So viel steht fest: Artega wirkt. Als ich nach eintägigem Genuss wieder ins Freie stolpere, rast mein Puls. Ich vibriere wie ein Schlagbohrer, die Zunge klebt am Gaumen wie eine Briefmarke, meine Augen oszillieren wie ... wie Dinge eben, die stark oszillieren – Ozelote vielleicht. Sie merken, die Droge, die uns Klaus Dieter Frers aus dem friedlichen Delbrück ins Haus schickte, geht unter die Haut. Erst macht sie munter, dann macht sie schlapp. Artega? Genau, der neue Sportwagen aus dem Westfälischen. Es ist der in Polyurethan gegossene Traum eines Autonarren. Und für die Realisierung holte er sich klugerweise verdiente Männer der Praxis. Ergebnis: eine Mittelmotor-Rakete auf Porsche-Cayman-Niveau (auch im Preis), aber leichter, kürzer, extremer. Und aufregender: Frers Sprössling steht da wie ein zu heiß gewaschener Lamborghini. Straffe Haut, aggressive Konturen, darunter ein Alurahmen und hinten ein Stahlgerüst für den Treibsatz, den Frers bei VW einkauft. Er stammt mitsamt DSG-Getriebe aus dem Passat.

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Artega GT
Lacht da jemand? Verständlich, aber verfrüht, denn es ist der V6. Ein Direkteinspritzer, der 300 PS aus 3,6 Litern schöpft. Der Cayman S, mit dem sich der Artega messen muss, schafft 320 PS, hat aber 106 Kilo mehr auf den Rippen. Wer Komfort schätzt, ist im Cayman besser aufgehoben. Reinzukommen ist nicht einfach, denn im Artega sitzt es sich noch eine halbe Etage tiefer als im Porsche. Der Platz reicht zum Beherbergen zweier mittelgroßer Menschen, für Großgewachsene wird's eng, und das linke Fahrerbein muss in angewinkelter Position verstaut werden. Koffer finden hinter den Sitzen und im Bug Platz, vorausgesetzt, sie werden vorher durch die Mangel gedreht – wer etwas Raumkomfort nicht missen möchte, ist im Cayman zweifellos besser aufgehoben.

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Artega GT Cockpit
Auch sonst erfordert die Exklusivität des Artega (geplant sind 500 Autos pro Jahr) Tribute, die sich ein Großserienauto nicht erlauben könnte: Die Scheiben neigen zum Beschlagen, das Wischerfeld hat Gucklochcharakter, die Sensortasten in Wagenmitte sind am besten vom Fußraum aus zu bedienen, und die Instrumentierung –teils analog, teils semianalog auf einem Bildschirm – ist schwer zu entziffern. Immerhin strahlt die belederte Kanzel eine Gediegenheit aus, die bei Exoten dieser Art die Ausnahme ist. Erste Lockerungsübungen mit dem Gasfuß, und der Auspuff entlässt unverzüglich jene Töne, die Sportwagenfreunde als Musik empfinden. Passat? Von wegen – ich komme mir vor wie in der Lautsprecherbox von AC/DC.
Keine Frage: Der Sound ist gut gemacht und gut gemeint, aber vor mir liegen 200 Kilometer auf der Autobahn. Und selbst bei sachter Gaspedalbehandlung tobt hinten eine Furie. In Tateinheit mit einem Zementmischer, denn der sonst so sanft schnurrende V6 vibriert hier wie auf Beton gelagert. Kein Langstrecken-GT, dieser Artega, so viel ist sicher, obgleich seine Federung durchaus Nachsicht übt. Er ist ein hartes Auto, aber eben kein zu hartes. Der V6 aus dem braven Passat klingt im Artega wie ein Vollblut Auch Leistung ist in ausreichendem Maß vorhanden. Etwaige Verfolger (so fern nicht gerade ein Cayman S) schüttelt der Artega meist mühelos ab, 273 km/h liegen im Bereich des Möglichen.
Wie sich der Konkurrent Porsche Cayman S im Test schlägt, erfahren Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Testbericht mit allen Technik-Tabellen gibt es als Download im Heftarchiv.

Fazit

von

Wolfgang König
Eine reife Leistung ist er auf jeden Fall, der neue Porsche-Konkurrent. Er zeugt von Können und vor allem von Mut. Und er bereichert die Autolandschaft. Dass er nicht die Rundumqualitäten eines Cayman bieten kann, überrascht mich nicht. Der Artega konzentriert sich stattdessen auf den Spaßfaktor. Und er bietet obendrein das Vergnügen, mit der gewählten Automarke weitgehend allein auf weiter Flur zu sein – ein kostspieliges Vergnügen, sicher, aber wahre Exklusivität war noch nie besonders billig.

Von

Wolfgang König