Es konnte ja nicht ausbleiben: Auch das Wohnmobil wird vollelektrisch, und wir von AUTO BILD REISEMOBIL sind die Ersten, die es getestet haben. Es heißt Dalbury E und stammt von der britischen Reisemobil-Manufaktur Hillside Leisure in Derby. So viel vorweg: Es ist eine ganz neue Urlaubserfahrung. Zum Beispiel kann es sein, dass die Leute fragen, wohin denn die Reise ging und man erst mal überlegen muss: Ja, wohin eigentlich? Denn man hat die ganze Zeit nur auf den Reichweitenmonitor geguckt und nicht in die Landschaft. Reisen mit elektrischer Spannung ist definitiv spannend, die knappe Reichweite (maximal 170 km) ein ständiger Thriller. Aber wir sollten jetzt nicht voreilig sein: Wenn es bald eine neue Generation von Batterien und mehr Schnellladestationen gibt, wird elektrisches Reisen nicht nur machbar, sondern auch gut. Gerade im Mobil.

Die Tankstellen der Zukunft: Camping-Plätze

Hillside Leisure Dalbury E
Wo sonst der Auspuff sein Abgas entsorgt, führt sich der Dalbury E die Fahrenergie zu: Vom Camper-E-Anschluss führt auch ein Kabel zur Fahrelektrik.
Denn was macht der Camper abends meist sofort? Er fährt auf einen Camping- oder Stellplatz und stöpselt sich ein. Zudem sind Urlauber keine gestressten Menschen, die eilig irgendwo hin müssen. Sie genießen das elektrische Fahren, denn es ist besonders leise und umweltfreundlich. Und wenn der Akku leer wird, dann geht man eben Mittagessen, macht einen Museumsbesuch oder einen Spaziergang am Fluss. Man muss dann allerdings auch eine Steckdose gefunden haben. Eben auf Campingplätzen! Sind sie die Tankstellen der Zukunft? Schon jetzt steuern sie viele Tesla-Sportwagenfahrer bei Energienot an. Fixer geht es freilich an einer Schnellladestation, die den Akku in einer halben Stunde auf 80 Prozent hochjazzt. Aber davon gibt es noch zu wenige. Das Laden über Nacht auf einem Campingplatz ist hingegen kein Problem, dann hat man morgens wieder 100 Prozent im Akku.

170 Kilometer Reichweite? Sehr optimistisch

Leider ist der elektrische Tank teuer und schwer, daher so klein. Eine gebunkerte Kilowattstunde entspricht etwa einem halben Liter Benzin. Die Lithium-Ionen-Akkus des Dalbury E speichern 24 kWh, vergleichbar einem Zwölf-Liter-Tank. Weitere Eckdaten: 80 kW Leistung (das wären 109 PS, eine Einheit, die wir hier aber wirklich vergessen sollten) und ein saftiges Drehmoment von 254 Nm, gleich vom Start weg. Das ist sehr angenehm. Da schnurre, summe ich also aus dem Städtchen Derby hinaus, der erste Urlauber in einem Elektro-Mobil, und ich bin ganz entspannt. Das Display zeigt 145 Kilometer (die möglichen 170 sind sehr optimistisch) und obwohl es grenzwertig dämmrig ist, beschließe ich, doch noch nicht das Licht einzuschalten. Ich denke dabei an frühere Zeiten, als einem in Frankreich bei völliger Dunkelheit Autos ohne Licht entgegenkamen, man musste halt die Augen aufmachen. Ich hab die Scheinwerfer aber doch bald angeknipst, die Reichweite ging im Display gleich von 135 auf 120 Kilometer runter. Und da draußen acht Grad herrschten, habe ich auch noch die E-Heizung eingeschaltet. Ich bin schließlich im Urlaub, nicht im Survival-Training. Da sackte die Reichweite weiter von 120 auf 100 km. Machte aber nichts, ich hatte nur 30 Kilometer bis zum Campingplatz. Und das ging prima. Der Dalbury ist leise, kultiviert, flott, handlich, übersichtlich und ziemlich klein.
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Die Technik stammt vom Elektro-Kleinwagen Leaf

Hillside Leisure Dalbury E
Der Basis-Nissan NV200 ist etwa so groß wie ein VW-Caddy – ein gutes Format zum elektrischen Fahren.
Im Grunde ist das Hillside E-Mobil ein Nissan NV 200 Evalia. Das Modell, das gerade weltweit als Taxi Karriere macht, etwa in New York in Benzinvariante. Nissan bietet den Wagen aber inzwischen auch als reines E-Mobil an, die Technik stammt vom Elektro-Kleinwagen Leaf, ist also großserienerprobt. Der NV 200 hat etwa die Größe des VW Caddy, und das ist ein gutes Format zum elektrischen Fahren. Denn größter Feind des Batterieantriebs ist das Gewicht, weshalb manche E-Mobile, etwa der BMW i3, mit hohem Carbonanteil gebaut werden. Der Nissan wiegt inklusive Batterien 1517 Kilo. Die Kunst von Hillside besteht also darin, aus einem solch kleinen Basismodell ein sinnvolles Reisemobil zu komponieren.
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Hillside Leisure Dalbury E
Das Bett ist mit 180 x 104 Zentimeter top für einen und toll für zwei Liebende.
Die Operation ist ganz gut gelungen, denn es hat ein Aufstelldach, das in unserer Konfiguration dazu diente, im Inneren auf Stehhöhe zu kommen. Gegen Aufpreis ist aber auch ein Kinderbett oben möglich. Auf der umklappbaren Sitzbank unten schlafen zwei, die sich mögen, fast bequem (180 x 104 Zentimeter). Rechts neben dem Bett steht die schlanke Küchen- und Schrankzeile mit Kühlschrank, Waschbecken und Zweiflammenherd, der per Gas arbeitet. Damit sollte – kleiner Vorschlag von uns – auch die Heizung laufen, denn beim Fahren muss man ja den kostbaren Strom sparen. 36.766 Euro kostet die Elektro-Nissan-Basis bei uns, sofern man die Batterie mitkauft. 30.870 sind es bei geleastem Akku (plus 87 Euro Miete pro Monat) – 8000 Euro mehr als in England, seltsam. Hillside Leisure nimmt für den Umbau zum Reisemobil noch mal rund 15.000 Euro. Damit hat man ein winziges, aber nettes und funktionelles Reisemobil. Ja: auch ein teures. Vor allem aber einen Avantgarde-Camper, bei dem die Entschleunigung serienmäßig eingebaut ist.

Ist so ein Reisemobilchen sinnvoll? Na ja. Es ist ideal für die kleinen Fluchten, etwa am Wochenende. Für große Reisen eignet sich der Dalbury E mit seiner geringen Reichweite nicht wirklich gut. Aber es lohnt sich, das Konzept im Auge zu behalten. Die Batterien werden bald besser und die Ladestationen zahlreicher.