Wolffs Warnung - Kommentar von Frederik Hackbarth

Toto Wolff
Wie lange hält Toto Wolff (2.v.l.) die aktuelle Meister-Truppe in dieser Konstellation noch zusammen?
Im Notfall werde man sich eben von einem seiner beiden Fahrer trennen und das Erfolgsduo somit sprengen, warnte Toto Wolff bei Mercedes’ Saisonabschluss in Stuttgart seine beiden Star-Piloten. Zunächst einmal scheint das undenkbar – mit zwölf Doppelsiegen haben Hamilton und Rosberg den Silberpfeilen in dieser Kategorie 2015 immerhin den neuen Rekordwert eines Teams in der Formel 1 beschert. Doch auch das Team weiß, dass die starken Leistungen nicht ausschließlich an den Fahrern sondern auch am guten Material liegen. Derartige Ergebnisse könnten unter Umständen also auch andere Piloten einfahren – an Bewerbern mangelt es Mercedes dank des Über-Autos bekanntlich nicht. Aufpassen, gilt es daher für die Fahrer – für Rosberg noch ein bisschen mehr als für Hamilton, denn der Brite sitzt momentan am längeren Hebel.
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Bitter für den Deutschen, denn meistens ist es sein Kontrahent, der sowohl bei den Vorstößen auf als auch neben der Strecke forscher und härter zur Sache geht, dessen Wortwahl und Sticheleien provokanter sind als die von Rosberg. Das Problem des Vizeweltmeisters: Er sitzt in der Falle – und Hamilton weiß das. Legt man Wolffs warnende Worte auf die Goldwaage und stellt sich ein Szenario vor, in dem sich Mercedes von einem seiner beiden Fahrer trennt, merkt man schnell: Dass es Hamilton trifft, ist fast undenkbar. Würde Mercedes seinen amtierenden Weltmeister rauswerfen? Den Piloten, der die beiden vergangenen Jahre sportlich mehr oder weniger dominiert hat? Hamilton hat einen Vertrag bis 2018, verdient als Champion auch noch einmal eine gute Schippe mehr als Rosberg – was würde Mercedes eine vorzeitige Trennung kosten?
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Vor allem aber: Hamiltons Werbewert ist für die Stuttgarter unbezahlbar. Bernie Ecclestone lobte den Briten unlängst als „den besten Weltmeister, den wir je hatten“, weil der 30-Jährige mit seinem Jetset-Lifestyle die internationale Aufmerksamkeit auf die Königsklasse lenkt – und auf Mercedes. Wolff indes bezeichnet Hamilton gerne als „Rockstar“. So ein Rockstar, der hat Allüren. Gerade zu beobachten in den letzten Rennen der Saison 2015. Mit dem Titel in der Tasche ließ Hamilton auf der Strecke merklich nach. Rosberg dominierte und gewann die letzten drei Saisonrennen vor dem Briten, der die Zeit lieber nutzte, um Unruhe zu stiften. Das Setup seines Autos sei seit dem Singapur GP verändert worden, etwa eine Sekunden koste ihn das, meinte der frischgebackene Weltmeister. Und fing dann mit öffentlichen Zankereien über die Strategie an, indem er sein Team am Funk und damit vor aller Öffentlichkeit unter Druck setzte.In Mexiko wollte Hamilton einfach einen Stopp weniger machen als Rosberg. Er durfte es nicht. In Abu Dhabi ließ man Hamilton seine alternative Strategie überraschend doch ausprobieren, sie floppte. Wolffs Aussagen aber zeigen, dass die jüngste Entwicklung, und das erneute Aufbranden der Dauerfehde zwischen den Fahrern, beim Team Eindruck hinterlassen hat. Die Frage lautet: Wie lange tut sich Wolff diesen wohlgemerkt schnellsten Kindergarten der Welt noch an? Und die Reaktion setzt nun vor allem Rosberg unter Druck. Um Hamilton 2016 zu schlagen, muss er alle Register ziehen – gerade auch auf mentaler Ebene. Mitte 2014 ist ihm das schon einmal ganz gut gelungen, da war zu sehen: Unter Druck macht Hamilton Fehler, gegen Psychospielchen ist auch er nicht immun. Doch Rosberg ist der Herausforderer, er muss attackieren. Genau diese Attacken und ihre potenziell negativen Auswirkungen auf das Teamklima will Mercedes aber am liebsten unterbinden.
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Kommt ihm sein Widersacher also zu nahe, hat Hamilton einen Trumpf in der Hand: Er kann auf stur schalten, sich zurücklehnen, die Situation womöglich sogar eskalieren lassen – und sich dann auf seine vermeintlich stärkere Position verlassen. Für Rosberg ist das eine Gratwanderung. Schießt er übers Ziel hinaus, drohen Konsequenzen. Zumal mit Pascal Wehrlein bereits ein geeigneter Ersatzspieler in den Startlöchern steht. Gerade versucht Mercedes den DTM-Champion beim Motorenkunden Manor unterzubringen, wo er lernen soll und sich auf seine neue Rolle vorbereiten... die Rolle als nächster Mercedes-Star neben Hamilton? Wehrlein ist klug genug, um zu wissen, dass er sich für diese Chance erst einmal unterordnen muss. Zoff-Potenzial besteht hier also keines. Für die Mercedes-Verantwortlichen ein verlockender Ausblick auf teaminerte Harmonie, die spätestens seitdem es ab 2014 um den Titel ging, bei den Silberfeinden so selten geworden ist.Das Team baut mit der gezielten Förderung Wehrleins bereits auf die Zukunft – wohl wissend, dass diese früher kommen könnte als erwartet. Für Rosberg gilt daher: 2016 ist seine beste, vielleicht aber auch letzte Chance auf den WM-Titel im Mercedes. 2017 stehen in der Formel 1 wieder einmal Regeländerungen an. Ob die Silberpfeil-Dominanz bestehen bleibt, ist genauso ungewiss wie die künftige Fahrerpaarung der Stuttgarter und ob er dann noch im Mercedes-Cockpit sitzt. Wird Wolff das enorm komplexe Managen des internen Zanks bis dahin zu bunt? Trennt man die ewigen Streithähne oder verlängert einfach Rosbergs Arbeitspapier nicht? Dass Hamilton „sein“ Team, wie er Mercedes als kleinen Affront gegen Rosberg nur zu gerne nennt, verlässt, mag man kaum glauben. Außer dem Mythos Ferrari gibt es für ihn in der Formel 1 keine attraktive Adresse mehr und in Maranello schwingt bekanntlich Sebastian Vettel sein Zepter. Fraglich, ob sich Hamilton diese Herausforderung als Neuling bei der Scuderia antun würde.
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Und Rosberg? Dessen Option könnte indes Renault lauten. Die Franzosen sind mit der Lotus-Übernahme gerade werksseitig in die Formel 1 zurückgekehrt, ein starker erster Fahrer fehlt ihnen noch. Zwar dürfte sich um diesen Posten angesichts der aktuellen McLaren-Misere bald Fernando Alonso bewerben, der schon zweimal für das Team aus Enstone fuhr, mit ihm Doppelweltmeister wurde, und nun in der Honda-Falle steckt. Rosbergs Falle beginnt ebenfalls mit dem Buchstaben H... als Renault-Kandidat kommt er aber genauso in Frage. Mit Renault-Power im Heck holte der Wiesbadener 2005 seinen GP2-Titel. In Frankreich wird Rosberg, der in Monaco aufwuchs und deshalb perfektes Französisch spricht, sehr geschätzt. Das unterstrich im Interview mit der BILD am Sonntag gerade auch Frankreichs Rennlegende Alain Prost. Rosbergs Saisonfinish sei „außergewöhnlich“ gewesen, wie er die Titelniederlage weggesteckt habe „eindrucksvoll“, streute Prost Rosberg Rosen. Der Franzose arbeitet seit Jahren als Motorsportberater für Renault. Auf die Frage, ob ein Wechsel weg von Mercedes für Rosberg das Richtige sei, antwortete Prost: „Noch nicht...“ Aber bald vielleicht?
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Frederik Hackbarth