Mit dem komplett neuen NP300 Navara will Nissan ganz nach vorn bei den Pick-ups. Wir haben den japanischen Allradler unter die Lupe genommen.
Nissan verweist bei der Vorstellung des neuen NP300Navara stolz auf eine 80-jährige Pick-up-Erfahrung. Das lassen wir mal so stehen – auch wenn die ab 1935 gebaute Lastenversion des Vorkriegs-Kleinwagens Datsun 14 nicht unbedingt viel mit den heutigen Pick-ups zu tun hat. Die gehen eher auf den Datsun 720 (1980-1986) zurück, der erstmals auch mit verlängertem Führerhaus (King Cab) lieferbar war; der KingCab der zweiten Generation (D21) war der erste Pick-up, der nach Deutschland importiert wurde.
Das Navara-Cockpit hat Nissan gründlich modernisiert
Aufgerüstet: Im neuen Navara hält mehr Elektronik Einzug – unter anderem ein schlüsselloser Zugang.
Heute ist das Pick-up-Angebot hierzulande reicher als je zuvor. Und es drängen immer noch mehr neue Marken in den Markt. Grund genug für Nissan, sich bei der Entwicklung des neuen NP300 anzustrengen. Vom Vorgänger wurde praktisch nichts übernommen: neuer Rahmen, neues Fahrwerk, neue Lenkung, neues Getriebe, neuer Motor. Und natürlich viel neue Elektronik. Etwa ein neues Navi und neue Fahrhilfen; oder auch, erstmals in einem Pick-up dieser Klasse, der schlüssellose Zugang mit Start-Stopp-Taste. Bei der Festlegung der Spezifikationen hat Nissan sich offensichtlich die Konkurrenz genau angesehen – und sich das Ziel gesetzt, jeweils mindestens so gut wie der bislang beste Wettbewerber zu sein. Das war in den meisten Disziplinen der Ford Ranger – den Nissan auch deshalb besonders im Visier hatte, weil er der erfolgreichste Pick-up in Deutschland ist.
Zuladung und Anhängelast machen den Neuen zum Arbeitstier
Lastwagen: Der neue Navara kann über eine Tonne Nutzlast tragen und 3,5 Tonnen ziehen.
Und tatsächlich liegt der neue Nissan mit vollen 3,5 Tonnen Anhängelast und mehr als einer Tonne Nutzlast für alle Modellversionen an der Spitze des Feldes. Dort liegt der Navara auch mit der Garantie (fünf Jahre oder 160.000 km) und beim Verbrauch – jedenfalls beim Normverbrauch beziehungsweise Norm-CO2-Ausstoß. Der neue Motor ist keine Neukonstruktion; prinzipiell ist die Maschine eine bewährtes Transportertriebwerk. Zwei Versionen sind zu haben – 160 oder 190 PS, Letztere mit Biturbo-Aufladung. Beide reagieren ausreichend spontan auf Gaspedalbewegungen und ziehen schon knapp über Leerlaufdrehzahl willig durch. Bei ruhiger Fahrt grummelt speziell der 190-PS-Biturbo recht kultiviert vor sich hin; er ist subjektiv kaum lauter als der gefragte, aber nicht mehr angebotene Sechszylinder des Vorgängers. Deutlicher wird die Aussprache dann bei höheren Drehzahlen. Und die ergeben sich leider beim Automatik-Modell unnötig oft, wenn man in den Bergen unterwegs ist, weil der Siebenstufenautomat dann arg eifrig zurückschaltet. Den größten Fortschritt stellt das neue Fahrwerk – genauer: die neue Hinterachse – des Doppelkabiners dar. Von Nissan etwas irreführend als Multi-Link-Aufhängung bezeichnet, erinnert die Fünflenker-Schraubenfeder-Starrachse konstruktiv an den früheren Terrano II oder den früheren Patrol GR. Und ähnlich fährt sich der NP300 DoubleCab auch: Weg ist die beim weiterhin blattgefederten KingCab auf unebener Fahrbahn spürbare Disharmonie zwischen williger Vorder- und bockiger Hinterachse.
Mit der neuen Hinterachse verbessert sich das Fahrverhalten
Neue Hinterachse: Der DoubleCab federt nicht wirklich samtig, aber durchaus willig und harmonisch.
Der neue DoubleCab federt zwar auch leer nicht wirklich samtig, aber durchaus willig und erstaunlich harmonisch; und das, obwohl auch die Schraubenfedervariante über eine Tonne Last (einschließlich Fahrer) an Bord nehmen darf. Die Lenkung erinnert ebenfalls an den früheren Patrol GR: leichtgängig, aber mit gut 3,5 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag recht indirekt. Schade, dass auch der neue Nissan-Pick-up weiterhin mit einem simplen Zuschalt-Allrad auskommen muss; dabei hätte Nissan das Lamellenkupplungs-Verteilergetriebe (vom auslaufenden Pathfinder) ja im Regal gehabt. So muss man den vergrößerten Wendekreis durch den starren Durchtrieb in Kauf nehmen, wenn auf rutschigem oder losem Untergrund der Hinterradantrieb allein nicht genügt. In diesem Punkt reicht der neue Navara nicht an die Konkurrenz von VW und Mitsubishi heran.
Fazit
von
Thomas Rönnberg
Beim KingCab ist der Fortschritt überschaubar, den DoKa macht das neue Fahrwerk zwei Klassen souveräner. Die neuen Motoren sind angenehm; beim Nutzwert liegen beide Versionen an der Spitze der Klasse.