Vor dem Edelheiß steht ein Mann in knielangen Strickstrümpfen und kurzen, viel zu engen Ledershorts. Sein Blick sticht, er trifft die vor der Schwulenbar flanierenden Männer an ihren empfindlichsten Stellen. In der Ferne des Münchener Glockenbachviertels erhebt sich das Röhren eines Porsche-Motors, es wird lauter, der Wagen rollt heran. Für einen Moment ist der Lederhosenliebhaber nicht bei der Sache, er vergisst die Männer um sich herum und lugt neugierig rüber zu Wolfgang Feichtinger, dem Fahrer des Cayman S. "Man wird sehr gut wahrgenommen. Ein Auto zum Sehen und Gesehenwerden", sagt der 44-Jährige. Feichtinger ist Mitglied bei den Motorboys, einem Autoclub nur für Schwule.

Das ideale Schwulenauto wäre ein zweisitziger Kombi

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Im Johmann's ist immer ein Plätzchen für Schwule frei – und ein halbes Parkplätzchen für das Peugeot 407 Coupé.
Der Inhaber einer Autovermietung parkt den pechschwarzen Sportwagen vor der Lederwerkstatt Antonetty. Angeblich gibt es hier die besten Handtaschen Münchens. Doch auf Leder hat Feichtinger heute keine Lust. Er und vier andere Motorboys sollen für AUTO BILD testen. Denn viele Hersteller umgarnen mittlerweile Schwule und Lesben. "Sie sind oft wohlhabend und haben mehr finanzielle Freiheiten als zum Beispiel Familien", sagt Christian Kallmeyer, auf Homosexuelle spezialisierter Verkäufer beim Berliner BMW- und Mini-Händler Riller & Schnauck (siehe Interview unten). Ein Leipziger Geschäftsmann bot sogar einmal Sondermodelle für homophile Kunden an. Statt des VW-Emblems zierte ein Aufkleber in den Farben des Regenbogens das Heck.

Porsche hatte keine Lust auf einen schwulen Autotest

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Der große C6 bietet viel Platz – ideal für Ausflüge und Picknicks mit Freunden.
Der bunte Sticker gilt in der Szene als Erkennungszeichen. Die angehende Designerin Jennifer Heier untersuchte während des Studiums die Gewohnheiten schwuler Autokäufer. "Auch wenn es keine so großen Unterschiede zu Heteros gibt – ideal wäre ein zweisitziger Kombi", sagt die Darmstädterin. Doch dieses Auto ist zurzeit nicht lieferbar. Also bat AUTO BILD die Motorboys um eine Liste ihrer liebsten Neuwagen. Und die kam prompt – mit diesen Autos: Citroën C6, Peugeot 407 Coupé, Porsche Cayman S, BMW 320i Cabrio und Luigi, der Fiat 500 von AUTO BILD. Doch bevor die Jungs die Lenkräder übernahmen, testete AUTO BILD die Toleranz der Hersteller. Fast alle stellten augenzwinkernd Testwagen – nur Porsche hatte keinen Bock auf einen schwulen Autotest. Und das, obwohl der Cayman allein schon wegen seines Namens bei Homosexuellen sehr beliebt ist.
In den Szenevierteln deutscher Großstädte heißt der Sportwagen deshalb Porsche Gayman, auf Deutsch: schwuler Mann. Porsche müsste sich nicht verstecken, das Einsteigermodell macht Schwule wie Wolfgang Feichtinger schwach. "Das Heck kommt gut rum", sagt der Mercedes-Fahrer nach ein paar flotten kurvigen Kilometern auf Straßen und Teststrecke. Und auch sonst scheint sich die Entwicklungsabteilung still und heimlich Gedanken über die Bedürfnisse schwuler Kunden gemacht zu haben. Direkt hinter den harten Schalensitzen befinden sich Fächer, in denen sich Kondompackungen ebenso dezent wie griffbereit deponieren lassen – übrigens auch für Heteros sehr praktisch. Zu umständlich findet der Motorboy das Navigationsgerät. Bis es Deutsch mit ihm spricht, müssen er und ein Clubkamerad lange herumfummeln.
Zwar wird Aschwin Beukert wohl nie Nachwuchs haben, doch statt einer Familie geht er gern mit Freunden auf Spritztour. Besonders angetan ist der Blumenhändler daher von den bequemen Liegesitzen im Fond und der Form des bei Schwulen traditionell beliebten Oberklasse-Citroën C6. "Eine Luxuslimousine, die nicht protzig rüberkommt", sagt er. Der gebürtige Holländer steuert seinen Franzosen zum Pickinick vor eine alte Scheune. Dank Hydropneumatik lässt sich eine unebene Wiese spielend befahren. Sein Wunsch: "Citroën soll den als viertüriges Cabrio bauen."

Bloß kein Mainstream: Schwule wollen das Besondere

Groß und lang – so liebt es auch Thomas Rosenthal. Der Rettungssanitäter mag Zweitürer mit viel Platz, sein Favorit ist das Peugeot 407 Coupé. "Bloß keine Familienvans", sagt er und streichelt die schräg nach vorn abfallende Motorhaube. "Einfach nur schön, außerdem passt mein Golfbag problemlos hinten rein. Alles in allem ein Auto mit Charme."
Ganz anders als das BMW 320i Cabrio. Der 170 PS-starke Vierzylinder fällt bei allen Motorboys durch. Tester Hannes Michel: "Blech gewordene Langeweile, der Motor hört sich nach nichts an. Mein erster BMW, der keine Freude am Fahren vermittelt." Der 320i sei "zu sehr Mainstream. Schwule aber suchen oft was Besonderes", sagt er. Der Kfz-Mechaniker weiß, wovon er spricht. Seit seinem 18. Lebensjahr hat der 34-Jährige mehr als 200 Autos besessen. Weil Hannes als Jugendlicher im Garten seiner Eltern mit alten Autos herumkurvte, gründeten genervte Nachbarn eine Bürgerinitiative. Mit dem leisen und mehrheitsfähigen BMW wäre es sicher nicht so weit gekommen.

Mit Luigi kriegt man jeden Mann rum

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Ein Auto zum Anfassen: Die knuffige Form des Fiat 500 hat es den Jungs angetan. Für fünf ist es innen aber zu eng.
Viel Lärm macht dagegen Luigi, der Fiat 500 von AUTO BILD. Besonders auf der Autobahn muss Tester Sebastian Bertz das Radio bis zum Anschlag aufdrehen. Sehr praktisch findet der Paketzusteller den Anschluss für seinen iPod. Von der oft gepriesenen Stadttauglichkeit des Kleinwagens merkt er allerdings wenig: "Der ist viel zu unübersichtlich, beim Einparken stört die viel zu dicke C-Säule." Nach ein paar Testrunden im Münchener Feierabendverkehr hat der frühere Lastwagenfahrer seine Kaufabsichten deshalb schnell vergessen. Und was ist mit dem Flirtfaktor? Sebastians Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: "Damit kriegt man jeden Mann rum." Auch seine Kumpels mögen Luigi. Am Ende des Tests diskutieren sie bei Kaffee und Spezi, welches Auto der wärmste Wagen werden soll. Dann hat jeder zwei Stimmen. Und siehe da: Vor allem wegen seiner knuffigen Form, des geschmackvollen Interieurs und des guten Handlings steht der Fiat in der Wertung der Motorboys mit vier Stimmen am Ende auf Platz eins. Dahinter folgen Citroën, Peugeot, Porsche und BMW. Überraschend: Vor allem der Cayman liegt in der Gunst hinten. Wegen Porsches Haltung zu diesem kleinen Test ...?

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Claudius Maintz

Damit eins  klar ist: Blech kann nicht homo sein, es gibt keine schwulen Autos! Aber: Unter Schwulen finden sich die kreativsten Schneider, Köche oder Frisöre. Sie legen Wert auf Stil und Leben abseits des Mainstreams (leider oft unfreiwillig). Dort entsteht eine Avantgarde, die früher oder später auch Heteros begeistert. Und damit Trends für alle setzt!

Das sind die Motorboys

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27 Männer gründeten 2002 in München den Motorboys e.V. Heute gehören dem Club für schwule Autofans 250 Mitglieder an.
27 Männer gründeten 2002 in München den Motorboys e.V. Heute gehören dem Club für schwule Autofans 250 Mitglieder an. Heteros sind nicht zugelassen, auf Ausfahrten aber herzlich willkommen. Der Verein ist offen für alle Marken und Baujahre, der Besitz eines Autos ist aber nicht vorgeschrieben. Motorboys wollen sich nicht ab- oder gar ausgrenzen, sondern vorurteils- und vorbehaltlos auch über Privates reden können. Sektionen des Clubs gibt es in den Regionen Bayern, Berlin/Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen/Thüringen sowie in Schwaben und Württemberg. Homepage: www.motorboys.org
Kurzinterview mit Christian Kallmeyer, Ansprechpartner für schwule Kunden beim Berliner BMW- und Mini-Händler Riller & Schnauck.

"Ich frage nicht nach der Gattin"

AUTO BILD: Autos an Schwule verkaufen – kann das nicht jeder Verkäufer? Nein. Viele schwule Kunden erwarten, dass man weiß, wie sie ticken. Der Zusammenhalt in der Community ist groß, Schwule kaufen gern unter Gleichgesinnten. Wenn es um Finanzierungs- Bürgschaften geht, erspare ich homosexuellen Kunden die peinliche Frage nach der Ehefrau. Wir können offener reden.
Worauf achten Schwule beim Autokauf? Sie wollen ein Modell, das sich von der Masse abhebt und auffällt, zum Beispiel Zweitürer und Coupés. Viele legen Wert auf Individualität. Deshalb ist unter anderem der Mini sehr beliebt. Hier hat der Kunde viele Ausstattungsmöglichkeiten. Einige meiner Kunden haben sich sogar schon die Regenbogenfahne auf das Dach lackieren lassen.
Wieso sind schwule Käufer so wichtig? Homosexuelle arbeiten gern in Medien- oder gestalterischen Berufen. Oft sind sie wohlhabend und haben mehr finanzielle Freiheiten als zum Beispiel Familien mit vielen Kindern. Riller & Schnauck ist Vorreiter im Gay-Marketing. Meine Firma schaltet sehr erfolgreich Anzeigen in Schwulenmagazinen oder sponsert Straßenfeste. Mittlerweile machen das aber auch viele Mitbewerber.

Von

Claudius Maintz