Der Ort, an dem die aktuelle Mercedes C-Klasse auf einmal alt wirkt, liegt eine Stunde südlich von Hamburg und heißt Jeversen. Von der Autobahn ein paar Kilometer auf der B 214, vorbei an Lovemobils, neben denen eher eilig als sorgsam geparkte Vertreterlimousinen stehen. Scharf rechts, halb links, dann ein Stück geradeaus. Am Ende der Straße gleitet ein Schiebetor zur Seite. Willkommen im Contidrom. Natürlich geht es bei Autotests auch um Kofferraumvolumina, Anhängelasten, Garantien. All das bewerten wir. Aber wäre das alles, was Sie interessierte, könnten Sie sich Prospekte beim Händler holen und selbst vergleichen. Was bei Autos wirklich zählt, was die sehr guten von guten oder weniger guten unterscheidet, zeigt sich erst auf der Teststrecke.

Überblick: Alle News und Tests zum BMW 3er

BMW 3er
Neue Größe: Der BMW 3er ist gewachsen, bietet jetzt auch hinten ausreichend Platz.
Im Fall des Contidroms ist das unter anderem ein 3,8 Kilometer langer Handlingkurs. Und wer glaubt, es gebe bei den kompakten Premiumlimousinen keine großen Unterschiede bei Fahrverhalten, -dynamik und Handling, weiß es nach zwei Runden besser. Dazu gleich mehr. Der 3er hat einen Ruf zu verteidigen, gilt er doch seit 1975 als dynamischer Maßstab seiner Klasse. Seine zweite Generation (E30) kam im selben Jahr wie der erste Baby-Benz, der 190. Das ist 30 Jahre her, und während der Mercedes immer mehr nach Dynamik strebte, gab sich der BMW mit jeder Generation komfortabler. Auch das neue, intern F30 genannte Modell. In der Länge streckt es sich um 9,3 Zentimeter, im Radstand um fünf Zentimeter, was genügt, um aus dem 3er nun eine Limousine mit vollwertigem Raumangebot zu machen. Auf der bequem gepolsterten, gut konturierten Rückbank reisen Erwachsene nun mit ausreichend Knie- und Kopfraum. Dagegen beherbergt die C-Klasse Passagiere gedrängter auf der kurzen Bank mit zu stark geneigter Lehne. Pilot und Co kommen in beiden Autos bequem unter, wobei sie der BMW tiefer integriert als der Mercedes mit seiner hohen Sitzposition.

Überblick: Alle News und Test zur Mercedes C-Klasse

Mercedes C-Klasse
Unzureichend: Die C-Klasse darf wie der 3er nur knapp über 400 Kilogramm zuladen.
Bei der Bedienung übernimmt der 3er das aktuelle, aus 1er, 5er, 6er und 7er bekannte Cockpitlayout. Auch hier überzeugt es mit ausgeklügelter Ergonomie, guter Übersicht und der dem Mercedes-Comand-System weiter überlegenen iDrive-Logik. Ansonsten gelingt der Umgang mit dem C ebenso leicht. An Eigenheiten wie das Aktivieren der Assistenzsysteme über Lenkradtasten gewöhnt man sich schnell. Noch kurz ein Blick in die Kofferräume und ein irritiertes Augenbrauenzucken wegen der in beiden Fällen unzureichenden Zuladung: Knapp über 400 Kilo sind für Reiselimousinen zu wenig. So, jetzt aber auf die Strecke. Wie alle BMW mit Efficient-Dynamics-Ausrüstung hat der 320d eine Servolenkung mit bedarfsgerechter Elektropumpe. Sie schaltet sich nur zu, wenn der Fahrer lenkt, und das dauert etwa nach einer langen Autobahngeraden einen kurzen, irritierenden Moment. Auf der Landstraße, oder eben wie jetzt auf dem Handlingkurs, schaltet sich die Pumpe erst gar nicht ab. Dann führt die Lenkung den 3er hochpräzise, direkt und mit viel Rückmeldung um Kurven. Selbst wenn die Adaptivdämpfer (1100 Euro extra) im Comfort-Modus arbeiten, lässt die Limousine dabei das Schunkeln sein.
In den Programmen Sport und Sport+ steigert sich die Querdynamik weiter. Auf Wunsch gibt es ein wenig Heckzucken – ab Sport lässt das brillant abgestimmte, mehrstufig abschaltbare ESP etwas agilitätsförderndes Übersteuern zu. Es will aber provoziert sein, sonst nähert sich der 3er sehr neutral seinem hohen Grenzbereich. Und genau hier zeigt sich nun, dass der Mercedes eben doch eine ganze Generation zurück ist. Für sich betrachtet, überzeugt sein Fahrverhalten mit hoher Sicherheit. Doch im Vergleich mit dem agilen, direkten, fahrfreudigen 3er offenbart sich, wie deutlich die träge und wenig präzise, dafür aber verreißsichere Parameter-Servolenkung (238 Euro extra), das rigide ESP und das deutliche Untersteuern den Fahrfluss hemmen. So zählt die C-Klasse zu den fahrsichersten Autos überhaupt, der 3er zeigt aber, wie viel mehr Agilität geht, ohne den Komfort zu vernachlässigen.

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BMW 3er Mercedes C-Klasse
Klare Sache: Wenn's um Fahrdynamik geht, ist der BMW 3er der C-Klasse überlegen.
Er erweist sich als der größte Fortschritt des 3ers. Trotz 18-Zoll-Runflats rollt er komfortabel ab, federt kurze wie lange Wellen beflissen weg. Dass er nur ebenso hoch punktet wie die herber abrollende C-Klasse, liegt daran, dass der 3er beladen weniger Reserven hat. Mit vier Erwachsenen an Bord schlägt die Federung bei groben Unebenheiten spürbarer durch. Das sichert der C-Klasse den Kapitelsieg – den einzigen. Denn beim Antrieb deklassiert der BMW den Mercedes. Mercedes' Biturbo-Diesel OM 651 zählte nie zu den besonders kultivierten, drehfreudigen oder energischen – ganz im Gegensatz zu BMWs Zweiliter-Diesel. Der zieht druckvoller durch, beschleunigt den 136 kg leichteren 3er eiliger, verbraucht mit 5,4 l/100 km einen ganzen Liter weniger und kooperiert perfekt mit der Achtstufenautomatik. Als Sportautomatik (2430 Euro) schaltet sie noch schneller und bringt Schaltpaddel fürs Lenkrad mit. Wobei acht Stufen zu viel sind, um selbst durch die Gänge zu flippern. Zudem schaltet der Automat so treffsicher, weich und schnell, dass sich jede Einmischung erübrigt.
Während die BMW-Automatik Sport und Komfort gleichermaßen beherrscht, liegt die Kompetenz der 7G-tronic des Mercedes bei Gelassenheit, sie schaltet weich und ohne Hektik durch ihre sieben Stufen. Wählt der Fahrer über den Wählhebel die Gänge selbst, prüft das Getriebe diesen Wunsch kritisch und kommt ihm nur verzögert nach. Sie finden, all das sind nur Kleinigkeiten? Eben nicht. Zwar zählen der C 220 CDI wie der 320d zu den besten Autos ihrer Klasse. Aber das ist eben eine Klasse, in der Details den Ausschlag geben. Solange besser möglich ist, ist gut nicht gut genug. Und um wie viel besser der 3er im Vergleich zur guten C-Klasse ist, zeigt kein Prospekt – nur ein Test. Und damit zurück nach Hamburg.Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen gibt es als Download im Heftarchiv.

Fazit

von

Sebastian Renz
Übergehen wir die Erkenntnis, der 3er sei nun ein kleiner 5er. Stimmt, heißt es aber bei jeder Generation. Der 3er ist mehr, nämlich wieder mal der beste 3er, den es je gab. Er bietet jetzt mehr Platz, vernachlässigt dabei nicht die Sportlichkeit. Der C-Klasse merkt man an, dass sie dem BMW nun eine Generation hinterher ist. Im Komfort mag sie noch etwas besser sein, bei Platzangebot, Handling und Antrieb muss die nächste Generation zulegen.

Von

Sebastian Renz