Wir könnten jetzt einfach drauflos fabulieren. Vom GTI als eigener Klasse reden, von VWs Erfindung des Familiensportlers, vom Golf in Turnschuhen. Oder von ewigen Konkurrenten, zum Beispiel dem Ford Focus ST. Wir wollen aber nicht fabulieren. Bei solchen Pulsbeschleunigern kommen wir lieber direkt zu Sache.

Als Performance hat der Golf GTI 230 PS unter der Haube

VW Golf GTI
Der Golf GTI Performance hat 20 PS weniger als der Focus ST, ist dafür aber auch 80 Kilogramm leichter.
Also: Im neuen Ford stecken wie bisher 250 PS, ein GTI VII "Performance" lockt mit 230 PS. Das reicht, um Millimeterangaben bei der Kofferraumbreite oder Gewichtsunterschiede bei der Zuladung in null Komma nichts vom Tisch zu fegen und lieber die Stoppuhr um Rat zu fragen. Sprich: Wir vergleichen Golf GTI und Focus ST nach der AUTO BILD-Sportwertung. Hier haben wir nämlich vorrangig Sprintvermögen, Bremsleistung und Wedelkönnen im Visier. Herz vor Hirn also. Was sagt das Datenblatt? Im Großen und Ganzen: unentschieden. Im Golf prallen die 230 PS des 2.0-Turbo-TSI auf 1384 Kilogramm Kampfgewicht, der Focus (ebenfalls mit einem aufgeladenen Zweiliter-Vierzylinder) muss seine 20 Mehr-PS gegen zusätzliche 80 Kilo Masse aufrechnen. Beide Fünftürer rennen in der Spitze rund zwofuffzich, mit Drehmomentwerten von 350 Nm (Golf) und 360 Nm stehen sie ebenfalls auf einer Stufe.
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Der Ford Focus ST lässt seinen Fahrer die Straße spüren

Ford Focus ST
Schnellfahren mit allen Sinnen: Der Focus ST ist weniger geschliffen und viel lebendiger als der GTI.
Was’n Glück – die Entscheidung fällt also nicht geräuscharm am Schreibtisch, sondern unter quietschendem Getöse auf der Rennstrecke. Schon bei der Anfahrt zum Testgelände outet sich der Focus als entschlossenerer Sportsmann. Härter, direkter, biestiger – der ST lässt sofort die wilde Sau raushängen. Täuschen die üppig geformten Recaro-Sitze noch einen Hauch von Gran Turismo vor, rückt ein Tritt aufs Gaspedal das Bild vom Alltagssportler wieder schön schief. Er zerrt am Lenkrad, strampelt gegen den Antrieb, rumpelt über Querfugen, schnauft unter Last und ächzt vulgär, je weiter es in Richtung rote Zahlen auf dem Drehzahlmesser geht – diese Mischung passt! Der Golf geht es vergleichsweise geradezu kultiviert, leise, unaufgeregt an. Was leider auch etwas reizarm wirkt. Per Tastendruck schaltet das Fahrwerk auf Kuschelkurs mit der Straße, die Lenkung (arbeitet variabel) lässt auch lockere Finger am Kranz zu, der Motor summt seichter, leiser. Gleichzeitig gibt er elastischer seine Kraft ab, trinkt zudem rund einen Liter weniger.
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Auf der Renstrecke hat das Duell einen eindeutigen Sieger

Ford Focus ST VW Golf GTI
Keine Chance für den VW: Auf der Rennstrecke zieht der Ford mit 0,7 Sekunden Vorsprung davon.
Diese feinen Manieren legt der GTI dann auch auf der Rundstrecke an den Tag. Nahezu narrensicher und fahrstabil umrundet er den Parcours, bremst vor jeder Kurve artig gleichförmig gut und fein dosierbar, krallt sich am Kurvenausgang mit beeindruckender Traktionsstärke in den Teer. Klasse: Die Gänge rasten präzise und mit festem Anschlag ein, die Abstufung der Übersetzungen passt bestens zum Turbocharakter des TSI. Sauschnell, ohne zu viel Krawall zu machen – so geht GTI. ST darf man anders deuten. Noch schneller, viel ungeschliffener, somit ungleich aufregender. Im Ergebnis nimmt er dem Golf pro Runde fast siebenZehntelsekunden ab. Der Fahrer schnappt sich dabei nicht nur den Sieg auf der Piste, er hat auch schlicht viel mehr Spaß am Gerät. Beim Lastwechsel zuckt der Ford keck mit dem Heck, die spitze Lenkung lässt feines Anvisieren einer Kehre ebenso zu wie schnelles Öffnen beim Gegenlenken. Kurz: Hier ist mehr Leben in der Bude.
Dass der Focus dem Golf nicht noch mehr Zeit abnimmt, liegt an den zahnloser zubeißenden Bremsen und an zuweilen ungestüm scharrenden Antriebsrädern. Ein Glück für VW, alles andere würde den feinen Herrn GTI wohl einem Infarkt nahebringen.

Fazit

Es hat nicht ganz gereicht für den neuen Ford Focus ST. Sieben Zehntel schneller auf der Rennstrecke, aber am Ende elf Punkte hinter dem Golf GTI. Ist der Ford deshalb schlecht? Ganz im Gegenteil: Der Focus ist sogar unser Sieger der Herzen, weil er so ungestüm über die Piste knallt. Der Golf ist wieder der perfekte Allrounder – auch als GTI.