Hochstimmung an der Tankstelle. "Escht fett, i schwör, Digger", lobt mein Tanknachbar mit dem Uralt-3er. Fotohandys werden gezückt, Rufe wie "endgeil", "krass" und "voll sozial" werden laut. Die Herrschaften scheinen begeistert zu sein. Mit Ausnahme des Tankwarts vielleicht ("Welcher Elefant hat sich denn auf Ihren Golf gesetzt?"). Aber so viel ist schon mal klar: Das junge Deutschland scheint voll auf den neuen Scirocco abzufahren. Ist ja auch kein Wunder. So flach, wie er ist, muss er nicht erst tiefergelegt werden. Den bösen Blick hat er serienmäßig, die dicken Backen auch – und alles ab vergleichsweise günstigen 23.300 Euro. Da macht es auch fast nichts, dass sich die Designer offen sichtlich etwas quälen muss ten. Das Oberteil – erst relativ hoch und breit, dann schmal und flach im Abgang – und die Vokuhila-Proportionen (vorn kurz, hinten lang) machen keine Idealfigur. Sei's drum.

Zum ersten Vergleich tritt der Scirocco mit Topmotorisierung an

Der Scirocco fällt auf, und praktisch ist er obendrein. Hinten gibt es eine richtige Heckklappe, und die umklappbaren Rücksitze sind keine Folterbank, nicht einmal für Erwachsene. Gewisse Zugeständnisse verlangt das Coupé trotzdem: Vor dem Beladen empfiehlt sich ein Hanteltraining, denn die Ladekante liegt sehr hoch. Und zum Aussteigen in schmalen Parklücken braucht es das Talent eines Entfesselungskünstlers – die Türen sind riesig. Für den ersten Test gönnen wir uns das Topmodell mit einem 200-PS-Turbomotor aus dem Golf GTI und dem Doppelkupplungsgetriebe DSG. Dazu die geregelten Stoßdämpfer DCC) und die dickeren Reifen (235/45 R 17). Das macht dann alles in allem 28.530 Euro – immer noch ein reelles Angebot, wenn ein Golf GTI mit DSG bereits 27.475 Euro kostet.

Das Ambiente des BMW entspricht eher der gehobenen Preisklasse

BMW 125i Coupé
Was ist die passende Messlatte? Ganz klar, das kann nur das 1er-Coupé von BMW sein. Am nächsten kommt dem Scirocco der 125i – 18 PS stärker noch, aber mit 32.600 Euro (inklusive 18-Zoll-Räder) zugleich etwas teurer. Auch das kleine BMW-Coupé ist nicht, na sagen wir mal, die reine Schönheit. Sein geschrumpftes Stufenheckdesign polarisiert – die einen finden es klassisch, andere erinnert es an einen Altherrenbeschleuniger. Eine große Heckklappe wird nicht geboten, dafür ein großer Kofferraum. Innen geht es ähnlich geräumig zu wie im VW, doch es fühlt sich luftiger an, die Fenster sind größer, die Übersichtlichkeit ist besser. Und das Ambiente entspricht eher der gehobenen Preisklasse, während beim Scirocco der Wow-Effekt beim Betreten des Innenraums nachlässt. Sein Cockpit, geerbt vom VW Eos, ist sauber gemacht, doch optisch so anregend wie Armaturen einer Waschmaschine. Aber irgendwo muss bei diesem Preis ja gespart werden.
Mit den PS knausert VW jedenfalls nicht. Der Scirocco stürmt derart vehement über die Teststrecke, dass die 200 Pferde mit übernatürlichen Kräften ausgestattet sein müssen: In 6,3 Sekunden von null auf Tempo 100, im Prospekt stehen 7,1. Wie auch immer: So wie die Dinge liegen, bleibt dem 125i-Fahrer da nur der Blick in den Doppelrohrauspuff. Dabei wirkt der Turbo-Vierzylinder im VW keineswegs gestresst. Schon untenherum packt er zu, 6500 Touren sind möglich, aber 6000 genügen. Dazu die geniale DSG-Schaltung (nur kurz am Paddel ziehen, blitzartig wechseln die Gänge), und der versprochene Fahrspaß ist garantiert. Doch nichts ist bekanntlich perfekt: Ein hübscherer Sound wäre kein Fehler, aber bitte ohne den Auspuffdröhner bei 5000 Touren. Und auch am Automatikmodus darf noch gefeilt werden – im Normalprogramm schaltet das DSG etwas zu träge, auf "Sport" verursacht es oft unnötig hohe Drehzahlen.

Bei höheren Drehzahlen macht der Reihensechser im 1er viel Freude

BMW 125i Coupé
Im BMW 1er bleibt derweil nur der Griff zum Knüppel. Das kann zwar auch Freude machen, aber hier bewegt er sich etwas störrisch. Unterdessen führt der Sechszylinder vor, dass er auch ohne Turbo die Stimmung heben kann. Vorausgesetzt, er darf drehen: Ab 4000 Touren legt er richtig los, genauso schön der edle Klang und dieser perlende Lauf. Da spielen dann die paar Zehntel Rückstand beim Beschleunigen keine Rolle mehr, zumal weniger getankt werden muss (8,8 statt 9,5 Liter pro 100 Kilometer). Der Scirocco spielt dagegen am liebsten den jungen Wilden. Auf kurvenreichem Terrain benimmt er sich wie ein von der Leine gelassener Terrier, schnüffelt mit Gusto in die engsten Biegungen, fackelt nicht lange, kein lästiges Untersteuern, kein Wanken, nur Einlenken und rum. Mit seiner breiteren Spur und dem tieferen Schwerpunkt wirkt er noch trockener und präziser als der viel gerühmte Golf GTI – große Klasse, zumal wenn man bedenkt, dass hier 65 Prozent des Gewichts auf der Vorderachse lasten.
VW Scirocco 2.0 TSI
Da bietet der BMW bessere Voraussetzungen: ausgewogene Achslasten, Heckantrieb, eine Lenkung ohne Antriebseinflüsse. In der Realität zeigt er ein sanfteres Naturell, schön handlich zwar, aber etwas knieweicher beim Kurswechsel, das Lenkgefühl stärker gefiltert, nicht ganz so sportlich wie der Scirocco. Er ist die kultiviertere Alternative, und während der VW seine Insassen auf schlechten Straßen ungeniert malträtiert (egal in welchem der drei Dämpferprogramme), bemüht er sich um etwas mehr Komfort, federt geschmeidiger an und rollt leiser ab. Angenehm, selbst wenn es nicht ganz reicht, die Strafpunkte für den Preis aufzuwiegen.

Das Fazit von AUTO BILD-Redakteur Wolfgang König

Der 200-PS-Scirocco ist die Fortsetzung des Golf GTI mit sportlicheren Mitteln – er ist noch schneller, liegt noch besser und macht noch mehr Spaß. So gesehen, ein Traum-VW, auch wenn sich am äußeren Auftritt die Geister scheiden. Der Ur-Scirocco war seinerzeit optisch leichter verdaulich. Macht nichts: So, wie sich der Neue fährt, findet sich unter den Coupés dieser Preislasse wenig Gleichwertiges. Der BMW 125i ist eher das Coupé für die feineren Genüsse des Fahrens. Nicht so knackig, dafür kultivierter, hochwertiger. Sein hoher Preis vermasselt den Punktesieg, ich würde ihn trotzdem vorziehen. Schon deshalb, weil ich die Baseballkappe nicht verkehrtherum aufziehen müsste. Denn das steht mir nicht.

Von

Wolfgang König