Mini-Golf? Wer spielt denn heute noch Mini-Golf? Niemand außer ein paar Rentnern oder gelangweilten Twens, die zu deutschen Schlagern tanzen. VW aber glaubt fest an die Zukunft des Mini-Golf, der Herzen berührt, die Jugend bewegt und trotzdem einen etablierten Namen trägt: Polo. Schauen wir ihm tief in die Augen. Designchef Walter de Silva verengte die Scheinwerfer zu schmalen Schlitzen, setzte darunter einen schmollenden Mund à la Scirocco – bitte sehr, so sieht das bislang seriöseste Kleinwagen- Gesicht aus. So ernsthaft, dass ich dem Polo glatt abnehme, dass er raus ist aus der Pubertät. De Silva selbst nennt das "La Semplicità" – die "Einfachheit". Dank Leichtbauweise und eines Klaps aufs Dach (minus 14 Millimeter) speckte der Junior im Schnitt 7,5 Prozent seines Gewichts ab, lediglich 1067 Kilo wiegt die nackte Basis-Version.

Genügend Entfaltungsfreiheit selbst für Sitzriesen

Im Innenraum spüre ich weder Wolfsburgs Weight-Watchers noch die Flachbauweise. Selbst Sitzriesen entfalten sich frei, wahren Abstand zu Decke und Seitenwänden. 12.150 Euro kostet der günstigste Polo mit drei Türen und 60-PS-Benziner. Zur Markteinführung am 26. Juni kommt aber zunächst nur der Fünftürer (735 Euro teurer). Über 13.000 Bestellungen gingen bei VW seit Anfang März ein. 90 Prozent mehr als beim Vorgänger im gleichen Zeitraum – der Abwrackprämie sei Dank. Beliebtester Benziner (Modellanteil: 31 Prozent) dürfte der 1,4-Liter mit 85 PS werden, den AUTO BILD zum ersten Fahrtermin ausgewählt hat. Ein alter Bekannter, eine bewährte Messlatte, um die Qualitäten des neuen Polo zu checken. Unter 2000 Touren fühlt sich der 1.4er eher schlapp an. Darüber hinaus entfaltet er seine Kraft leise und harmonisch, als Normverbrauch gibt VW 5,9 Liter Super an. Nicht gerade ein Wunder-Wert, weshalb der erst überarbeitete Motor bereits ein Verfallsdatum besitzt. Spätestens 2011 wird der Sauger durch einen 1.2 TSI mit der gleichen Leistung ersetzt – der soll Verbrauch und CO2-Ausstoß senken, wohl auch mithilfe eines Sechsgang-Getriebes.

Die Diesel wirken extrem aufs Sparen getrimmt

VW Polo
Unser 1,4-Liter muss noch mit fünf Gängen auskommen – was aber schnell vergessen ist. Wer schaltfaul fährt, erntet auch nur müdes Temperament. Dabei flutschen die Gänge problemlos, auch beim Sechsganggetriebe, das ich bereits im 1.2 TSI testen konnte. Ein herrlicher Motor, mein heimlicher Favorit, der ist springlebendig und wirkt hellwach wie ein guter Diesel, ohne mit dessen Geräuschkulisse zu nerven. Die Selbstzünder sind zwar erstmals im Polo laufruhigere Common-Rail-Motoren, aber immer noch zweifelsfrei als Diesel zu erkennen. Die kleinste Variante (75 PS) kommt nur schwer auf Trab. Ihre Anfahrschwäche ertragen nur geduldige Sparer. Alle anderen drücken aufs Gas, das man wirklich ans Bodenblech nageln muss – generell wirken alle Diesel extrem aufs Sparen getrimmt. Deshalb bekamen sie auch eine Schaltempfehlung im Display.
Gegen Aufpreis bietet VW für den 1.6 TDI mit 90 PS ein BlueMotion-Paket mit Start- Stopp-System und Bremsenergie-Rückgewinnung (circa 500 Euro), das den Verbrauch von 4,2 auf 3,6 Liter senken soll. Noch günstiger kann es nur der echte BlueMotion (3,3 Liter), der im Januar 2010 folgt. Wo VW beim Polo spart, lässt sich unter der Haube mit bloßem Auge erkennen: Bei den Benzin-Versionen wurde auf die Plastikabdeckungen verzichtet – macht zehn Euro. So viel kostet der schwarze Deckel. Auch anderswo ist der Rotstift zu spüren. Eine digitale Anzeige ersetzt die Tankuhr, statt eines durchgehenden Vorhangairbags (nur als Extra) gibt es Airbags in den Vordersitzen. Dafür ist ESP serienmäßig in allen Modellen. Beruhigend, so wie die vertrauenerweckende Lenkung, die alte Talente perfektioniert. Jeder Kurve folgt der Polo zentimetergenau auf Befehl, in Parklücken gibt er mit seiner variablen Servounterstützung nach und bewegt seine Räder mit jugendlicher Leichtfüßigkeit. Bei höheren Geschwindigkeiten gewinnt das Lenkgefühl an Ernsthaftigkeit, der Wagen hält treu die Spur.

Ein Wunder an Übersicht ist der Polo noch immer nicht

VW Polo 1.4
Ahhh, da ist es wieder! Dieses typische VW-Gefühl, beruhigend wie Johanniskraut. Weil alles funktioniert wie erwartet, beim Neuen eine Spur besser als beim Alten. Die Federung behält ihre Souveränität, man fühlt sich für alles gewappnet, seien es schlechter Asphalt oder die gemeinste Kurve, die am Ende zumacht. Mit 15-Zoll-Rädern federt der Polo streberhaft gut, 17-Zöller machen ihn spürbar unbequemer. Da können die perfekt geschnittenen Sitze wenig ausgleichen. Was ist noch besser geworden? Der doppelte Ladeboden (Serie ab Comfortline) zaubert die handtiefe Ladekante einfach weg. Die Fondsitze klappen jetzt ohne ärgerliche Fummelei und Verrenkungen um, außerdem stehen beim Einparken keine Kopfstützen im Weg. Die lassen sich nämlich voll versenken. Ein Wunder an Übersicht ist der Polo immer noch nicht, nach vorn sind die Ecken nur zu erahnen. Und nach hinten muss oft ein Parkpieper helfen, der ab Comfortline Serie ist. Wer parkt schon gern im Blindflug ein? Eine Macke, die der Polo von seinem größeren Bruder geerbt hat. Ist halt doch ein Mini-Golf. Aber mehr Mini als Golf.

Fazit

von

Margret Hucko
Mit dem neuen Polo baut VW wieder einen wahren Volks-Wagen. Ein 3,97-Meter-Auto, in dem sich jeder sehen lassen kann: Jung und Alt, Putzfrau wie Professor. Den Golf kann der Polo eindeutig nicht ersetzen, aber seine Größe passt in unsere Zeit.

Von

Margret Hucko