König Hubraum regiert die Welt – zumindest die der Sportwagen. Geht es allein um Rundenzeiten, Sprintwerte, den puren Fahrgenuss ohne angstvolle Blicke auf die Tankanzeige, gibt es daran auch nichts zu rütteln. Bislang! Denn die scheinbar uneinnehmbare Festung der Literlust gerät allmählich ins Wanken. Vier Kompakt-Dreikäsehochs begehren auf, nagen an den Grundfesten des Motorenbaus und blasen zur Attacke auf die großvolumigen Kraftpakete. Downsizing nennt sich die aufkeimende Revolutionsbewegung. Im Klartext: Abgespeckte Hubräume aber saftige PS-Zahlen, riesige Freude am Fahren und trotzdem keine Wutanfälle beim Tanken. Zugegeben, Audi A3, BMW Einser, Opel Astra und VW Golf, um die Revoluzzer beim Namen zu nennen, sind eher als schicke Begleiter fürs Boutiquen-Hopping bekannt als für den ernst zu nehmenden Aufstand gegen das Regime.

Den Golf befeuert den Hubraumwinzling des Vergleichs

Kleiner Hubraum, große Leistung: Der Golf überzeugt auf der Rennstrecke.
Zumal rein äußerlich nur der Golf mit den Säbeln rasselt. Er hüllt sich in die krawallige GT-Sport-Optik mit schwarzem Riesengrill, wulstigen Schwellern und Schürzen. Etwaige Verwechslungen mit dem GTI sind da durchaus erwünscht. Unter dem neu gestylten Sportdress tickt mit dem Twincharger der Hubraumwinzling des Rebellen-Quartetts. Seinen 1,4 Litern entlockt er mit Hilfe einer Turbo- und Kompressorallianz satte 170 PS. Konzernbruder Audi geht einen anderen Weg und kontert mit einem eigens entwickelten 160 PS starken, konventionell aufgeladenen 1.8 FSI für den in sportlicher, aber dezenter Ambition-Rüstung auflaufenden A3. Opel setzt ebenfalls auf Zwangsbeatmung. Mit 180 Rössern aus 1,6 Liter Brennraum rangelt sich der Astra GTC bis an die Leistungsfront. Lediglich BMW distanziert sich etwas vom Schrumpftrend und verteilt 1995 Kubik auf die vier Töpfe des frisch gelifteten 120i. 170 Saug-PS, Hochdrehzahlkonzept und Heckantrieb schmecken nach Spaß, Start-Stopp-Automatik, Schaltanzeige und Magerlauf bis 4000 Touren nach Sparen. Die Kombination aus beidem nennt BMW "Efficient Dynamics".

Im BMW 120i lässt sich am effektivsten Kraftstoff sparen

Sparsam: Mit 7,7 Liter Testverbrauch unterbietet der Einser seine Mitstreiter deutlich.
Effiziente Dynamik hätte es zwar auch getan, doch wichtiger ist weniger der Wortlaut als vielmehr, was letztlich hinten rauskommt. Und das ist nicht gerade viel – was zunächst positiv gemeint ist. Mit 7,7 Liter Testverbrauch unterbietet der Einser seine Mitstreiter deutlich. Leider ist der Preis dafür relativ hoch. Nicht nur dass der neuerdings keck grinsende Dreitürer mit 25.400 Euro gewaltig in die Bilanz haut. Auch in puncto Fahrspaß fordert die bayerische Spritsparpolitik Tribut: Unterhalb der Drehzahlmitte herrscht Leistungsflaute. Sonor brummend quält sich der Direkteinspritzer nur mühsam aus den Niederungen. Erst jenseits der 4500er-Marke kommt etwas mehr Leben in die Kolben. Satten Durchzug und markentypische Dynamik kennen wir trotzdem anders. Logische Konsequenz: Mit mageren 9,1 Sekunden auf 100 bleibt dem 120i im Sprintstreit nur die rote Laterne.
Beim Motor aus völlig anderem Holz geschnitzt ist der Opel. Sein Turbo wirkt derart aufgeweckt, dass man den Gasfuß beim flinken Spurt mächtig zügeln muss, will man nicht reifenschrubbend auf der Stelle verharren. Aber behände vorangepeitscht, fällt die Hunderter-Marke bereits nach 7,6 Sekunden – Bestwert! Vom genügsamen Umgang mit Super Plus hält der GTC jedoch wenig. Lässig lässt er alle 100 Kilometer im Schnitt rund zehn Liter Kraftstoff durch die Einspritzdüsen strömen. Weit sparsamer werkelt die VW-Armee. Verblüffend nur, dass sich der stärkere Golf beim Prestigesprint von seinem Premium-Verwandten aus Ingolstadt zunächst das Endrohr-Duo zeigen lässt und erst ab Tempo 130 das Bruderduell für sich entscheidet. "Na und?" scheint der Audi zu grummeln. Er gibt sich introvertiert, begeistert eher als Musterknabe der Harmonie-Schule. Langsam? Mitnichten! Seine Schaltkugel flutscht fix durch die Gassen. Der seidenweiche Motor kommt früh zur Sache, vergreift sich, wenn überhaupt, nur bei brutalen Anfahrmanövern an den Frontgummis und drängt sich auch akustisch niemals auf.

Beim Topspeed liegen alle jenseits von 200 Sachen

Audi A3: leicht untersteuernd und außerordentlich handlich.
Wer es gerne etwas wilder mag, darf sich über den Golf freuen. Er ist der Einzige, der seine Umgebung dank geschickter Auspuffgestaltung mit frecherem Brabbeln verwöhnt. Das steht ihm hervorragend und wirkt durchaus luststeigernd. Überhaupt kommt der Golf der Vorstellung einer kompakten Rennsemmel am nächsten. Und wie der Audi zieht auch er prompt vorwärts, wirkt aber insgesamt schärfer und williger. Bereits bei 1500 Touren tummeln sich die maximal 240 Newtonmeter an der Vorderachse – das Turboloch vom Kompressor bis zur Unkenntlichkeit planiert. Nach 7,9 Sekunden und zwei beherzten Griffen in die präzise rastende Schaltbox fällt die 100-km/h-Marke, bei Tempo 220 unterliegt der TSI schließlich den Mächten der Physik. Golf-Fahrer müssen dennoch mit ansehen, wie sich die Konkurrenten auf der Autobahn langsam, aber sicher davonstehlen. Vorneweg kachelt der Einser – 224 km/h auf der Uhr, jedoch lautes Dröhnen im Ohr. Ebenfalls ungehobelt johlend, heftet sich der Astra an seine Fersen, dicht gefolgt vom stets flüsterleisen A3. Die Horde der dieselbefeuerten Handelsvertreter hat man demnach bestens im Griff, und auch so mancher E-Klasse-Fahrer muss sich langmachen, will er nicht von einem der Hubraum-Rebellen düpiert werden.
Nicht sein Revier: Auf dem Rundkurs muss sich der Astra geschlagen geben.
Der Jagdinstinkt lässt sich zudem jeweils auch bequem zu viert ausleben – gewisse Nehmerqualitäten dennoch vorausgesetzt. Die straff gezimmerten Fahrwerke verteilen Rapide gequerte Teermakel als kleine Prügeltrachten recht ungefiltert an die Mitfahrer. Schönheitsfehler oder notwendiges Übel? Um das zu klären, müssen wir runter von der ewigen Geraden: nächste Ausfahrt Oschersleben. Hier gipfelt der Wettstreit der Literknirpse. Nicht die Zuladung, auch nicht die Zahl der Ablagen für irgendwelchen Krempel und genauso wenig eine vielleicht zu schummrige Schminkspiegel-Beleuchtung entscheiden über Sieg und Niederlage. Stattdessen sind es sieben Links- und ebenso viele Rechtskurven, die den einen triumphieren und den anderen straucheln lassen.
Wie sich die Kontrahenten auf der Strecke geschlagen haben, sehen und lesen Sie in der Bildergalerie. Den vollständigen Vergleichstest inklusive aller Tabellen, Rundenzeiten und der SPORTSCARS-Hitliste können Sie sich hier bequem als Pdf aus dem Archiv laden.

Von

Stefan Helmreich