Der Verkaufsschlager unter den kompakten SUV ist preislich in höhere Sphären entschwebt: Toyota verlangt für den RAV4 2.0 inzwischen 26.370 Euro. Also rund 3500 Euro mehr als Nissan für den neuen Qashqai 2.0 4WD, der jedoch in Sachen Abmessungen und Motorkraft problemlos mit dem Toyota mithalten könnte. Unterhalb des RAV4 ist inzwischen also eine SUV-Klasse entstanden, die sich an den preisbewussten Pragmatiker wendet. 3500 Euro – dafür kann man auch heute noch eine ganze Menge kaufen. Beispielsweise Superbenzin für rund 30.000 Kilometer mit dem Nissan Qashqai. Ist das etwa nichts? Hyundai und seine Tochter Kia haben schon zuvor erkannt, dass man mit preisbewussten Kunden in der RAV4-Kategorie gute Geschäfte machen kann. So verkaufen sich die technischen Zwillinge Hyundai Tucson und Kia Sportage bereits seit 2004 ausgezeichnet. Auch ihre kompakten Abmessungen mit parkfreundlichen 4,35 Metern Gesamtlänge und die unkomplizierte Handhabung tragen zu diesem Erfolg bei. Andere SUV wuchsen von Generation zu Generation: der Land Rover Freelander auf 4,50 Meter, der Honda CR-V auf 4,53 Meter, der neue Nissan X-Trail auf 4,63 Meter und der Hyundai Santa Fe sogar auf 4,68 Meter. So viel Platz braucht nicht jeder – und will auch nicht jeder mit sich herumschleppen. Und weil bei Nissan der X-Trail ordentlich gewachsen ist, bleibt darunter noch eine Lücke für den ebenso neuen Quashqai.

Der Qashqai wagt den Spagat zwischen SUV und Kompaktlimousine

Das 4,32 Meter kurze Auto mit dem wohl kuriosesten Namen des Jahres wagt den Spagat zwischen Golf-Klasse und SUV. Das macht sich vor allem in der Höhe bemerkbar. Mit 1,61 Metern fällt der Nissan rund zehn Zentimeter flacher aus als der Kia Sportage mit SUV-typischer Höhe. Auf der anderen Seite überragt er einen schlichten VW Golf um ebenfalls zehn Zentimeter. Das hat Auswirkungen auf die Sitzhöhe. Im Nissan reist man mit etwas mehr Übersicht als im herkömmlichen Pkw, der Fahrer eines Kia Sportage thront freilich noch einmal acht Zentimeter über seinem Kollegen im Qashqai. Beide Autos machen das Ein- und Aussteigen zu einem rückenschonenden Vergnügen. Dass der Qashqai das jüngere, modernere Auto ist, bemerkt man schon beim Einsteigen. Das Londoner Nissan-Kreativstudio hat sich sichtlich bemüht, dem Qashqai-Innenraum das mitzugeben, was man heutzutage in Denglisch wohl als trendy und sporty bezeichnet; man darf aber auch modisch sagen. Dazu gehören silbrige Plastikapplikationen und das strenge Achten auf Symmetrie bei Schaltern, Instrumenten und Lüftungsrosetten.

Kia Sportage: Ein Auto ohne jede Bedienungsrätsel.
Alles recht schick, aber praktisch keinen Deut einfacher bedienbar als die konventionelle Einrichtung des Kia. Hier zeigt sich also kein echter Fortschritt. Wohl aber bei den Ausstattungsdetails: Modische Dinge wie schlüsselloser Motorstart oder Einparkhilfe bekommt man nur für den Nissan – freilich in teilweise teuren und komplex gestalteten Aufpreispaketen verpackt. Aber es gibt auch objektive Vorteile des neuen Nissan, die das Alltagsleben tatsächlich erleichtern. Dazu gehört vor allem sein um einen ganzen Meter kleinerer Wendekreis. Dazu gehört ebenso der wesentlich laufruhigere Motor, der den Insassen auch auf Langstrecken niemals lästig wird. Und der dabei auch deutlich weniger Benzin verbraucht. Im Test konsumierte der Nissan 9,2 Liter/100 km, der Kia 1,1 Liter/100 km mehr. Und das, obwohl die Werksnormverbräuche behaupten, dass der Kia das sparsamere und daher auch schadstoffärmere Fahrzeug sei. In Sachen Platzangebot herrscht dagegen insgesamt praktisch Gleichstand.

Der große Unterschied liegt in der Handlichkeit

Man muss sich nur entscheiden, was wichtiger ist: Platz für die Fondpassagiere oder Platz für das Gepäck. Bei praktisch identischer Gesamtlänge des Innenraums empfiehlt sich dabei der Kia für denjenigen, der seinen Mitreisenden im Fond etwas Gutes tun will. Deutlich mehr Kniefreiheit, mehr Innenhöhe und mehr Innenbreite machen den Aufenthalt hier angenehmer als im beengteren Nissan. Der überzeugt zum Ausgleich mit einem wesentlich größeren, weil längeren Laderaum. Allerdings muss das Gepäck beim Nissan über eine fast zehn Zentimeter höhere Ladekante hinweggewuchtet werden. Der Fortschritt zeigt sich beim Nissan wiederum im Fahrwerk. Der Qashqai federt angenehm komfortabel, auch auf kurzen Unebenheiten. Allerdings macht das sein Konkurrent aus Korea kaum schlechter und lässt nur auf Querfugen oder Kanaldeckeln ein sanfteres Ansprechen vermissen. Den großen Unterschied macht jedoch die Handlichkeit aus. Der Nissan fährt sich wesentlich agiler, leichtfüßiger, eben handlicher. Dabei hilft ihm selbstverständlich sein um 110 Kilogramm geringeres Leergewicht. Aber das allein macht es nicht aus.

Das Glasdach beim Qashqai kann man innen abdecken, aber nicht öffnen.
Es ist die gelungene Fahrwerksgeometrie, die den Qashqai flott um die Ecken zirkeln lässt. Die serienmäßige, elektrische Servolenkung überzeugt dabei mit Leichtgängigkeit, weniger mit Fahrbahnkontakt. Dass hydraulisch operierende Servolenkungen trotz Verbrauchs- und Kostennachteil immer noch ihre Daseinsberechtigung haben, zeigt der Kia: genauso leichtgängig, aber mit mehr Rückmeldung. In Sachen Allradantrieb gehen Nissan und Kia sehr ähnliche Wege. Beide sind im Grunde ihres Wesens Fronttriebler, die – falls nötig – per elektronischer Regelung den zusätzlichen Hinterradantrieb aktivieren. Zuständig ist dafür in beiden Fällen eine Mehrscheibenkupplung, die elektrisch betätigt wird. Beide Autos gibt es auch in billigen Basisversionen mit reinem Frontantrieb.

Die haben aber schon beim Beschleunigen auf regennasser Fahrbahn Traktionsprobleme. So etwas ist den beiden Allradversionen naturgemäß fremd. Die automatische Regelung des variablen Hinterradantriebs funktioniert bei beiden ausreichend schnell und ausreichend konsequent. Der Nissan-Allrad packt dabei etwas früher zu, der Kia-Allrad dafür anschließend wirksamer. Im Qashqai empfiehlt es sich deshalb mehr als beim Sportage, die wahlweise manuelle Sperrung der Allradkupplung zu aktivieren, wenn beispielsweise im Tiefschnee oder auf einer verschlammten Wiese angefahren werden muss.

Keine idealen Voraussetzungen für Geländefahrten und Anhängerbetrieb

Einmal in Fahrt, laufen aber beide mit den automatischen Regelungen zufriedenstellend. Für Exkursionen ins leichte Gelände reicht auch die Bodenfreiheit. Für echte Geländefahrten, aber auch für schwereren Anhängerbetrieb bringen beide keine idealen Voraussetzungen mit. Die tiefe Nase des Nissan ist beschädigungsgefährdet. Und die Kupplungen der Schaltgetriebe werden bei beiden beim Anfahren am Berg wegen fehlender Untersetzung hoch belastet und geben frühzeitig mit viel Gestank auf. Kein Wunder, dass Kia die Anhängelast auf nur 1600 Kilogramm gesetzt hat. Der Nissan darf sogar nur 1400 Kilogramm ziehen, mit der gegen 1300 Euro Aufpreis lieferbaren Gliederband-Automatik gerade einmal 1200 Kilogramm.

Diese beiden SUVs machen den Einstieg in die Allradwelt leicht.
Die Kosten sehen wiederum den Nissan Qashqai im Vorteil. Er ist bei vergleichbarer Grundausstattung nicht nur billiger als der Kia, sondern auch günstiger im Unterhalt. Nicht allein der gut einen Liter/100 km niedrigere Benzinverbrauch bringt den entscheidenden Vorsprung gegenüber dem Kia, sondern auch die günstigere Versicherungseinstufung. Das spart im Schnitt rund 250 Euro oder zwölf Prozent pro Jahr. Nissan-Vorteile auch bei der Wartung: Er muss lediglich alle 30.000 Kilometer oder alle zwei Jahre in die Werkstatt, der Kia dagegen jedes Jahr und nach der Hälfte der Kilometerleistung. Wer also als preisbewusster Käufer in diese Fahrzeugklasse einsteigen will, spart mit dem Nissan insgesamt deutlich mehr Geld ein als mit dem Kia.

Fazit von AUTO BILD ALLRAD-Redakteur Martin Braun

Souverän gewinnt das modernere Auto, der Nissan Qashqai. Seinen Vorsprung sichert er sich vor allem durch Kostenvorteile. Nicht nur über den Grundpreis, sondern auch wegen des günstigeren Unterhalts und des niedrigeren Kraftstoffverbrauchs. Aber auch Motorkomfort und Handlichkeit sprechen für den neuen Nissan. Der Kia Sportage hält sich zwar wacker, ist aber zu durstig und mittlerweile einfach zu teuer geworden. Da ist Kia wohl der Verkaufserfolg zu Kopf gestiegen.

Von

Martin Braun