Saint-Tropez – ach, wie das klingt! Nach Jetset, Jachten und lässigen Menschen in Edelknitter-Leinen. Doch im Februar, dem kältesten Monat an der Côte d’Azur, knittert im Süden Frankreichs höchstens die Gesichtshaut. Saint- Tropez ist leer und öde. Nicht gerade ein mondänes, glitzerndes Pflaster, um bei der ersten Ausfahrt den Boulevard-Wert des Mercedes CLA zu testen. Daher haben wir dem kleinen Bruder des CLS die passende Begleitung mitgebracht: Audi A3 Sportback und VW CC sollen dem Neuling den Spiegel vorhalten: Glamour, Stil, Spaß oder Vernunft – wohin geht die Reise?

Überblick: Alle News und Tests zum Mercedes CLA

Play

Video: Mercedes CLA

Das Coupé der A-Klasse

Das Andere, Ungewöhnliche am CLA verlangt ein paar erklärende Worte. Kurz gesagt: Er sieht aus wie ein Mercedes, etwas länger, flacher und modischer als die C-Klasse, hat vier Türen und die Technik der A-Klasse. Also Vorderradantrieb! Früher so undenkbar wie der Rücktritt des Papstes. Heute gilt so etwas als Vorreiter für die nächste große Automode – schicke, teure Coupé-Limousinen im Mittelklasse-Format. Ganz neu ist das nicht, in dieser Nische fährt seit 2009, wenngleich fast unbeachtet, der CC. Der Volkswagen hat mit der letzten Schönheitskur das bürgerliche "Passat" aus seinem Namen gestrichen und folgt dem Schönheitsideal der Coupés noch konsequenter. Er streckt sich mit 4,80 Metern deutlich länger und duckt sich flacher als der Mercedes, das verlangt beim Einsteigen eine noch tiefere Verbeugung. Innen fühlt sich der VW luftiger und weiter an, auch hinten erhalten Knie und Gepäck (mit 532 Litern der größte Kofferraum) deutlich mehr Platz. Beim Ausblick aus den schmalen Fenstern fühlt man sich ein bisschen wie in der Souterrain-Wohnung – die ist dafür edel tapeziert und besonders reichhaltig ausgestattet.

Überblick: Alle News und Tests zum VW CC

VW CC
Die technische Reife des VW CC weiß zu gefallen: Sein TDI läuft angenehm leise und sparsam.
Zweifellos ordentlich, doch der Fahrer ist auf den serienmäßigen Sportsitzen seltsam hoch platziert. Mitten im Armaturenträger klafft das hässliche Schlüsselloch, einen zentralen Bedienknopf für das Infotainmentsystem hat er nicht – der CC wirkt angestaubt. Dafür gefällt rund um Saint-Tropez die technische Reife des VW. Sein TDI läuft angenehm leise und sparsam (Normverbrauch 4,8 Liter), der 70 Liter große Tank macht 1000-Kilometer-Etappen möglich. Reisen ist ohnehin seine Domäne. Ausgewogene Federung, wenig Windgeräusche und eine weich ansprechende Lenkung, die in Kurven ausholendes Kurbeln verlangt. Zum Verwöhn-Charakter passt die umfangreiche Serienausstattung (siehe Tabelle unten). All das kostet 35.800 Euro – ein durchaus selbstbewusster Preis. Wo der VW dezent bleibt, wählt der Mercedes gern die große Geste. Dicker Zentralstern für enormes Überholprestige, modische Sicken in den Flanken. Sein Interieur wirkt frischer, sportlicher als das im CC: Runde Lüftungsdüsen, seit dem SLS in jedem neuen Mercedes zu finden, verlocken zum Anfassen, selbst wenn man sie nicht braucht.
Den Show-Effekt überzieht das Coupé leider hinten, beim engen Fond und der schlechten Rundumsicht – die Rückfahrkamera für 345 Euro dürfte zu den beliebtesten Extras zählen. Umso mehr erfreuen die langstreckentauglichen Vordersitze oder der Automatik-Schalthebel rechts hinterm Lenkrad: Einmal daran gewöhnt, möchte man ihn so wenig missen wie die Ablagen auf der Mittelkonsole. Mercedes spendiert dem CLA eine neu abgestimmte Federung mit elastisch entkoppelter Hinterachse – sie ist also besonders weich gelagert. Großes Kompliment, dieses Komfortfahrwerk hat seinen Namen wirklich verdient. Wie das Coupé Wellen schluckt und die Straße wegdrückt – ja, so muss ein Mercedes federn. Ein echter Gewinn, kein Vergleich zur straffen A-Klasse. Schade, dass der Kompakte dieses großartige Fahrwerk nicht ebenfalls bekommt.

Überblick: Alle News und Tests zum Audi A3 Sportback

Play

Video: Audi A3 Sportback

Der A3 für Praktiker

Bild: AUTO BILD
Im CLA steht der 170 PS starke CDI bis zum Sommer, wenn der kleinere 200 CDI folgt, als einziger Diesel in der Preisliste. Der Motor spielt den kernigen Naturburschen, der 230 km/h Spitze erreicht und das Sparen mit 4,2 Liter pro 100 km Normverbrauch ebenso beherrscht wie der VW. Zusammen mit der direkt ansprechenden Lenkung kitzelt er die sportlichen Seiten des Coupés heraus, während das serienmäßige Doppelkupplungsgetriebe die Hektik beim Gangwechsel bisweilen übertreibt. Wer weiß, vielleicht zeigt Mercedes ähnliche Entwicklungsschritte wie beim Fahrwerk. Für die 37.991 Euro Basispreis (inklusive Abstandswarner, Tempomat und Knie-Airbag) dürfte kaum ein CLA 220 CDI vom Hof fahren. Dafür sorgen allein die fünf Extra-Ausstattungspakete und jede Menge Leckereien.  Aus diesen Preishöhen betrachtet ist der Audi günstig: Ab 28 700 Euro gibt es einen A3 Sportback mit 180 Benziner-PS, Klimaanlage und der S tronic. Ein piekfeines Edel-Auto, wohin man auch schaut und greift – seine Qualität ist jedes Mal eine stille Belohnung für die Sinne. Mit seinem klassischen Kompaktschnitt und der steilen Heckklappe unterwirft er sich nicht der Mode, sondern der Funktion. Große Fenster, gute Sicht, der Fond hat gefühlte Taxi-Qualität – zumindest im Vergleich mit den Coupés.
 
Der Antrieb, ausnahmsweise ein Benziner, arbeitet wie ein Geheimagent, still und effektiv. Der 1,8-Liter-Turbomotor hat Schub, aber keinen Klang. Auch die leichtgängige Lenkung dürfte gern mehr Rückmeldung bieten. Man wünscht dem Sportback ein bisschen mehr Biss, aber den wird Audi bald nachreichen. In Genf steht ein 300 PS starker S3 Sportback. Und einen Monat später in New York der A3 als Stufenheck und direkter Konkurrent des CLA. Denn trotz aller Perfektion kann der Audi im Vergleich eines nicht bieten: den Glamour, das gewisse Etwas, den selbstbewussten Auftritt eines CLA, der seinen Pelz nach außen trägt. So sieht pure Un-Vernunft aus. Ist das nicht schön?
Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen sowie der Wertung gibt es als Download im Online-Heftarchiv.

Fazit

von

Joachim Staat
Wenn Glamour darin besteht, dass Köpfe beim Anblick herumfahren, dürfte der CLA mit seinem extrovertierten Design kaum zu schlagen sein. Das Coupé steht als modischer Viertürer noch einzigartig da, profitiert im Stil zudem vom Image des großen Bruders CLS und dem Stern. In dieser Kategorie zieht der Audi gleich, setzt aber mehr auf den Stil des zeitlosen Edel-Kompaktwagens. In seinem Benziner schlummern größere Spaß- und Sportreserven als im Diesel, hier punktet der Mercedes mit seiner Lenkung. Der CC hält mit dem größeren Platzangebot halbwegs Anschluss an den supervernünftigen A3 Sportback, der Raum wie Ressourcen optimal nutzt. Im CLA wohnt die Un-Vernunft – er ist am meisten Coupé.

Von

Joachim Staat