Qualcomm Snapdragon Digital Chassis: Interview mit Enrico Salvatori
Qualcomm bringt die generative KI ins Auto

—
Qualcomm wird ein immer wichtigerer Player in der Automobilindustrie. Warum das so ist und auf welche Innovationen wir uns freuen dürfen, hat AUTO BILD in einem Interview erfahren.
Bild: Mercedes-Benz AG
Viele verbinden Qualcomm mit Smartphones und Mobilfunk. Doch aktuell betätigt sich das Unternehmen auch stark im Autobau. Egal ob Mercedes, BMW oder Jaguar Land Rover – sie alle setzen auf die Technologie des Halbleiter-Herstellers. AUTO BILD hat mit Enrico Salvatori, Senior Vice President & President Europe/MEA bei Qualcomm, gesprochen.

Enrico Salvatori ist Senior Vice President & President Europe/MEA bei Qualcomm.
Bild: Qualcomm
AUTO BILD: Aktuell findet ein Wandel in der Autoindustrie statt. Die Hersteller konstruieren ihre Autos verstärkt um die Software herum und nicht mehr umgekehrt. Was bedeutet das für Qualcomm?
Enrico Salvatori: Für uns sind das gute Nachrichten (schmunzelt). Die Elektrifizierung und Digitalisierung stellen neue Herausforderungen an die Autohersteller. Entsprechend werden neue, innovative Lösungen in Sachen Hardware und Software benötigt. Bei Qualcomm heißt diese Lösung "Snapdragon Digital Chassis", also das "digitale Fahrwerk". Das bedeutet, dass die Hersteller im Idealfall die gleiche Hardware für verschiedene Modelle nutzen. Lediglich die Software, die aufgespielt wird, macht dann den Unterschied und entscheidet, welche Funktionen in welchem Auto verfügbar sind. Das bezeichnen wir als sogenanntes "software defined vehicle", kurz: SDV.
Prinzipiell hat also jedes Auto das gleiche Radio, die gleichen Bildschirme, die gleichen Assistenzsysteme. Aber es ist abhängig von der Software, ob und wie diese genutzt werden können. In einem höheren Ausstattungslevel würde man also mehr Funktionen freischalten als in einem niedrigeren. Das ermöglicht aber auch, dass die Fahrzeugfunktionen zu einem späteren Zeitpunkt per Over-the-air-Update freigeschaltet werden können. Qualcomm entwickelt die Plattform und bietet damit die Basis für moderne SDVs.
Wie dürfen sich unsere Leserinnen und Leser die Zusammenarbeit zwischen Qualcomm und den Herstellern vorstellen?
Wir entwickeln die grundlegende Hardware und Software, also die Basis für beispielsweise die Infotainmentsysteme der Hersteller. Auf diese Basis "bauen" die Hersteller ihre eigene Software obendrauf. So bekommt jedes System je nach Marke oder Modell einen ganz eigenen Anstrich, obwohl die Basis die gleiche ist. Unsere Aufgabe ist es, unsere Hard- und Software so offen und skalierbar zu gestalten, dass es für die Hersteller möglichst einfach ist, damit zu arbeiten.
Wir bieten unsere Plattform in vier Kernbereichen an: Connectivity, also alles, was mit Datenaustausch und Smartphone-Anbindung zu tun hat. Infotainment, wie die klassischen Radiofunktionen oder die Bildschirme. Autonomes Fahren, die Funktion von verschiedenen Assistenzsystemen wie einem Spurhalteassistent. Und Car-to-Cloud, darunter fallen zum Beispiel Over-the-air-Updates. Die Hersteller können nur in einem oder in mehreren Bereichen unsere Plattform nutzen. Wir schaffen also die Voraussetzungen, um ein modernes Infotainmentsystem wie beispielsweise in der neuen Mercedes E-Klasse zu etablieren.
Qualcomm Concept Car zeigt die Funktionen von morgen
Auf der Messe durften wir uns Ihr neues Concept Car anschauen, in dem man bereits die Weiterentwicklung der aktuellen Plattformen ausprobieren und erleben kann. Erzählen Sie doch noch mal, was so besonders daran ist.
Das Konzeptauto ist für uns sehr wichtig, da es unsere Arbeit wirklich sichtbar macht. So können unsere Kundinnen und Kunden erfahren und ausprobieren, was wir ihnen bieten können. Wir zeigen hier die allerneuesten Funktionen aus allen Bereichen.

So sieht das innovative Cockpit im Qualcomm Concept Car aus.
Bild: AUTO BILD
Die wichtigste Neuerung ist die sogenannte generative Künstliche Intelligenz. Dazu ist das ganze Fahrzeug mit Kameras und Sensoren ausgestattet. Angenommen man fährt an einem Bauwerk vorbei, zeigt mit dem Finger darauf und fragt die KI, was das ist. Dann erkennt die Kamera, wohin der Finger zeigt und kann anhand des Standorts die Frage beantworten.
Wann wird so eine generative KI im Auto in Serie gehen?
Aktuell handelt es sich noch um einen Prototyp, aber dass er in Serie geht, ist nur eine Frage der Zeit. Wie schnell das geht, ist aber auch von der Nachfrage der Hersteller abhängig. Außerdem kommt es auch darauf an, welche Version unserer Hard- und Software im Einsatz ist. Ein Hersteller, der in seinen Autos die aktuellste Version unserer Plattform verbaut hat, wird solch eine neue Funktion über Updates schneller adaptieren können, als wenn das Digital Chassis noch angepasst werden muss.
Noch eine Frage zum Abschluss: Welche Rolle spielt die Automobilbranche für Qualcomm?
Die Branche ist für uns sehr wichtig. Zugegeben, wir sind vor allem im Bereich der Smartphones erfolgreich und aktiv. Doch die Entwicklungen in diesem Bereich werden auch für die Autobranche immer wichtiger. Allerdings sind Autos mit ihren vielen verschiedenen Steuergeräten und Einheiten sehr viel komplexer als ein Smartphone. Die Anforderungen sind hoch, entsprechend ist die Automobilbranche für uns auch eine Herausforderung. Aber die Mühe zahlt sich aus. Die Plattform wird gut angenommen, sodass wir mittlerweile eine Pipeline an Programmen haben, die ungefähr einen Wert von 30 Milliarden Dollar hat. Die Automobilbranche ist für Qualcomm also ein wichtiger Sektor.
Service-Links