Alumotoren sterben den Eis-Tod

Für den führenden deutschen Autohersteller begann das neue Jahr mit einem heftigen Temperatursturz. Während sich der VW-Vorstand auf der Detroit Auto Show im Glanze von Touareg V8 und Beetle Cabrio sonnte, sank die Stimmung in der fernen Heimat weit unter den Gefrierpunkt. Tausende VW-Besitzer verfluchten ihr Fahrzeug. Bei Temperaturen von unter zehn Grad minus starben die 1,0- und 1,4- Liter-Alumotoren reihenweise den Eis-Tod.

Ein Problem, das in Wolfsburg lange bekannt ist. Nachdem AUTO BILD in Ausgabe 1/2003 exklusiv über die Opfer der ersten Frostwelle von Anfang Dezember 2002 berichtet hatte, glühten in der Redaktion die Leitungen. Per Telefon, Fax und E-Mail meldeten Hunderte von VW-, Seat- und Skoda-Fahrern das plötzliche Ableben ihres Lieblings. Und wie ihnen der große Konzern die kalte Schulter zeigte.

Aktueller Stand am 22. Januar 2002: Eindeutige Frostschäden an Alumotoren, die maximal fünf Jahre alt und 150.000 Kilometer gefahren sind, werden kostenlos auf Kulanz repariert. Alle Halter betroffener Fahrzeuge (etwa 78.000 Lupo und 40.000 Arosa) sollen angeschrieben werden, um eine verbesserte Entlüftung kostenlos nachrüsten zu lassen.

Drei Beispiele, ein Problem

• Weil der Motor vereist war, spuckte der Golf Variant von Barbara Jadamus aus Jarplund-Weding (Schleswig-Holstein) rund zwei Liter Öl auf den Hof. Der VW-Service konnte nicht mehr tun als Öl nachfüllen. Wann der Nachrüst-Kit mit dem beheizbaren Kurbelgehäuse-Entlüftungsschlauch lieferbar ist, weiß niemand.

Ebenso wenig, ob die Maschine Schaden genommen hat, als sich der Öl-Überdruck durch die Öffnung des Ölpeilstabes entlud. Bis es wieder wärmer wird, fährt Frau Jadamus mit dem Motorroller zur Arbeit und schickt die Kinder per Bus in die Schule. "Das darf doch nicht wahr sein bei einem zwei Jahre alten Auto", sagt sie. "Schließlich haben wir den VW wegen seiner Zuverlässigkeit gekauft."

• Der Lupo von Marlis Genge aus Berlin steht seit 11. Dezember mit Motorschaden in der Werkstatt. Und ist noch immer nicht repariert. Statt die völlig verunsicherte Frau über den Produktfehler und eine mögliche Kulanz zu unterrichten, teilte der VW-Fachbetrieb Britsch (Werbemotto: "einfach spitze") ihr lapidar mit, sie müsse mit Kosten von 4000 Euro rechnen. Doch so weit kam es gar nicht. Seit Dezember 2002 wird Marlis Genge mit immer neuen Ausreden vertröstet: Mal ist das Teil nicht lieferbar, mal ist das falsche angekommen, mal ist es schon ab Lager defekt.

Obwohl die Lupo-Fahrerin eine Wartung nach Plan vorweisen kann und laut Mobilitätsgarantie Anspruch auf einen Ersatzwagen hat, bekam sie zur Antwort, dass man für sie "kein Fahrzeug zur Verfügung" habe. Zwei Mal schrieb Marlis Genge ans Werk. Auf eine Antwort wartet sie bis heute. "Man hat mich für dumm verkauft und ist nicht mal in der Lage, mein Auto wieder fahrtüchtig zu machen", sagt die Berlinerin. "Es ist beschämend, jemanden so zu behandeln. Mein Vertrauen in VW ist völlig zerstört."

• Den Skoda Octavia von Hartmut Lodd aus Leisnig (Sachsen) erwischte es am 11. Dezember 2002: Motorschaden bei minus 14 Grad. Den Kulanzantrag lehnte Skoda Deutschland mit der Begründung ab, Lodd habe "sein Fahrzeug ohne Öl geführt". Dabei war der Wagen erst am 29. November zur Inspektion. Dass Eisgang in der Ölwanne höchstwahrscheinlich den Ölmangel ausgelöst hatte, wurde ignoriert. Während die VW-Kundenhotline ächzt, herrscht in den Werkstätten Ausnahmezustand.

Mechaniker berichten von zermürbenden Kundengesprächen sowie einem heillosen Durcheinander bei der Online-Teilebestellung: Was VW gestern als Nachrüstlösung präsentiert, ist tags darauf schon überholt. Oft fehlen auch Teilenummern, sodass die Werkstätten nichts bestellen können. Folge: Viele Autos wurden gar nicht repariert oder – ohne Nachrüst-Kit – auf einen überholten Stand gebracht. Man arbeite mit Hochdruck an einer "umfassenden Lösung des Problems", heißt es in Wolfsburg. Bis dahin fährt Väterchen Frost mit.

Viele Fragen, wenig Antworten

Viele Fragen stellte AUTO BILD den Verantwortlichen in Wolfsburg ... • Zu Tausenden frieren bei Lupo, Polo und Golf sowie bei anderen Konzernmodellen die Alumotoren ein. Was ist los bei Volkswagen? • Welche konstruktiven Änderungen sind in die Serie eingeflossen (und wann?), welche Nachbesserungen werden bei reparierten Motoren vorgenommen? • Wie viele Fahrzeuge – auch bei den Konzerntöchtern Skoda und Seat – sind vom Frostproblem betroffen (bundesweit/insgesamt)? • Einige Werkstätten leugnen die Problematik ganz oder verschweigen die Möglichkeit eines Kulanzantrags, falls der Kunde nicht nachfragt. Eine gezielte Desinformation von VW, um Kosten zu sparen? • Manche VW-Kunden warten seit Wochen auf die Reparatur, weil die zur Umrüstung notwendigen Teile nicht lieferbar sind. Warum haben Sie nicht vorgesorgt? • Einige VW-Betriebe geben den Rat, bei Frost möglichst keine Kurzstrecken zu fahren. Ist dies Stand der Technik bei Volkswagen? • Wie sieht die aktuelle Kulanzregelung aus? Gibt es eine Abstimmung mit den Konzerntöchtern Skoda und Seat? • Warum starten Sie keinen Rückruf für alle betroffenen Autos? • Was raten Sie Kunden, die Frostschäden vorbeugen wollen?

... wenig Antworten kamen von der Volkswagen AG zurück

Ihre Berichterstattung war für uns Anlass, unsere Handelsorganisation erneut zu informieren. Es soll sichergestellt sein, dass dem Kunden jederzeit schnell und unkompliziert geholfen wird. Im Rahmen der technischen Weiterentwicklung haben wir je nach Motorvariante eine oder die Kombination beider folgender Änderungen in der Serie eingesetzt: 1. Die Kurbelgehäusebelüftung sorgt neben der Kurbelgehäuseentlüftung für einen zusätzlichen Luftdurchsatz, der die Entfeuchtung des Öls verbessert. 2. Die Heizung für den Schlauch der Kurbelgehäuseentlüftung dient dazu, eine Vereisung des Entlüftungsschlauches zu vermeiden. Im Zeitraum 11/99 bis 05/02 wurden diese Änderungen in der Serienproduktion umgesetzt. Ab der Fertigung Mai 02 (Modelljahr 03) ist das Frostproblem nicht mehr zu erwarten. Die Entwicklung einer effektiven Nachrüstlösung für die betroffenen Motortypen ist vor kurzem technisch fertig gestellt worden. Sobald eine ausreichende Verfügbarkeit der Teile sichergestellt ist, können die Autos im Rahmen einer Feldmaßnahme umgerüstet werden.