die Grundausstattung ist mager: kein ABS und ESP, keine Airbags, keine Servolenkung, keine E-Fenster, Radio oder andere Extras. Aber ein Reserverad. Brasilien hat 27 Bundesstaaten mit unterschiedlichen Steuergesetzen. Im Schnitt liegen aber 35 Prozent Steuern auf jedem Fahrzeug, das dort vertrieben wird: Mehrwertsteuer, eine Art Industriesteuer und Zulassungssteuer. Stehen die Fahrzeuge beim Vertragshändler, sind bereits alle Steuern bezahlt, und der Händler kann sie vom brasilianischen Staat nicht zurückfordern. Will man also einen Wagen aus Brasilien importieren, kommen folgende Kosten zusammen: • Kaufpreis: Gol 1.6 (103 PS): 11.800 Euro •  Zollabwicklung Brasilien: 133 Euro • See-Fracht: 537 Euro • Fracht-Versicherung (1,5 % Kaufpreis): 177 Euro • EU-Einfuhrzoll (10 %): 1265 Euro • Entladekosten/Zollpapiere: 350 Euro • Einfuhrumsatzsteuer: 2710 Euro • Umrüstung, TÜV (gesch.): 800 Euro • Endpreis: 17.772 Euro. Ergebnis: Der Import auf eigene Faust lohnt sich nicht. Aber wenn VW den Gol exportiert, kann es günstiger werden. Dieser Weg hat schon beim Fox geklappt.

Von

Michael Kirchberger