Alles schrumpft in diesen Zeiten: Preise, Erwartungen und Ansprüche – nur Renault legt beim neuen Scénic eine Schippe zu. Der Kompaktvan kommt zuerst als langer Grand Scénic. Das heißt: Der Kunde bekommt sieben Zentimeter mehr (Länge: 4,56 Meter) und zahlt für die Basisversion 1800 Euro weniger als beim Vorgänger. Kommt hier etwa das neue Maß für Familien- Raumschiffe? Aus dem Programm empfehlen wir den TCe 130 mit Dynamique-Ausstattung für 22.400 Euro. Er hat nicht nur den modernen 1,4-Liter-Turbo-Benziner, sondern auch Klimaanlage, 17-Zoll-Aluräder, Einparkhilfe und Tempomat an Bord – für nur 400 Euro mehr als beim alten Basismodell.

Der Renault Grand Scénic TCe 130 bleibt ein sanfter Riese

Renault Grand Scénic TCe 130
Das klappt: Bei umgelegter Beifahrerlehne wächst der Laderaum auf 2,75 Meter.
Das schwungvolle Cockpit wirkt mit seinen weich geschäumten Oberflächen nun hochwertiger. Am zentralen Mäusekino, dem Display, scheiden sich allerdings die Geister: französischer Avantgarde-Chic oder billiges Playstation-Plagiat? Immerhin: Die sechs wählbaren Anzeigen-Darstellungen sind einwandfrei ablesbar, zudem befriedigen sie den Spieltrieb. Zum Wohlfühl-Ambiente des Franzosen wollen sie jedoch nicht recht passen. Da gefällt uns die Raumaufteilung schon besser. Vorn luftig wie im Reisebus, dahinter lümmeln auch Lange bei ganz zurückgeschobenen Sesseln extrem entspannt. Als Siebensitzer fordert er dagegen Kompromisse. Für 700 Euro extra klappen mit einem Griff zwei vollwertige Sitze aus dem Boden. Dafür muss die zweite Reihe nach vorn rücken, sonst bleibt den Hinterbänklern zu wenig Knieraum. Fazit: nur eine Notbank für Kinder – das können Touran und Zafira aber auch nicht besser.

Für Urlaubsfahrten: Der Kofferraum fasst 678 bis 785 Liter

Renault Grand Scénic TCe 130
Die Kurven nimmt der Grand Scénic jetzt agiler, die Karosserie neigt sich weniger.
Wenn nötig, wandelt sich der Grand Scénic in einen talentierten Umzugshelfer. Die Einzelsitze im Fond lassen sich verschieben, hochklappen oder ganz ausbauen. So packt der Van selbst Sperriges bis 1,88 Meter Länge und 1,03 Meter Breite. Für Urlaubsfahrten passen, je nach Position der Fondsitze, immer noch 678 bis 785 Liter in den Kofferraum – genug für das Gepäck von Papa, Mama und drei Kindern. Das Feriendomizil darf dabei ruhig in weiter Ferne liefegen. Denn der Grand Scénic ist trotz des straffer abgestimmten Fahrwerks noch ein sanfter Riese, der selbst üblen Flickenteppichen ihren Schrecken nimmt. Angenehmer kann man in dieser Klasse tatsächlich kaum reisen. Kein Vergleich zum harten Touran.
Dass das Heck auf groben Wellen kurz nach schwingt, ändert nichts am herausragenden Komforteindruck. So genießt man an Bord umso mehr die neu gewonnene Dynamik. Mit breiterer Spur, zusätzlichem Hilfsrahmen für Motor und Vorderachse sowie verbesserter Lenkung flitzt der stattliche Van jetzt deutlich präziser und flinker durch Kurven. Sicher sowieso, dafür sorgen ein wachsames ESP und standfeste Bremsen. Das harmonische Gesamtbild des Grand Scénic komplettiert der 130-PS-Motor. Ein geschmeidiger Antrieb, der spontan anspricht und untenrum genügend Dampf hat, um den 1,6-Tonner souverän durch den Alltag zu ziehen. Mit durchschnittlich 8,5 Liter Super hält er sich beim Trinken zudem zurück. Der Blick zum Basisbenziner (1,6 Liter, 110 PS) lohnt nicht, er verbraucht mehr. Der Diesel ist 2100 Euro teurer. Falls es dennoch eine Nummer kleiner sein soll: Der 22 Zentimeter kürzere Scénic startet Ende Juni2009 – ab 19.100 Euro.

Wertungen

Karosserie Reichlich Platz vorn und hinten, in der dritten Reihe wenig Knieraum. Sehr großer, variabler Kofferraum (208 bis 2063 Liter). Siebensitzer mit Stufe in Ladefläche bei ausgebauten Rücksitzen. Gute Verarbeitung, zum Teil schlecht entgratete Kunststoffteile.
Antrieb Kultivierter, munterer Motor, der gut am Gas hängt und den stattlichen Van souverän beschleunigt. Testverbrauch 8,5 Liter Super akzeptabel, bei Vollgas fordert der 1,4-Liter-Turbo aber Zuschlag.
Komfort Üppige Ausstattung, u. a. mit Klimaanlage, Alurädern, Licht- und Regensensor. Motor- und Windgeräusche sehr gut gedämmt. Angenehmer Federungskomfort, straff gepolsterte Sitze, aber wenig Seitenhalt.
Fahrverhalten Ausgewogene Straßenlage, trotz komfortabler Federung wenig Wankneigung. Fahrverhalten im Vergleich zum Vorgänger agiler und präziser. Sehr gut abgestimmtes ESP, hohe Fahrsicherheit, kräftige und standfeste Bremsen.
Kosten Günstiger Kaufpreis, angemessener Testverbrauch, moderate Wartungskosten. Bei Vollkasko langen die Versicherungen jedoch kräftig zu, hier kommt der Renault teurer als die Konkurrenten Touran, Zafira und Grand Picasso.
Das gefällt uns: Verarbeitung, Materialanmutung und Fahrdynamik – hier hat der Scénic spürbare Fortschritte gemacht.
Das fehlt uns:
Der TCe 130 erfüllt nur die Euro-4-Norm, Start-Stopp ist noch nicht lieferbar, Hybridoder Elektroantrieb sind ebenfalls Zukunftsmusik.
Das überrascht uns:
Das integrierte TomTom-Navigationssystem mit 5,8-Zoll-Bildschirm ist für nur 490 Euro zu haben.

Fazit

von

Uli Holzwarth
Beim neuen Grand Scénic hat Renault ganz gezielt die Schwächen des Vorgängers ausgemerzt. Der Neue ist geräumiger als bisher, fährt dynamischer und präziser, ohne beim Komfort Abstriche zu machen. Angenehm leise ist er obendrein. Neben den praktischen Talenten überzeugen auch Fahrsicherheit und der 1,4-Liter-Turbo. Ein ausgesprochen angenehmer Familientransporter also, der zu diesem Preis ein einladendes Angebot ist.

Von

Uli Holzwarth