Junggebliebene 100-PS-Sportfreunde

Als unsere männlichen Fotomodelle noch jung waren, da gab Turnvater Jahn den Ton an. Von wegen Match, Fight oder Stretching – man sprach von Spiel, Zweikampf und Dehnübungen. Und Autos? Die wurden hart erspart, auf Pump oder sogar auf Wechsel erworben. Sonntägliches Hobby – Pardon, natürlich Steckenpferd – war die Waschorgie irgendwo im Grünen an irgendeinem Bach.

Doch überlassen wir die glorreichen Zeiten von 12M, Käfer und Kadett den Nostalgikern. Aktuell gilt: Die deutschen Kompakten haben mächtig Konkurrenz aus dem Ausland bekommen. Peugeot 307 und jetzt auch Renault Mégane heizen Golf und Co kräftig ein. Mehr noch: Teilweise sind sie bereits der Maßstab. Dennoch sollten wir nicht immer nur auf die Neuen schielen, sondern uns noch einmal dem deutschen Kompakt-Klassiker widmen: Golf gegen Astra und Focus. Aktueller Aufhänger: der neue Diesel im Focus.

Kurz vor dem Modellwechsel beim Golf im Herbst (Astra und Focus nächstes Jahr) eine durchaus spannende Begegnung. Jung geblieben sind die drei 100-PS-Sportfreunde allemal. Sonderlob für Ford: Seit neuestem füllt ein prima passender Diesel die Lücke zwischen 90 und 115 PS. Dank gründlicher Feinarbeit ist er so munter wie der 15 PS stärkere Selbstzünder-Bruder. Ein rechter Drehzahl-Diesel, der ab 1800 Touren geschmeidig und schwingungsfrei die 1,34 Focus-Tonnen in Schwung bringt.

Opels Vierzylinder gibt sich recht unelastisch

Der Opel bleibt Letzter im Bunde, sein Vierzylinder gibt sich recht unelastisch. So ab 1500 Umdrehungen nimmt er zwar willig, aber rundum temperamentlos Fahrt auf. Wobei Kölner und Bochumer ihren Meister finden: Trotz nahezu gleicher Werte bei Drehmoment und Leergewicht ist der Golf insgesamt etwas flotter, elastischer und sparsamer.

Generation Golf. Seit 29 Jahren der Hit. Seine Konkurrenten hießen einst Escort und Kadett. Da mag über Wolfsburg lästern, wer will, und dessen schläfriges Heide-Design belächeln – dank norddeutschem Starrsinn und kontinuierlicher Feinarbeit setzen sich die Produkte langfristig durch. Wie sonst ist zu erklären, dass der Oldie dieses Trios in 18 von 30 Wertungskapiteln als Erster über die Ziellinie rauscht?

Das Platzangebot vorn ist Spitze, die Sportsitze (Aufpreis) sind sehr angenehm, nur Opel kann hier etwas besser punkten. Auf den Rücksitzen lässt sich aber im Focus schöner flegeln. Und wie im Golf sind Rücksitzbank und -lehne asymmetrisch umklappbar, beim Astra ist lediglich die Lehne geteilt, auch fliegen die drei Gurtschlösser unsortiert herum.

Manko: Alle drei Kandidaten heizen schlecht

Ganz hinten bietet der Opel aber am meisten Platz, ihm fehlen im Kofferraum (370 Liter) dafür praktische Verzurrösen wie bei den Konkurrenten. Urlaubsfamilien, aufgepasst: Wer im Focus das aufpreisfreie echte Reserverad bestellt, hat nur noch 290 statt 350 Liter Fassungsvermögen. Der Ford verlöre acht Punkte, der Astra hätte die Nase um einen hauchdünnen Zähler vorn.

Bleibt insgesamt festzustellen: Die drei jungen Alten sind im guten Sinne richtig reif geworden. Ford und Opel könnten zwar etwas besser bremsen, in der Fahrdynamik trennt sie aber nicht allzu viel. Grenzbereiche meistert der Golf am besten (nur er hat ESP serienmäßig, für den Focus gar nicht lieferbar), Fahrbahnkontakte übermittelt die Focus-Lenkung besser, beim Komfort und beim Innengeräusch-Niveau ist der Golf wieder die angenehmere Sänfte.

Meckern lässt sich höchstens über die dieselbedingt schlechten Heizungen. Beim Golf bemühen sich zwar Glühstifte darum, das Kühlwasser etwas schneller auf Temperatur zu bringen, beim Focus gibt es für 390 Euro sogar einen hilfreichen Zuheizer – im Prinzip aber brauchen sie eben etwas länger als Benziner, um den Insassen warme Füße zu verschaffen. Das ist eben der Nachteil dieser zeitgemäßen Ozonloch-Schoner: Wo wenig verbrannt wird, bleibt eben wenig Abwärme übrig.

Preisnachlässe von zehn Prozent möglich

Dafür können wir uns für die Gesamtleistung erwärmen: Dieses Trio würde die deutschen Farben auf jeder Senioren-Olympiade noch sehr gut vertreten. Preislich hat die deutsche (vor allem Wolfsburger) Wertarbeit schon einige Probleme, dafür sind derzeit Nachlässe von rund zehn Prozent drin.

Erstaunlich: Die vermeintlich günstigeren Focus und Astra verlieren das wichtige Kostenkapitel deutlich. Der Opel leidet unter seiner schlechten Versicherungs-Einstufung (was sich natürlich von Jahr zu Jahr ändern kann). Er und der Ford aber haben mit Euro 3 noch steuerschmutzige Abgase, der VW glänzt mit D4.

Die bei regelmäßiger Wartung unbegrenzte Wolfsburger Mobilitäts-Garantie verschafft dem Golf einen Vorsprung, ebenso das 50.000-Kilometer-Wartungsintervall (oder alle zwei Jahre). Dann punktet der Golf noch mit Sicherheit: Er hat neben dem ESP auch Bremsassistent und Kopfairbags serienmäßig.

Kosten und Ausstattungen

Bleibt noch der Wertverlust: Traditionell ein Pluspunkt für VW, gepflegte Autos gehen weg wie der hinter den Werkstoren geerntete Gifhorner Spargel. Okay, Ford und Opel haben auch ihre Abnehmer. Die sind etwas schwerer zu finden, wie auch das derzeitige Straßenbild zeigt: Golf II fahren noch reichlich herum, nicht aber Escort und Kadett. Die sind wohl doch schon in die Greisenjahre gekommen.

Fazit und Technische Daten

Fazit von Redakteur Diether Rodatz: "Ich reibe mir die Augen und frage allen Ernstes: Brauchen wir wirklich schon neue Focus, Astra und Golf? Besonders der VW ist immer noch ein verdammt gutes Auto. Und alle drei verbinden den Komfort der heimatlichen Couch mit der Dynamik eines Fitness-Studios. Was soll da noch besser werden? Rückblickend werde ich dann jedes Mal eines Besseren belehrt: Die Entwicklung fährt in kleinen, aber wichtigen Schritten stetig voran. Hier mehr Elektronik, Airbags oder Isofix, dort mehr Komfort und weniger Verbrauch. Hat zur Folge, dass sich diese (einstmals untere Mittel-)Klasse enorm aufgewertet hat. Bleibt eigentlich nur noch ein Wunsch an die Hersteller: Liefert konsequent Langzeitqualität, von immer wieder nötigen Rückrufen will ich nichts mehr hören."