Freundlich sind sie ja, die Amis. Robbie Bogan vom Parker District Fire Department in Greenville, South Carolina, macht da keine Ausnahme. Klar zieht er die schwere Montur an, und gern rangieren er und seine Kollegen das klobige Gerät so lange, bis der Fotograf endlich zufrieden ist. Die Gegend hier fährt sowieso total auf BMW ab. Das Werk in Spartanburg, wo bisher der Z3, Z4, X5 und jetzt auch der X6 gebaut werden, ist nur ein paar Meilen entfernt. In dieser Umgebung wirkt der X6 fast zierlich. Nicht nur zwischen den Feuerwehren, sondern unter all den mächtigen Ford F 150, Dodge Ram und Toyota Tundra Pick-up, mit denen sich der Südstaatler gern fortbewegt.
Aber verglichen mit diesen unförmigen Kisten, schlägt das BMW-Design natürlich eine viel feinere Klinge. Der X6 ist nur knapp zwei Zentimeter länger als der X5, doch fast acht Zentimeter flacher (1,69 Meter) und auch fünf Zentimeter breiter (1,98) – das ergibt eine bullige, kraftstrotzende Erscheinung. Er fällt aber vor allem mit der für ein Auto dieser Art ungewöhnlichen, abfallenden Dachlinie auf. Wie bei einem Coupé, aber in dieser Höhe eben seltsam anmutend. BMW bezeichnet den X6 als Sports Activity Coupé, eine Mischung aus sportlichem Geländewagen und Coupé. Das sei – so tönen die Bayern – eine völlig neue Autokategorie. Na ja, wir erwähnen hier nur mal der Vollständigkeit halber Pontiac Aztec und SsangYong Actyon – zwei zugegeben eigenwillig geformte Kraftfahrzeuge, die aber für eine ähnliche Idee stehen.

Der Fond reicht sogar für 1,90-Meter-Männer

Platz für einen 1,93-Meter-Mann: AUTO-BILD-Redakteur Dirk Branke ist nicht nur vom Cockpit des X6 begeistert.
Das X6-Interieur entspricht grundsätzlich dem des X5, noch mal verfeinert. Die Instrumente etwa stammen aus dem 6er, und im Fond gibt es zwei ausgeformte Einzelsitze statt einer Dreierbank. Die Überraschung: Obwohl die Kopffreiheit knapper ausfällt als im X5, sind hier auch Fahrgäste über 1,90 Meter anständig untergebracht. Der Grund dafür stammt aus dem wirklichen Leben. X6-Projektleiter Peter Tünnermann: "Ich wollte grundsätzlich auch im Fond sitzen können.“ Der Mann ist 1,96 Meter groß. Und es hat geklappt. Die Sitzposition liegt tiefer als im X5, Kniefreiheit gibt es mehr als genug – so lässt sich bequem reisen. Auch das Gepäck leidet übrigens keine Not: 570 Liter schluckt der Kofferraum, im X5 sind es 620.
Mag das spektakuläre Design die Diskussionen förmlich herausfordern, zur Technik aber dürfte es nur eine Meinung geben: faszinierend! Besonders stolz ist BMW auf den weiterentwickelten Allradantrieb xDrive. Der verteilt mit Verteilergetriebe und Lamellenkupplung das Antriebsmoment variabel zwischen Vorder- und Hinterachse, abhängig von der Fahrsituation. Zusätzlich gibt es jetzt noch ein DPC genanntes System an der Hinterachse. DPC steht für "Dynamic Performance Control" und ist ein raffiniertes Hinterachsgetriebe von ZF, das mit Hilfe zweier Lamellenkupplungen die Kraft auch noch variabel zwischen den Hinterrädern verteilen kann. Es wird mehr Kraft zum Rad mit der besseren Traktion übertragen. Wozu, bitte, braucht man das alles? "Das Auto wird kürzer", antwortet BMW-Mann Clemens Zimmermann. Der Mann kommt zwar vom Marketing, hat aber trotzdem Sachverstand und durchaus auch Humor.

Röhren wie ein Zwölfender in der Brunft

Vier Motoren gehören zum Programm des X6, zwei Benziner und zwei Diesel. Der 50i ist komplett neu.
Was er meint, wird bei der ersten Testfahrt sehr schnell klar. Der mächtige, 2,2 Tonnen wiegende X6 fährt sich mit einer schier unfassbaren Agilität und Handlichkeit. Ich habe noch kein Auto dieser Größenordnung erlebt, das sich so agil und leichtfüßig bewegt. Kommt dann noch der neue 4,4-Liter-V8 ins Spiel mit dem Feuer, wird es langsam unheimlich. Das 50i aus der Typenbezeichnung ist zwar eine kokette Übertreibung, dafür aber entwickelt das nagelneue Aggregat – mit Direkteinspritzung und zwei Turbos – 407 PS und noch viel beeindruckendere 600 Nm bei nur 1750 Touren. Kurz gesagt: Dieser Motor passt zum süßen Wahnsinn dieses exaltierten Autos. Ein vor Kraft berstendes Triebwerk mit gewaltigem Antritt und endlosem Schub. Dazu röhrt er aus den Endrohren wie ein von der Brunft befallener Zwölfender.
Gut, dass der diensthabende Sheriff gerade nicht in der Nähe war – ich hätte die Nacht garantiert in der Zelle des Greenville County verbracht. Obwohl dort ja eigentlich die BMW-Leute hingehören. Weil ihr Auto verboten viel Spaß macht. Dazu gehört auch, dass die HightechÜberdosis so selbstverständlich und fast beiläufig agiert. Genau so soll es sein. Der X6 startet am 31. Mai zu Preisen ab 55.800 Euro für den Dreiliter-Diesel mit 235 PS. Der vergleichbare X5 kostet 52.500 Euro. Den hier gefahrenen 50i gibt es ab 73.800 Euro, der stärkste X5 mit 4,8-Liter und 355 PS kostet 69.500 Euro. Zu heiß für Normalverdiener.

Fazit von AUTO-BILD-Redakteur Dirk Branke

Genie oder Wahnsinn? Über das Design kann man streiten, über Sinn und Zweck des X6 auch. Aber die Amis waren begeistert, und ich bin es auch. Motoren und Fahrdynamik sind schlichtweg ein Erlebnis.