Frische Luft auf der IAA

Wer kein Dach über dem Kopf hat, ist entweder obdachlos oder Cabrio-Fahrer. Doch während die einen versuchen, daran möglichst schnell etwas zu ändern, sehen die anderen darin die Erfüllung eines Traums.

Cabrio-Fans schwärmen von Freiheit, Individualität und Abenteuer und sind bereit, dafür auch happige Aufpreise zu bezahlen. Eigentlich eine perfekte Zielgruppe, wenn auch in letzter Zeit von den Autoherstellern etwas vernachlässigt. Zumindest bezogen auf kompakte viersitzige Cabrios, ist damit jetzt Schluß.

Mit Volkswagen, Volvo, Opel und Ford machen sich gleich vier große Hersteller auf, das Herz der Oben-ohne-Fraktion zu erobern. Zum ersten Mal treffen VW Cabrio, Opel Astra TwinTop und Volvo C70 Cabrio bei der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt aufeinander. Auf den offenen Focus müssen wir leider noch etwas länger warten.

Volvo C70 mit Metall-Klappdach

Die ersten offiziellen Bilder kommen von Volvo. Die Schweden, eingebettet in den Ford-Konzern, setzen beim neuen C70 Cabrio auf ein Metall-Klappdach. Das ist schick, liegt im Trend und macht das Cabrio bei schlechtem Wetter ruck, zuck zum vollwertigen Coupé. Neu sind auch die Verwandtschaftsverhältnisse. Das C70 Cabrio basiert aus Kostengründen jetzt auf dem S40 und ist damit eng mit dem Ford Focus verbunden. Das setzt bei den Abmessungen enge Grenzen. Dennoch verspricht Volvo, daß das neue Cabrio "in etwa die gleiche Größe hat" wie sein Vorgänger (Länge: 4,72 Meter). Unter der Karosserie im typischen Volvo-Look kommen durchweg potente Triebwerke zum Einsatz.

Zum Start in die Cabrio-Saison 2006 sind nur Fünfzylinder-Benziner verfügbar. Neben der 2,4-Liter-Maschine (140 und 170 PS) dürfen sich die Fans der Nordlichter vor allem auf den T5 mit 2,5 Liter Hubraum und 220 PS freuen. Auf der Diesel-Seite wird sich das Angebot auf den 2.0D mit 136 PS beschränken, der zu einem späteren Zeitpunkt nachgeschoben wird.

Wie immer haben die Volvo-Entwickler großen Wert auf das Thema Sicherheit gelegt. So gibt es für das C70 Cabrio einen Kopf-Schulter-Airbag, der in der Tür untergebracht ist und sich nach oben öffnet. Die eingeschränkte Kopffreiheit auf den hinteren Sitzplätzen – bisher ein Problem bei viersitzigen Klappdach-Cabrios – will Volvo mit einer dreiteiligen Dachkonstruktion gelöst haben. Entwickelt wurde die filigrane Blechmütze von Pininfarina, gebaut wird das Cabrio aber im schwedischen Uddevalla.

Pininfarina-Focus und unechtes Golf-Cabrio

Die Rolle des Ford Focus als Genspender für das C70 Cabrio ist umgekehrt natürlich auch für Ford interessant. Das neue Volvo-Dach paßt auch auf den Focus und verhilft den Kölnern so zum ersten Coupé-Cabrio der Firmengeschichte. Gebaut wird der offene Focus direkt bei Pininfarina in Turin. Mit Blick auf die skandinavischen Familienmitglieder darf der Frischluft-Focus allerdings erst Ende 2006 von der Kette. Der Premium-Anspruch bleibt für den Ford tabu. Statt der Fünfzylinder-Motoren kommen zunächst die bewährten Vierzylinder-Benziner zum Einsatz (100, 115 und 145 PS). Dafür wird der Focus von Beginn an mit zwei Dieselmotoren (109 und 136 PS) zu bekommen sein.

Nicht ganz so rücksichtsvoll werden VW und Opel im Kampf um die Cabrio-Gemeinde miteinander umgehen. VWs offene IAA-Premiere gehört zwar aufgrund seiner Größe offiziell nicht mehr zur Golf-Familie, soll aber natürlich unter anderem deren Zielgruppe ansprechen. Die Wolfsburger versprechen ausreichend Platz für vier Erwachsene und haben sich obendrein das wahrscheinlich aufwendigste Klappdach einfallen lassen. Es bleibt beim Öffnen und Schließen, wie alle anderen Konkurrenten auch, locker unter der 30-Sekunden-Marke und besteht sogar aus fünf Segmenten. Besonderes Highlight ist dabei das integrierte Schiebedach, das es gegen Aufpreis auch aus Glas geben wird.

Fünf Motoren haben die Wolfsburger für das verkappte Golf-Cabrio vorgesehen. Neben drei Vierzylinder-Benzinern (115, 150 und 200 PS) darf auch der 140 PS starke Zweiliter TDI unter die Haube. Etwas später kann dann auch der VR6 (250 PS) aus dem neuen Golf R32 bestellt werden. Geschaltet wird, je nach Lust und Geldbeutel, entweder manuell, sequentiell (DSG) oder automatisch. Die Vielfalt hat ihren Preis: Unter 30.000 Euro dürfte das VW Cabrio kaum zu haben sein.

Viel Platz im Astra TwinTop

30.000 Euro für das VW Cabrio – das ist eine Summe, die man in Rüsselsheim mit Sicherheit unterbieten wird. Vor allem dann, wenn das neue Astra Cabrio statt mit 170 oder 200 Turbo-PS von den 105 PS des Basis-Motors (1,6 Liter Hubraum) angetrieben wird. Zum Start Anfang 2006 werden allerdings nur die starken Turbo-Motoren erhältlich sein. Im Spätsommer 2006 folgen dann drei Diesel (100, 120 und 150 PS) sowie die Einstiegs-Benziner.

Neben komfortablen Platzverhältnissen für maximal vier Passagiere haben die Rüsselsheimer bei der Entwicklung des Open-Air-Astra vor allem viel Wert auf einen alltagstauglichen Kofferraum gelegt. Der soll auch bei geöffnetem Dach groß genug für das kleine Urlaubsgepäck sein.

Deshalb haben sich die Opel-Strategen für einen dreiteiligen Metalldeckel des Zulieferers CTS (gehört zu Porsche) entschieden, der zumindest optisch der Pininfarina-Entwicklung ähnelt. Allerdings soll sich das Opel-Dach deutlich platzsparender zusammenfalten.

A3 mit Klassiker-Stoffmütze

Alle deutschen Autobauer setzen auf Metall-Klappdächer? Von wegen! Gleich zwei bayerische Autobauer stellen sich dem Zeitgeist entgegen und setzen auf traditionelle Werte. Prominentester Neuzugang im Kreise der Stoffmützenträger ist zweifelsohne das Audi A3 Cabrio. Es dürfte zwar erst Ende 2007 bei den Audi-Händlern auftauchen, sorgt aber schon jetzt für Gesprächsstoff. Vor allem, weil die auf Sportlichkeit bedachten Ingolstädter von einem schweren und aufwendigen Metall-Klappdach nichts wissen wollen. Sie setzen auf Stoff und die äußeren Reize des enthaupteten A3.

Der soll sich optisch von seinen Familienmitgliedern deutlich unterscheiden. Denkbar ist dabei eine neue Form des gerade etablierten Plaketten-Grills. Auf den Kopf gestellt, erinnert der XXL-Schlund noch stärker an die Auto-Union-Rennwagen vergangener Tage und hebt sich vom übrigen Modellprogramm ab. Aktuell geht man von fünf Motoren aus, die zum A3 Cabrio passen würden: drei neue Benzin-Direkteinspritzer (FSI, 115 bis 240 PS) mit Turbo-Aufladung, der überarbeitete VR6 mit dann 280 PS sowie ein leistungsgesteigerter 2.0 TDI mit 160 PS.

Den Ingolstädtern in die Karten spielt dabei die unklare Cabrio-Zukunft bei Konkurrent Mercedes. Die Schwaben haben zwar ab 2007 mit der neuen C-Klasse eine sehr variable Plattform, wissen aber noch nicht so recht, in welche Richtung die C-Familie wachsen soll. Ein bislang favorisierter Sportkombi mit Coupé-Genen (CLT) scheint inzwischen vom Tisch – und damit auch das von ihm abgeleitete sportliche Stoffdach-Cabrio im A3-Format. So wird aus dem geplanten Dreikampf ein Duell.

Spartanisch-sportliches BMW 1er Cabrio

Schärfster Widersacher des Audi: das zukünftige 1er Cabrio von BMW. Auch die Münchner wollen mit Blick auf Kostenstrukturen und Sportlichkeit zumindest beim 1er sowenig Metall wie möglich verbauen. Die Stoffmütze ist beschlossene Sache und soll das Cabrio ab Anfang 2008 zieren. Als Basis dient dabei das für den US-Markt wichtige 1er-Stufenheck, das zeitgleich mit dem Cabrio auf den Markt kommen wird.

Als Gegenstück zum deutlich komfortableren nächsten 3er Cabrio setzen die BMW-Strategen beim luftigen 1er ganz auf pure Offenheit. Wer hinten sitzt, ist selber schuld, ausreichend Platz gibt’s nur für Fahrer und Beifahrer. Beim Basismodell werden die Münchner sogar auf ein elektrisches Verdeck verzichten. Wer ein Dach überm Kopf will, muß selbst Hand anlegen. Öffnen und Schließen auf Knopfdruck gibt es gegen Aufpreis und für die stärkeren Motoren. Da jedoch müssen BMW-Fans keine Einschränkungen befürchten. Neben mehr oder weniger vernünftigen Benzin- (115 bis 258 PS) und Dieselmotoren (163 bis 231 PS) hat BMW im Sommer 2009 mit dem M1 das wohl heißeste Cabrio der Saison im Köcher. Aufgebrezelt mit dem 343 PS starken Sechszylinder aus dem M3, sollte dieser Münchner jeden Cabrio-Fan zum Offenbarungs-Eid bewegen können.

Fazit von AUTOMOBIL TESTS-Redakteur Jochen Knecht Oben ohne ist zeitlos – am Strand und auf der Straße. Die Klappdach-Cabrios sind bei Frischluft-Veteranen verpönt, erschließen den Herstellern aber eine solvente Zielgruppe. Das wachsende Angebot wird aber die Preise drücken und einige Hersteller in Schwierigkeiten bringen.

Von

Jochen Knecht