Der neue Mégane gegen sieben Kompakte
Überflieger Renault?

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Französische Revolution in der Kompakt-Klasse: Die zweite Auflage des Mégane beeindruckt mit frechen Formen – reicht das aber auch für Golf & Co?
"Art und Länge des Abgangs gehören beim Wein zu den wichtigsten Merkmalen bei der Qualitätsbeurteilung." Legen wir diese Winzer-Wertung für die Tiefe des hinterlassenen Eindrucks einfach mal auch für Autos zugrunde, müsste der neue Renault Mégane etwa das Ranking eines Château-Lafite Rothschild Jahrgang 1953 erreichen. Denn sowohl der edle Rote aus dem Medoc als auch das mutig modellierte Heck des gallischen Golf-Gegners brennen sich nachhaltig in unsere Sinne.
Mehr als nur Geschmacks-Unterschiede

Einheitlich treten die acht Volks-Wagen mit vier Türen, vier Zylindern und 1,6 Liter Hubraum an. Genau so erfreuen sich die praktischen Familienkutschen nämlich der größten Beliebtheit. Was die Hersteller auf gut sieben Quadratmetern letztendlich aber servieren, offenbart doch mehr als nur Geschmacks-Unterschiede.
Plüschig, fein oder einfach eingerichtet
Freundliches Comic-Gesicht, hinreißender Hintern und eine verdammt breite Spur von mehr als 1,5 Metern – der Auftritt des Mégane II beweist jede Menge Selbstbewusstsein. Innen muss den Franzosen der Mut dann allerdings ausgegangen sein. Das Cockpit wirkt funktional fehlerfrei, verblasst aber gegenüber der Extravaganz der äußeren Hülle. Einfach nur Zündschlüssel durch Chipkarte und Drehen durch Drücken ersetzen lässt jedenfalls wenig Finesse erkennen. Die verrät ab Werk erst die Topausstattung Luxe, bei der die Karte zum Fahren nicht mal aus der Hosentasche genommen werden muss.
Im Vergleich zum plüschigen 307 und dem feinen Golf – sagen wir es mit französischer Leichtigkeit – wirkt der Mégane außerdem eher einfach eingerichtet. Selbst der nach dem verpatzten Serienanlauf nachgebesserte Stilo, der markante Focus und der betagte Astra erwecken bei den Materialien einen hochwertigeren Eindruck.
Doch dafür erweist sich der Mégane mit angenehm festen Polstern und vernünftiger Raumaufteilung als echter Familienfreund. Auch wenn das Maßnehmen dem Franzosen vorn die kuscheligste Kabine bescheinigt, kneift hier nichts. Vor allem findet sich aber locker eine vernünftige Sitzposition, weil das höhen- und längs verstellbare Lenkrad nicht mehr so flach steht wie beim Vorgänger. Hier sollten sich vor allem die Japaner, bei denen das Steuer nur auf und ab kippt, ein Beispiel nehmen. Im Corolla klebt das Lenkrad derart dicht am Armaturenträger, als müsse dahinter unbedingt Platz für beleibte Sumoringer bleiben.
Keckes Mégane-Heck eine Mogelpackung
Im Rückraum des Renault lassen sich die Glieder entspannt strecken und gemütlich eine Weinprobe durchführen. Nur der Stilo, der seinen Fahrer allerdings mit einer seltsam nach hinten gebogenen Rückenlehne quält, erlaubt dank verschiebbarer Rückbank 290 Euro) noch lässigere Lümmelei. Von solcher Großzügigkeit kann vor allem in Golf und Astra keine Rede sein. Im Gegenteil, die beiden Deutschen degradieren die zweite Reihe fahrlässig zur Strafbank, auf der am besten nur Kinder reisen. Wie bei fast allen Kandidaten lassen sich deren Sitze per Isofix (nicht bei Ford; Opel 20 Euro extra) perfekt sichern, einzig der Mégane bietet die hilfreichen Haken auch vorn an.
Weniger Weitsicht beweisen die Renault-Raumgestalter beim Kofferraum. Hinter der imposant gewölbten Heck-Kanzel lauern gerade mal 330 Liter Gepäckraum, den mit Wein zu füllen wegen des weit vorragenden Stoßfängers und der mit 85 Zentimetern schmalsten Ladeluke kein Spaß ist. Mon dieu, für das gleiche bescheidene Ladevolumen schelten wir den Golf schon seit fünf Jahren, nur der Corolla beweist noch weniger Koffer-Kapazität.
Die Sicherheits-Crew von Renault gehört zusammen mit den Erste-Hilfe-Teams von Fiat und Peugeot dagegen zu den besten in der Kompaktklasse. Acht Airbags, ESP (bei Renault das neue ESP 8 von Bosch mit Untersteuer-Kontrolle), ABS mit Bremsassistent – alles serienmäßig. Als Besonderheit verpasst Renault dem fünftürigen Mégane vorn außerdem doppelte Gurtstraffer und -kraftbegrenzer, die das Durchtauchen unter dem Gurt (Submarining) wirksam verhindern.
Erster Kompakter mit fünf NCAP-Sternen

Dagegen wirken die Basismodelle von Ford (inzwischen mit zweistufig auslösenden Frontairbags und Kopf-/Schulter-Airbags vorn), Honda und Opel irgendwie nachlässig nackt, bieten viele Sicherheits-Systeme gar nicht oder nur gegen Aufpreis. So vermittelt der straffe Focus zwar den größten Fahrspaß, leistet sich am Limit wie Astra und Civic aber ein Heck, das ohne ESP gern mal aus der Reihe tanzt wie wir nach der Weinprobe. Ausgerechnet die Franzosen, sonst eher für watteweich wogende Fahrwerke bekannt, glänzen beim Fahrverhalten mit souveräner Sicherheit – selbst Altmeister Golf erreicht wegen seiner starken Wankneigung nicht ganz die gallische Güte.
Die Vorteile der weich gespülten Federung demonstriert VW dann auf den Komfortbahnen des Contidroms. Keiner schluckt selbst fiese Fugen klagloser, nur lange Wellen lassen den Golf bedächtig nachschwingen. Da können selbst der ähnlich abgestimmte, insgesamt aber etwas härter anschlagende Mégane und der gekonnt zwischen Sport und Komfort vermittelnde Focus nicht ganz mithalten.
Der Stilo genehmigt sich den meisten Sprit
Gleiches gilt für den 307, den laute Poltergeräusche sowie die fehlende Geschmeidigkeit auf Querfugen zurückwerfen. Unglücklich bis unharmonisch abgestimmt, vermitteln Astra, Stilo und Civic eher durchschnittlichen Fahrkomfort, wirklich schlimm stoßen die Marterstrecken aber erst im Corolla auf. Die sportlich straffe Dämpfung mit unangenehm harter Druckstufe lässt den kompakten Japaner fast auf allen Straßenbelägen zickig zucken, Absätze in der Fahrbahn schlagen (nicht nur) auf den Magen.
Spritzig wie Champagner mundet der Corolla dagegen beim Antrieb – genauso wie der Civic. Beide 110 PS stark, sprinten sie in kaum mehr als zehn Sekunden auf Tempo 100, versprühen eine gewisse Drehfreude und geben so den anderen das Nachsehen. Der Honda weiß zudem mit gutem Durchzug zu begeistern. Eine Ursache: Die Asiaten achten offensichtich nicht nur auf ihr eigenes, sondern auch auf das Gewicht ihrer Autos. Weniger als Corolla und Civic bringt kein Testteilnehmer auf die Waage.
Übergewichtig wie ein italienischer Pizzabäcker, der sich ausschließlich von Vino rosso und Lasagne ernährt, tritt dagegen der Stilo auf. Stramme 1360 Kilo wuchtet der stämmige Fiat auf die Straße. Kein Wunder, dass der 103 PS starke Motor zäh und zugeschnürt wirkt, eigentlich nie so richtig in Fahrt kommt. Und sich einem guten Tropfen nie abgeneigt zeigt: 9,6 Liter Super auf 100 Kilometer markieren die Durst-Obergrenze in diesem Vergleich.
Die Fahrleistungen und Preise
Mit reichlich Pfunden schlägt sich zwar auch der Mégane herum (1295 Kilo), seine 113 PS lassen ihn dennoch ausreichend agil und aufgeweckt durchs Revier streifen. Zugegeben: Angesichts der ansehnlichen Leistung, die noch vor 20 Jahren für heiße Feger wie den R 5 GT Turbo (115 PS) reichte, hatten wir eigentlich mehr erwartet. Dennoch enttäuscht der Vierventiler mit der verstellbaren Einlassnockenwelle keineswegs: Er hält stets Sichtkontakt zu den quirligen Japanern und kann dem Rest des Feldes sein feistes Hinterteil zeigen. Spanisch wie ein Rioja kam uns aber das Motorruckeln bei plötzlichen Lastwechseln vor – da beweist die Elektronik im Umgang mit Gaspedal und Drosselklappe offensichtlich wenig Feingefühl.
Unauffällig gefällig wie ein Tafelwein gehen Golf und 307 ins Rennen. Allemal ausreichende Fahrleistungen verbindet der Peugeot (109 PS) mit kräftigem Durchzug und manierlicher Laufruhe. Etwas rauer und behäbiger beim Überholen, traben die 105 PS des VW brav nebenher. Mit den schwächsten Motoren im Test müssen Astra, Focus und Stilo das Feld beim Start erst mal ziehen lassen. Doch während der 101 PS starke Opel beim Zwischenspurt Boden gutmacht, hängen der gleich starke Ford und der Fiat (103 PS) mit viel zu langem fünftem Gang tranig hinterher.
An der Kasse fahren die drei zusammen mit dem Mégane allerdings ganz nach vorn. Mit 15.745 Euro bleibt beim Astra locker noch Geld für ein paar Flaschen guten Wein, bei Golf (17.290 Euro) und Civic (18.080 Euro) reicht es wohl nur noch zum Piccolo. Und obwohl die üppige Rechnung für den Honda sicher den tiefsten Eindruck hinterlässt, gilt dies anders als beim Rebensaft nur bedingt als Qualitätsmerkmal.
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