Bei solch einer Nachricht hört man als Automensch genau hin: Hamburg plant auf weiteren 85 innerstäd­tischen Straßen ein nächtliches Tempolimit von 30 km/h. Klar, der grüne Umweltsenator Jens Kerstan hat einen "Lärmaktionsplan" verkündet, um den Verkehrslärm in der Nachtzeit zu verringern. Sollte man sich jetzt reflexhaft darüber empören?
Man sollte nicht. Es lohnt der präzise Blick: Was genau sind die Pläne? Tatsächlich soll in Hamburg der nächtliche Straßenlärm durch zeitweise Tempolimits zwischen 22 und 6 Uhr in hoch belasteten Straßen verringert werden. Also gerade dort, wo die Wohnblöcke bis an die Fahrbahn reichen. Den Plänen zufolge in zwei Schritten: 20 Straßen werden bis Mitte 2022 umgestellt, weitere 65 sollen bis 2024 folgen, hier werden die innerstädtisch durch die StVO vorgegebenen 50 km/h verschärft.

Funktioniert Tempo 30 auf Durchgangsstraßen?

Kritiker der Pläne dürften bemängeln, dass auch einige große, üblicherweise stark befahrene Durchgangsstraßen betroffen sind, allerdings meist nur auf kurzen Abschnitten. Das mag uns Autofahrer zwar einschränken, wir sind das in Städten nicht gewohnt. Doch sollte man sich klarmachen: Corona hat uns gelehrt, dass in der Stadt manchmal das Wohnen Vorrang vor dem Fahren hat. Das gilt gerade für dicht bewohnte Stadtteile, deren Anwohner meist keinen ruhigen Schlaf finden. Für sie bedeutet leiserer Verkehr eine Wohltat, denn der Straßenlärm zur Nachtzeit wird durch Tempo 30 halbiert. Ein riesiger Unterschied! So dürfte man E-Autos bei dem Tempo kaum mehr hören.

Schon in Kraft: Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen in Hamburg und Berlin

Und als Autofahrer gewöhnt man sich daran. Beispiel: die zentrale Stresemannstraße in Hamburg, eine vierspurige Verkehrsachse, 1,50 Meter Bürgersteig auf jeder Seite, dann Häuser. Recht leise rollt der Verkehr mit Tempo 30 auch tagsüber hier durch, nur Ortsfremde rauschen in die Blitzer. Gegenüber Tempo 50 verliert man auf der wenige Kilometer langen Strecke eine Minute, vielleicht zwei. Das halte ich für erträglich.
Auch in anderen Großstädten gibt es das schon: Berlin hat 2019 Tempo 30 auf mehreren Hundert Kilometern Hauptstraßen eingeführt, zum Teil auch nur nachts. Von Protesten war wenig zu lesen. Der neue Lärmaktionsplan für Hamburg zeigt zudem, dass sich die Planer Gedanken über das Wo und Wie gemacht haben, die Strecken sind nachvollziehbar. Anderswo geht es viel radikaler zur Sache. In ganz Spanien wurde gerade Tempo 30 für alle Städte verordnet. Immer. Die Spanier kommen damit einer Forderung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach, die weltweit Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften vorsieht! Ein nächtliches Tempo 30 in einer Großstadt wie Hamburg schmerzt da kaum.