Mit 320 PS fordert der Golf R den Porsche 718 Cayman auf der Piste heraus
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Mit 320 PS und Allrad bewaffnet begibt sich der VW Golf R auf die Jagd nach dem Porsche 718 Cayman. Ob er ihn auch erlegt, klärt unser Vergleich.
Bild: AUTO BILD
Platz 1 mit 309 von 400 Punkten: Porsche 718 Cayman. Lenkung, Bremse und Doppelkupplungsgetriebe sind ein Sportwagen-Gedicht. Mit diesen Zutaten hält der Basis-Porsche den Allrad-Golf auf Distanz. Platz 2 mit 297 von 400 Punkten: VW Golf R. Der voll alltagstaugliche R schlägt sich dank kräftigem Motor und viel Kurventraktion wacker. Die Präzision des Cayman erreicht er jedoch bei Weitem nicht.
Beim Anblick unserer beiden Kontrahenten VW Golf R und Porsche 718 Cayman könnten einem glatt Andy Ruiz und Anthony Joshua in den Sinn kommen. Die beiden Boxer lieferten sich Mitte 2019 einen aufsehenerregenden Kampf im Schwergewicht. Wider alle Erwartungen schickte der übergewichtige Herausforderer Ruiz damals den Modellathleten und Vierfach-Weltmeister Joshua in Runde sieben auf die Bretter. Der Brite hatte seinen Gegner schlichtweg unterschätzt. Kann der Golf R in unserem Vergleich etwa zum Golf Ruiz werden?
Beide Testkandidaten sind unterm Strich ein teures Vergnügen
Kostspielige Sportler: Im Testtrimm kostet der Golf R 57.370, der 718 Cayman sogar 70.610 Euro.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Immerhin akzeptiert Porsche die Herausforderung und schickt zum Duell seinen Einstiegs-Cayman. Zur Sicherheit aber lieber mit Sport-Chrono-Paket (2225 Euro), 20-Zoll-Rädern (2451 Euro), Servolenkung Plus (262 Euro), Differenzialsperre inklusive Torque Vectoring (1309 Euro), 18-Wege-Sportsitzen (3618 Euro), Verstellfahrwerk (1428 Euro) und Porsche-Doppelkupplung (2826 Euro). Macht aus dem Basismodell für 56 400 Euro in Summe ein 70.610 Euro teures Vergnügen. Der Golf R kostet mindestens 49.260 Euro. Für den Trackday mit dem Porsche verfügt der Testwagen obendrein über DCC-Dämpfer (1045 Euro), R-Performance-Paket inklusive Driftmode und großem Heckspoiler (2265 Euro), Sportreifen (keine Semislicks, 1000 Euro) und Titan-Auspuffanlage für satte 3800 Euro. Am Ende stehen 57.370 Euro auf der Rechnung – weit weg von günstig. (Unterhaltskosten berechnen? Zum Kfz-Versicherungsvergleich)
Beim Sprint aus Tempo 200 liegt der Golf R deutlich vorne
Sprintsieger: Tempo 200 erreicht der Golf R nach 16,3 Sekunden – 1,3 Sekunden schneller als der Cayman.
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Dafür liefert der Golf R aber auch ab und landet bei der Beschleunigungsmessung gleich mal eine krachende Rechte, sodass der Cayman schon mal kurz wackelt. Wie im 718 geht es in fixen 4,5 Sekunden auf 100 km/h und in beachtlichen 16,3 Sekunden auf Tempo 200 – hier nimmt der 1,5-Tonner dem 73 Kilogramm leichteren Porsche sogar fast anderthalb Sekunden ab! Auf der Rennstrecke zeigt der R dann, dass er nicht nur sauschnelle Geraden kann, sondern auch Haken überraschend talentiert meistert. Verantwortlich ist sein Allradantrieb, der an der Hinterachse dank zweier elektronisch gesteuerter Kupplungen über eine sehr variable Kraftverteilung verfügt. Auf dem digitalen Drehmoment-Diagramm im Kombiinstrument ist schön zu sehen, wie an jedem Kurvenausgang das kurvenäußere Hinterrad extra viel Antriebsmoment erhält.
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
Und der Hintern im Fahrersitz spürt vor allem in engen Kurven, wie der Golf mit viel Punch Anlauf auf die nächste Gerade nimmt. Eine weit weniger gute Figur macht dagegen das Doppelkupplungsgetriebe, das alles andere als hellwach scheint und auf der Suche nach der passenden Übersetzung speziell nach starken Bremsungen die Gänge ein bisschen zu lange sortiert. Daher lautet die Devise: selber schalten! Auch wenn die manuellen Befehle von den Wippen mit etwas Verzögerung ans DSG kommuniziert werden.
Auch auf der Rennstrecke liefert der Wolfsburger gut ab
Das passt: Lenkung und Bremse des VW taugen auch auf der Rennstrecke für schnelle Zeiten.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Die sehr direkte Progressivlenkung des Golf R wirkt im Gegensatz zum Getriebe viel ehrgeiziger. Sie benötigt nur geringe Lenkwinkel und arbeitet mit einer gesunden Härte. Auch die Bremse bricht mit kurzem Pedalweg und gleichbleibend hartem Druckpunkt selbst nach mehreren schnellen Runden nicht ein, zeigt hier kein Trainingsdefizit. Trotzdem wirkt der Golf nach dem Umstieg in den 718 Cayman wie ein ungestümer Rummelboxer. Denn beim Mittelmotorsportwagen lasten dank fast gegensätzlicher Gewichtsverteilung ganze 300 Kilogramm weniger Masse auf der Vorderachse – das spürt der Fahrer bei jedem Einlenken. Dazu vermittelt die Lenkung bis auf die Nachkommastelle exakt, in welchem Winkel gerade die Kurve seziert wird. Mit Leichtigkeit und viel Geschick frühstückt der Cayman den Kurs ab, bleibt dabei jederzeit berechenbar und weit entfernt von der Zickigkeit anderer Mittelmotorsportwagen wie dem RenaultAlpine. Schnell sein fällt im 718 Cayman richtig leicht. Auch dank der überragenden Bremse, die den Porsche mit absolut vertrauenerweckender Spurtreue aus jedem Tempo verzögert.
Der Abstand zum Porsche ist am Ende erstaunlich klein
Am Ende verweist der Porsche seinen Gegner auf den zweiten Platz. Der VW ist aber sehr nah dran.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Beim vollen Durchbeschleunigen fällt allerdings auf: Der zwei Liter große Boxer tut sich obenrum etwas schwer, schnauft nicht so befreit durch wie der Golf R auf dem Weg in den Begrenzer. Dafür gefällt der Porsche mit seiner saugerähnlichen Charakteristik – bis weit über 7000 Touren kann man den Vierzylinder rotieren lassen. Das Drehvermögen versüßt dem Fahrer auch die manuelle Schaltarbeit, gefühlt kann man in jeder Situation zwei Gänge mehr Runterschalten als im VW. Jedoch macht die Doppelkupplung einen so überragenden Job, dass man das PDK getrost sich selbst überlassen kann. Bei Kickdown bellt der Boxer bereits hoch, noch bevor das Gaspedal das Bodenblech erreicht hat. Und in jeder Fahrsituation knallt die Schaltelektronik den richtigen Gang rein. Sanft verschliffene Gangwechsel, Segeln und gefühlvolles Anfahren an Steigungen beherrscht das geniale PDK ebenso.
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
Am Ende überrascht es fast, dass der VW auf dem Contidrom mit seiner Rundenzeit von 1:35,35 Minuten weniger als eine Sekunde langsamer ist. Doch im Gegensatz zu Joshua benötigt der 718 keinen Rückkampf, um zu zeigen, wer der Champ im Ring ist – er ist mit 1:34,73 Minuten am Ende eben doch der Sieger. Das Fazit: Hier treffen zwei Welten aufeinander. Und es war spannend zu sehen, wie der R gegen den Cayman performt. Als sehr sportliches Alltagsauto ist der R fast unschlagbar. Auf Platz eins steht hier aber verdient der 718, der schon in der Basis ein Vollblut-Sportwagen ist.