Seiner Zeit voraus
Erstmals zeigt Seat mit dem 20V20 ein SUV. Seine Premiere feierte es auf dem Genfer Autosalon.
Er ist groß wie ein Eishockey-Puck, funkelt als wäre er aus Silber und ist im Augenblick Alejandro Mesonero größter Schatz. Denn was der Seat-Designchef da in Händen hält, ist buchstäblich der Schlüssel zur Zukunft seiner Marke: Schließlich sind auf dem integrierten Chip nicht nur alle persönlichen Einstellungen, Kontakte, Internetprofile und Lieblingslieder des Spaniers gespeichert, sondern auch die Zugangsdaten für die Designstudie 20V20. Und kaum hat man den Handschmeichler, den Mesonero liebevoll "The Core", den Kern des Ganzen nennt, auf seinen Platz im Mitteltunnel der SUV-Studie gelegt, springt der Motor an. Kein Wunder, dass der Designer die Silberscheibe hütet wie seinen Augapfel.
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Doch ausnahmsweise gibt er sie heute mal aus der Hand. Denn während das Showcar zwischen der Premiere auf dem Genfer Salon und dem Gastspiel auf der Motorshow in Peking einen kurzen Heimatbesuch macht, lässt Seat eine Handvoll Journalisten ans Steuer. Erst wenn man den in Ultra-Orange lackierten Geländewagen mal in der Sonne funkeln sieht, wenn sich das Licht in den stark gewölbten Flächen spiegelt, sich die Strahlen an den messerscharfen Kanten brechen und, wie es Mesonero sagt, das Design in Dialog mit dem Betrachter tritt, erst dann erkennt man so richtig, wie schnittig und sportlich das Auto gezeichnet ist.

Der 20V20 gilt als Designvorlage für den kommenden Leon

Seiner Zeit voraus
Das TFT-Display hinterm Lenkrad haben die Konzernmodelle seit dem Audi TT, ein zweites steht über der hohen Mittelkonsole.
Und man muss schon mal hinter dem Steuer sitzen, um darin das künftige Flaggschiff von Seat zu sehen. Praktisch, aber nicht piefig. Geräumig und trotzdem eng geschnitten wie ein taillierter Anzug, liebevoll, aber nicht luxuriös und vor allem emotional. Dafür will Seat künftig stehen, und nicht für den altbackenen Toledo von einst oder den vom ausgemusterten Audi A4 abgeleiteten Exeo. Zwar sagt der Designchef, dass es an diesem Auto kaum eine Linie und kaum ein Detail gäbe, das uns nicht schon sehr bald in Serie begegnen werde. Schließlich gilt der 20V20 nicht zuletzt als Designvorlage für die nächste Generation des Leon.Doch bis auch das ganze Auto auf der Straße steht, wird es wohl noch etwas dauern. Denn auch wenn Mesonero noch immer mit glühenden Augen von der letzten Sitzung mit dem Top-Management in Wolfsburg erzählt und die Zukunft der Studie sehr, sehr optimistisch sieht, kommen jetzt erst einmal zwei andere Geländewagen. Schon Anfang nächstes Jahres will Seat mit einem SUV in der Golf-Klasse den neuen VW Tiguan flankieren und ein, zwei Jahre später könnte ein kleines Cross-Over gegen Autos wie den Renault Captur oder den neuen Mazda CX-3 antreten. Der 20V20 dagegen trägt seinen Zeithorizont schon im Namen und wird wohl erst 2020 auf die Straße fahren.

Bis zu 300 PS und Plug-in-Hybriden sind möglich

Seiner Zeit voraus
Die Designsprache erinnert an das Erfolgsmodell Leon und gibt einen Ausblick auf die kommende Generation.
Aber das Warten dürfte sich lohnen. Denn der 20V20 sieht nicht nur heißer aus als die Lamborghini-Studie Urus, die bislang als schärfste SUV-Studie im Konzern gelten durfte. Trotz seiner 4,66 Meter Länge und seines stattlichen Auftritts fühlt sich das Auto auch entsprechend sportlich an: Man sitzt über den Dingen und fühlt sich trotzdem nicht abgehoben, sondern mittendrin im Geschehen. Und während man auf dem Sozius oder im Fond überraschend viel Platz hat, wird man hinter dem Lenkrad förmlich vereinnahmt von dem stark zum Fahrer hin orientierten Cockpit. Kein Wunder. In der Theorie liegt die Betonung bei diesem Sport Utility Vehicle auch auf der ersten Silbe. Nicht umsonst lässt der Modulare Querbaukasten als Basis des kommenden Serienmodells Vierzylinder-Diesel bis 240, Benziner bis 300 PS und natürlich sogar Plug-in-Hybriden zu. Und selbstredend hat der 20V20 dann auch Allradantrieb.

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In der Praxis allerdings ist es mit dem Elan des millionenschweren Einzelstücks noch nicht sonderlich weit her: Zwar steckt unter der fragilen Karosserie aus Karbon und GfK ein 2,0-Liter-Turbo mit immerhin 265 PS, aber mit Rücksicht auf die handgefrästen 20-Zoll-Felgen, die zahnlosen Bremsen, die eher unbestimmte Lenkung und vor allem auf den eng getakteten Einsatzplan der Studie verbietet sich eine derart verschärfte Gangart von selbst. 60, 70 km/h gehen gerade noch. Aber spätestens wenn die Doppelkupplung in den dritten Gang wechselt und auf dem digitalen Tacho ein dreistelliger Wert aufflimmert, werden die Mechaniker ziemlich nervös. Schließlich haben sie nicht sechs Monate fast rund um die Uhr an der Studie gearbeitet, kaum mehr geschlafen und sogar Weihnachten und Neujahr geopfert, dass jetzt jemand ihr Schmuckstück ins Abseits fährt. Nach drei, vier Runden auf einer abgesperrten Strecke machen sie dem Zauber deshalb ein Ende.

Per Hovertrax zum Ziel

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Wenn es mit dem Auto nicht mehr weitergeht, benutzt man das Hovertrax aus dem Kofferraum.
Doch der Spaß mit dem 20V20 hört beim Abstellen des Autos nicht auf. Weil Designchef Mesonero weiß, wie es zum Beispiel in den Straßen von Barcelona zu geht und wie weit entfernt vom Ziel man seinen Wagen bisweilen abstellen muss, hat er im Kofferraumboden noch einen Hovertrax versteckt. Das Gerät sieht aus wie das zu groß geratene Diabolo eines Straßenkünstlers, ist aber im Grunde ein Segway ohne Griffstange: Sind die Akkus erst einmal über das Bordnetz des Seat geladen, kann man sich auf die Trittplatte stellen und damit ganz lässig über die Strandpromenade rollen. Zwar ist der Hovertrax nicht ganz so schnell und sieht nicht einmal halb so scharf aus wie der 20V20. Aber er hat einen entscheidenden Vorteil: Während man auf das große Seat-SUV wohl noch vier, fünf Jahre warten muss, kann man das elektrische Diabolo schon heute kaufen.

Von

Thomas Geiger