Kollege Diether Rodatz formulierte im Fahrbericht zum neuen Tiida: "Der Nissan passt zu allen Gelegenheiten, weckt aber keine Emotionen." Tja, so ist das: Der neue Nissan spielt in der Golf-Liga – vielleicht braucht's da gar kein großes (Ball-)Gefühl. Sachliche Argumente sind gefragt. Kompakte Fünftürer sollen geräumig, variabel und vielseitig sein. Außerdem wenig kosten, schön unauffällig den Fairway des Alltags abschreiten. So wie es der vernünftige VW seit Jahrzehnten vormacht. Und damit die ganze Klasse prägt. Also: Der Golf ist Maßstab – auch ohne emotionale Note. Der brandneue Konkurrent von Nissan soll dem Turnierkönig als Pragmatiker gegenübertreten. Und der Welt zeigen, wo seine inneren Qualitäten liegen. Laut Nissan schwingt er ein langes Eisen. Genauer: Mit gut 4,30 Meter Länge spielt er im oberen Bereich der Kompaktklasse. Bei einem Radstand von 2,60 Meter sollen von diesen üppigen Dimensionen besonders die Fondpassagiere profitieren. Außerdem prahlt der Nissan mit besonderer Variabilität. Aber dazu später mehr. Wir bitten noch einen weiteren, in dieser Klasse bewährten Kandidaten zum Vergleich – den günstigen Kia cee'd. Der konnte in früheren Tests bereits seine Platzreife beweisen.

Kosten/Ausstattungen: Unterm Strich sind die Asiaten nicht günstiger

Bei VW gibt es für 18.350 Euro einen Golf 1.6 mit fünf Türen, 102 PS und einer ansehnlichen Sicherheitsausstattung inklusive ESP und sechs Airbags. Für satte 2420 Euro weniger hält Kia mit 122 PS dagegen, legt beim cee'd 1.6 sogar noch deutlich mehr Komfort-Extras (zum Beispiel CD-Radio und Lordosenstützen) obendrauf. Und Nissan? Der Tiida 1.6 kostet mit 15.990 Euro nur den Gegenwert einer Tankfüllung mehr als der cee'd – bei einer ähnlich umfangreichen Ausstattung. Selbst elektrische Fensterheber hinten sind an Bord. Zum Kia fehlt dem Nissan allerdings das CD-Radio. Wer mehr will, muss bei Nissan und Kia höhere Ausstattungslinien wählen. Und das wird gleich teurer. Beispiele sind unsere Testwagen: Als EX (cee'd) und Acenta (Tiida) klettern sie locker über die 18.000-Euro-Marke – und rücken so auf Golf-Niveau.
Auf Augenhöhe: Unterm Strich ist der Golf nicht teurer als die Asiaten.
Auf Augenhöhe: Unterm Strich ist der Golf nicht teurer als die Asiaten.
Nicht auf den Cent genau zu berechnen – aber Gold wert – ist das umfangreiche Garantie-Paket des Kia. Die Koreaner vertrauen ihrem cee'd bis zur letzten Schraube, geben satte fünf Jahre Garantie auf das Auto. Bei Motor und Co legt Kia sogar noch zwei Jahre drauf. Dagegen wirken die 24 Monate des Golf erbärmlich. Nissan steht mittendrin, kümmert sich immerhin drei Jahre lang um eventuelle Probleme mit der Tiida-Technik. Alle Golf-Spieler liefern mit ihren 1,6-Liter-Benzinern solide Hausmannskost. Direkteinspritzung? Downsizing? Ist nicht. Ebenso wenig wie niedrige Verbrauchswerte. Unter sieben Liter im Schnitt geht leider nichts, das macht das Trio für Vielfahrer teuer. Der Golf kompensiert seinen Mehrverbrauch gegenüber Kia cee'd und Nissan Tiida immerhin über eine niedrige Haftpflichteinstufung.

Dem Nissan fehlt Innenbreite

Der Nissan verfügt über eine zweigeteilte, zehnfach in Lehnenneigung verstellbare und um 24 Zentimeter verschiebbare Rückbank. Klingt toll, oder? Mehr Variabilität gibt es in dieser Preisklasse wohl nirgends. Also klarer Funktions-Vorteil für den Tiida? Nicht ganz. Denn tatsächlich ist der Trick mit der Multi-Rückbank ein wenig geschummelt. Ganz flach legen lässt sie sich nämlich nicht. Nur die Lehnen fallen nach vorn – danach blockiert ein sperriges Monstrum in der Größe eines Kinderbetts den Kofferraum. Dazu kommt: Die beiden Lehnenteile sind arg labil arretiert, auf schlechten Straßen zittert und knistert die Rückbank lautstark vor sich hin. Ach ja: Die versprochenen 24 Zentimeter Verstellbereich sind gemogelt – wir haben nur 20 Zentimeter gemessen. Unspektakulär, aber ehrlich verwandelt sich der Golf. Die Fondlehne klappt nach vorn – das war's. Um den Kofferraum auf die Schnelle zu erweitern, reicht die bewährte Lösung aus.
So soll's sein: Klapptechnik und Platzangebot im Kia sind vorbildlich.
So soll es sein: Klapptechnik und Platzangebot im Kia sind vorbildlich.
Kia zeigt, wie es sein soll. Topfeben lässt sich die Rückbank zusammenfalten, im Kofferraum sieht es danach so aufgeräumt aus wie in einem großen Kombi. Überhaupt ist das Platzangebot des Kia vorbildlich, Sitze und Sitzposition taugen vorn wie hinten auch für längere Strecken. Das gilt auch für den Golf. Aber nicht für den Tiida. In der ersten Reihe vereiteln die im oberen Bereich unbequem geformte Lehne und die starre Lenksäule (ohne Tiefenverstellung) eine dauerhaft komfortable Sitzposition. Hinten fehlt Breite, außerdem stört die konturlose Polsterung der Fondbank. Immerhin: Die verschiebbare Bank beschert den Passagieren verschwenderisch viel Kniefreiheit.

Antrieb/Fahrwerk: Der Golf ist angenehm unauffällig

Der Golf ist zwar schwerfälliger, fährt sich aber angenehm unauffällig.
Der Golf ist zwar schwerfälliger, fährt sich aber angenehm unauffällig.
Kaum bescheidener agiert der Nissan beim Thema Fahrleistungen. Der Tiida sprintet fast so gut wie der stärkere Kia cee'd, zieht gleichzeitig erfreulich kräftig durch. Dafür lässt er sich nicht sauber schalten, gelegentlich hakelt es in der Kulisse. Auch der große Drehzahlsprung zwischen erstem und zweitem Gang stört das gute Beschleunigungsgefühl. Hier wirkt der Kia sehr viel spritziger. Auch die Schaltung flutscht hier, die leichtgängige Kupplung erweist sich im Stop-and-go-Verkehr bald als äußerst angenehm. Der VW Golf hat gegen das Tempo der beiden Asiaten keine Chance, sein Vierzylinder läuft zudem dumpfer, angestrengter und unter Last auch deutlich lauter als das feine cee'd-Triebwerk.
Vorbildlich stabil wedeln alle drei Kandidaten durch die Ausweichgasse. Besonders das ESP des Tiida ist defensiv eingestellt, bremst den Kompakten bereits bei Ansätzen zum Untersteuern zusammen. Das kostet Tempo und hemmt den Fahrspaß. Aber in dieser Klasse geht Sicherheit vor – da wollen wir nicht zu streng sein. Wenn überhaupt, dann gibt der Fahrkomfort des Tiida Grund zum Klagen. Denn Querfugen überrollt er hölzern, und auch zum geschmeidigen Abrollverhalten des Golf und des cee'd fehlt eine halbe Klasse. Auch prasseln ins Radhaus gewirbelte Steinchen lauter gegen das Blech als bei VW und Kia. Am Ende bleibt ein sicheres Gefühl: Um mit Golf und cee'd mithalten zu können, muss der Tiida noch etwas trainieren.

Fazit von AUTO BILD-Testredakteur Jan Horn

Daneben: Der Tiida patzt beim Platzangebot und trifft beim Sitzkomfort nicht. So spielt der Nissan allenfalls ein durchschnittliches Spiel, zum Sieg reichen seine üppige Kniefreiheit und der günstige Einstiegspreis eben nicht aus. Überraschung: Der geräumige Kia liegt ganz weit vorn, schlägt den Golf im Karosseriekapitel und dazu noch im Verbrauch. Auch gegen die spritzigen Fahrwerte des cee'd kommt der Wolfsburger bei weitem nicht an. Der Turniersieg gehört dennoch wie gehabt dem Alleskönner von Volkswagen. Ohne echte Schwächen hält der Golf den Kia ganz knapp auf Distanz.