Audi RS e-tron GT, Mercedes-AMG E 63 S: Test, Elektro, Verbrenner
Summen und Brummen: Audi RS e-tron GT trifft auf Mercedes-AMG E 63 S

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Elektrisch geht's wie in Watte gepackt in knapp drei Sekunden auf Tempo 100. Der Verbrenner macht das mit grandiosem Spektakel. AUTO BILD feiert beides.
Bild: Tom Salt / AUTO BILD
Wir wissen es nicht ganz genau, doch wir gehen an dieser Stelle einfach mal ganz fest davon aus: Elektroautos gehört die Zukunft. Verbrenner sterben aus. Sie vibrieren unflätig, sie saufen, sie stinken. Und sie fressen grässliches Futter. Man kratzt hierfür öligen Schlamm aus dem Erdboden, köchelt und raffiniert daran herum, macht es qualmend-blubbernd zu Kraftstoff. Dann tröpfelt man es in einen Stahlzylinder, um es dort anzuzünden. Diese CO2-dampfende und Stickoxid herausräuchernde Flamme schubst dann einen Kolben beiseite, der an einer mächtigen Welle aus Stahl herumkurbelt und so ein Auto bewegt. Geht's noch archaischer? (Wichtige Tipps für den Neuwagenkauf im Internet)
Klar, wenn man es gleich in acht Zylindern krachen lässt und so viel von dem hochentzündlichen Stoff hineinschüttet, dass am Ende 612 PS herauskommen. Herzlich willkommen, Mercedes-AMG E 63 S 4Matic+! Dieser fahrende Faustkeil ist der grunzend-starke Neandertaler unter den Kraftfahrzeugen – wenn man denn in dieser einfachen Einordnung bleiben mag. Dann wollen wir fairerweise aber auch seinen "modernen" Gegenspieler, den 646 PS starken Audi RS e-tron GT, entsprechend ketzerisch einsortieren. Der Audi aus der Zukunft ließe demnach seine Antriebskraft aus baumdicken Eisentrommeln – gefüllt mit Kupferzöpfen, Blechplatten und Aluminiumstäbchen – sickern. Deren Magnetismus speist sich aus mächtigen Batterieblöcken, die gerne mal eine dreiviertel Tonne Gewicht mit sich bringen.

Leistung satt: Der Elektrosportler Audi tritt mit 646 PS an, der Verbrenner im E 63 S lässt 612 Pferde von der Kurbelwelle traben.
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Elektromotor und Verbrenner strotzen vor Kraft
Ach ja: In diesen Akkus stecken zudem Kobaltkrümel und Lithiumbrocken aus chilenischen Salzwüsten und kongolesischen Höllenminen. Klingt irgendwie auch nicht gerade nach Technologie aus dem nächsten Jahrtausend. Und ganz nebenbei: Patentiert wurde der E-Motor übrigens bereits 1866 von einem Herrn Siemens – also elf Jahre bevor Herr Otto seinen Viertakter anmeldete. So, genug der frechen Überspitzungen – wir prüfen hier und heute nicht nach physikalischen und historischen Grundlagen, wir forschen nach Tempo, Charakter und Spaß. Dabei finden wir dann sehr schnell heraus: Letzteren gibt es im Audi auf eine selten kultivierte Art. Da ist zum einen diese Stille und diese Würde, mit der die Flunder lässig durch die Stadt kreuzt. Man sitzt tief und herrlich angeheftet an den weit unten liegenden Fahrzeugschwerpunkt, wischt sich entspannter Stimmung durch die Multimediamenüs und mag sich liebend gerne von der Eleganz des e-tron einlullen lassen.
Audi e-tron GT RS (2021): Test - Fahrbericht - Nachtfahrt - Elektro - PS
So fährt der neue Audi e-tron GT
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Anders gesagt: Man ertappt sich, wie man trotz der Monster-Leistung ganz lammfromm im Verkehr zwischen Twingos und Vespa-Rollern mitschwimmt. Dann ist da noch dieses irre Beschleunigen ohne Radau. Der Kick nach dem Kickdown, mit dem du dann deine Beifahrer erschreckst und auch deine eigenen Innereien durcheinandermixt. Ein e-tron-Audi zoomt ansatzlos vorwärts, unfassbar nachdrücklich, gleichförmig und unerbittlich.
Mit Overboost wird der RS e-tron GT zur Rakete
Wenn's sein muss, auch bis 250 km/h Spitze. Nur Elektroautos können so etwas. Erst recht, wenn RS dransteht. Denn bei ihm lässt Audi für einen entscheidenden kurzen Moment lang ein Maximum aus seiner Kupferseele – eine Overboost-Funktion haut dann 2,5 Sekunden lang die vollen 646 PS raus. Das reicht für einen Sprint in 3,3 Sekunden auf Tempo 100. Einzigartig! Wäre da nicht dieses (typische) Problem: E-Autos sind per se PS-inkontinent. Hitzestress und spezielle Akku-Sentimentalitäten lassen die Technik bald um eine Pause bitten.
Dauerleistung ist das Stichwort – also die Leistung, die der Wagen auch über einen längeren Zeitraum (30 Minuten ist hier die amtliche Vorgabe) wegsteckt. Beim RS e-tron sind das nur 193 PS. Die Diskrepanz bei den Leistungswerten, die im Vergleich zu einem konventionellen Tankvorgang ewig langen Ladepausen und natürlich die schnell schrumpfende Reichweite sind halt Elektro-Plagegeister, die nicht einmal ein 138.200 Euro teurer Audi verscheuchen kann.
Der E 63 S bietet das sinnlichere Fahrerlebnis
Ein mit mindestens 126.806 Euro auch nicht gerade günstiger E 63 weiß nix von Hitzestress, kümmert sich null um Ladesystematik und schert sich auch nicht um Peak-Angaben. So stehen die 612 PS des AMG nicht nur im Fahrzeugschein, sie kommen auch auf der Straße an. Immer. Man könnte annehmen, dass dicke Brocken seiner Kraft ständig in Rauchschwaden zwischen Asphalt und Reifen aufgehen. Doch der E 63 ist dank seines schlauen 4matic+-Allradantriebs in der Lage, Kräfte samtig fein zu portionieren, gleichzeitig hocheffektiv anzutraben. Auch bei ihm gilt letztlich: Gibst du Gas, verschwindet das Gros der anderen Autos im Zeitraffer aus dem Rückspiegel. 3,4 Sekunden setzt Mercedes für den Standard-Sprint auf 100 km/h an. Bei 300 km/h begrenzt die Motorelektronik die Wut der Vorwärtsbewegung. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Mercedes-AMG E 63 S in Fahrt: Es faucht, es brüllt, es grunzt, es vibriert, es schüttelt sich, es schüttelt dich, es zerrt und staucht.
Bild: Tom Salt / AUTO BILD
Der E 63 feiert sich dabei hemmungslos selbst. Und genau das ist der große Spaß. Es faucht, es brüllt, es grunzt, es vibriert, es schüttelt sich, es schüttelt dich, es zerrt und staucht. Der E 63 strotzt vor Kraft UND vor Charakter. Quasi nebenbei kann der AMG übrigens auch harmlos. Fahrmodus Comfort, Zylinderabschaltung aktiv, Fahrwerk weich und Lenkung leichtgängig – so konfiguriert, pirscht der Bolide geradezu geschmeidig durch die City. (Unterhaltskostenberechnen? Zum Kfz-Versicherungsvergleich)
Auch optisch überzeugt der Über-Benz
Geschmackssache, doch erwähnenswert: Dieser zum Bersten über die Radhäuser gespannte, mit Wings, Flaps und Lamellen gespickte Sportanzug lässt die gesamte Kraft eines E 63 schon optisch ausdünsten. Kurz gesagt: Gegen das Paket-Erlebnis eines E 63 S ist der elegante e-tron ein seelenloses Stück Metall. Wer ein winziges Tröpfchen Super Plus im Blut hat, wird den Mercedes vergöttern. Wer gerne als Pionier und Saubermann durch die Wohnsiedlung huscht, dürfte den e-tron anhimmeln. Übrigens: Auch Mercedes beherrscht mit dem E-Mobil EQS das Thema Elektro. Und auch Audi hat mit dem RS 6 einen wütenden Benziner aus der alten Welt im Programm. Nach Marke steht's dann wohl unentschieden. Nach Philosophie? Die Zukunft wird es zeigen …
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