Von den orthodoxen Fahrern "richtiger" Geländewagen wird auch heute noch gern alles, was nicht mindestens eine Starrachse und ein Verteilergetriebe mit Geländeuntersetzung hat, als "aufgebockter Pkw" oder "Möchtegern-Offroader" verachtet. Egal ob X-Trail, Tiguan oder RAV4: Allein die Verwendung von Pkw-Baugruppen ist dem in der Wolle Gefärbten Beweis genug, dass so was ja wohl im Gelände nicht weit kommt und dort daher nichts verloren hat. Allenfalls einem Grand Vitara trauen diese Traditionalisten ein bisschen was zu; der hat immerhin einen vollwertigen Allradantrieb mit Reduktion und Zentralsperre. Und vielleicht noch dem Freelander – denn der kommt wenigstens aus einem Stall, in dem es nicht nach City-Smog, sondern nach Waldweg duftet. In den erlauchten Kreis dieser Ausnahmeerscheinungen im Reigen der neuen, kompakten SUV-Mittelklasse strebt auch Mercedes.

Der Name des GLK soll Assoziationen zum G-Modell wecken

Das zeigt schon die Namensgebung: GLK heißt der Neue; nicht etwa MLK - was man als kleine M-Klasse verstehen könnte. Nein: GLK – was an den großen, kantigen GL erinnert, aber auch die Brücke zum legendären G-Modell schlagen soll – seit fast drei Jahrzehnten Messlatte für exzellente Geländefähigkeiten. Dazu passt auch das bisweilen kontrovers diskutierte, aber auf jeden Fall eigenständige Styling: Den üblichen, windkanalflutschigen Hübschlingen mit ihren ausufernden Langnasen setzt der GLK eine knackig kurze Front, kantige Gesichtszüge und eine recht steile Scheibe entgegen. Ob’s gefällt oder nicht – es fällt zumindest auf: Als Hecht im Karpfenteich, als würde man in ein Depot männlicher Schaufensterpuppen, die alle aussehen wie Johnny Depp, einen jungen John Wayne stellen. Freilich nicht so markant wie ein Jeep Cherokee oder Dodge Nitro; aber doch nicht betont massengeschmackskompatibel wie VW Tiguan oder Audi Q5.

Ein aufwendiger Allradantrieb macht den Benz fit fürs Gelände

Mercedes-Benz GLK 350
Um sich angesichts dieses selbstbewussten Auftritts nicht dem Vorwurf der Mogelpackung auszusetzen, hat sich Mercedes viel Mühe mit der Geländetauglichkeit des GLK gegeben. All seinen klassengleichen Konkurrenten – lässt man einmal den Suzuki Grand Vitara außen vor – hat der GLK den echten permanenten Allradantrieb mit Zentraldifferenzial voraus. Zum Einsatz kommt dabei die neue 4matic der Mercedes-Allrad-Pkw – nicht zu verwechseln mit dem exakt gleich getauften Antriebssystem der Mercedes-SUV. Das System basiert auf dem Mercedes-Hecktriebler-Anriebsblock mit Siebenstufenautomatik; daran schließt ein bemerkenswert kompaktes Verteilergetriebe mit Planetenrad-Zentraldifferenzial an, das ohne Vorspannung oder Hilfskräfte eine echt permanente, leicht hecklastige Kraftverteilung zu den beiden Achsen erlaubt. Bei Traktionsverlust an einem oder mehreren Rädern tritt das Schlupfregelsystem mit Bremseneingriff auf den Plan. Nur bei extrem glattem Untergrund – etwa Eis oder seifigem Lehmboden – wird die Elektronik von einem konstruktiv schlichten, aber funktional höchst pfiffigen Bauteil unterstützt: einer parallel zum Mittendifferenzial geschalteten, mechanisch fest auf 50 Nm Drehmoment vorgespannten Lamellenkupplung. Die beugt plan- und zwecklosem Aktionismus des Traktionssystems vor, wenn in Wahrheit keines der Räder so richtig Kraft auf den Boden bringen kann.
Genau bei diesen kritischen Situationen, die andere Allradsysteme ohne mechanische Sperren an ihre Grenzen bringen, überzeugt denn der GLK auch besonders. Es ist geradezu ein Genuss, beispielsweise mit ganz wenig Gas, aber von Anfang an optimaler Kraftverteilung an einer seitlich hängenden, schmierig glatten Steigung anzufahren: Man kommt nämlich weg - während Autos mit "angehängtem" Allrad in diesen Fällen zum seitlichen Abschmieren der primär getriebenen Achse neigen. Ein Teil der Geschmeidigkeit geht freilich auch aufs Konto des spontan reagierenden Motors, der speziell bei aktivem Geländefahrprogramm vorbildlich feinfühlig dosierbar ist: So schön kann das eben nur ein Saugbenziner. Ebenfalls überzeugend: das Agieren der Schlupfregelung in Grenzsituationen. Es verblüfft, welche Fortschritte hier die Regelgüte gemacht hat. An das unbeholfene Geruckel, mit dem beispielsweise die erste M-Klasse – vor über 11 Jahren Pionier in Sachen sperrenlosem Antriebssystem – rutschige Anstiege hinaufhüpfte, denkt man angesichts der Geschmeidigkeit, mit der das Traktionssystem des GLK diese Aufgabe erledigt, zurück wie an Großvaters kaum noch glaubhafte Storys aus längst vergangenen Tagen.

Den GLK gibt es ausschließlich mit Automatikgetriebe

Mercedes-Benz GLK 350
Das Traktionssystem regelt geradezu gefühlvoll und lässt so speziell in kritischen Situationen den Reifen länger eine Chance, das eingeleitete Drehmoment über ihre Haftreibung in Vortrieb umzuwandeln. Deutlich spürbar ist dabei freilich auch, dass auch dieses System im Grenzfall erst einmal den Großteil der eingeleiteten Antriebsenergie zur Erhitzung der Bremsen einsetzt: An sehr steilen Anstiegen muss man das Fahrpedal stur am unteren Anschlag halten, damit noch genug Kraft für den Vortrieb übrig bleibt. Dann freilich erklimmt man auch Hänge, die man auf den ersten Blick als unüberwindbar für ein untersetzungsloses Auto einschätzen würde. Von daher ist es auch einleuchtend, dass Mercedes den GLK stets nur mit Automatik ausliefert: Da hilft die Drehmomentverstärkung des Wandlers über den Berg, wenn’s hart auf hart kommt. Und damit bleibt der GLK auch in grenzwertigen Situationen mobil; auch talwärts, wo die wirksam und dosiert agierende, in mehreren Stufen einstellbare Bergabfahrregelung als ordentlicher Ersatz für die Motorbremswirkung eines Geländewagens mit Untersetzung durchgeht.
Einmal kamen wir mit dem GLK aber trotzdem nicht mehr weiter: Einen etwa 60 Prozent steilen Anstieg in einer engen Schlucht – oder war es ein Bachbett? – schaffte er nicht: Die Reifen fanden auf den lehmverschmierten Felsen keinen Halt, zudem hielt eine von sintflutartigen Regenfällen freigespülte Wurzel ein Vorderrad gefangen wie eine Fußangel. Und beim Felsenklettern auf einem kahlen Bergrücken konnte der GLK seinem Urahn G nur noch mit Mühe folgen: Wenn jeder Zentimeter Bodenfreiheit und jedes einzelne Grad Böschungs- und Rampenwinkel zählen, rangiert so ein modernes SUV eben doch in einer anderen Liga als das Grazer Urgestein.

Von

Thomas Rönnberg