Die strategische Partnerschaft zwischen Opel und Dienstleister Segula ist perfekt. 2000 Mitarbeiter wechseln den Arbeitgeber. Alle Infos zum PSA-Umbau bei Opel!
(Reuters/dpa/brü/cj/lhp/jr) Opel trennt sich wie angekündigt von großen Teilen seines Rüsselsheimer Entwicklungszentrums. Bis zu 2000 Mitarbeiter sollen zum französischen Entwicklungsdienstleister Segula wechseln, wie beide Unternehmen am 15. November 2018 mitteilten. Die vereinbarte strategische Partnerschaft ist ein weiterer Schritt auf dem harten Sanierungskurs des neuen Eigners PSA aus Frankreich. Die IG Metall kritisierte, dass sie an dem geplanten Übergang bislang nicht angemessen beteiligt worden sei.
Jobgarantien bleiben bis Juli 2023
Hintergrund des Deals sind fehlende Entwicklungsaufträge des früheren Opel-Mutterkonzerns General Motors nach der Übernahme durch die PSA-Gruppe.
Bei Opel läuft ein hartes Sanierungsprogramm des neuen Eigners PSA aus Frankreich.
Einst machten die Aufträge aus Detroit die Hälfte des Arbeitsvolumens der Rüsselsheimer aus. In dem Zentrum am Opel-Stammsitz arbeiten derzeit noch rund 7000 Menschen. Zu einem noch nicht bekannten Preis sollen auch Anlagen und Gebäude den Besitzer wechseln. Die Transaktion soll im zweiten Quartal des kommenden Jahres abgeschlossen sein. Opel wird nach eigener Ankündigung an der neuen Gesellschaft Segula Technologies GmbH keine Anteile halten. Segula sicherte den Beschäftigten zu, die bei der Opel-Sanierung vereinbarten Arbeitsplatzgarantien bis Juli 2023 aufrechtzuerhalten. Anschließend würden neue Karrierechancen entstehen. Man wolle in Rüsselsheim einen europäischen Entwicklungscampus schaffen. Segula arbeitet auch für andere Autokonzerne und ist zudem in den Bereichen Energie, Bahn und Schifffahrt als Entwicklungs- und Ingenieurdienstleister tätig.
Skepsis in der Belegschaft
In der Belegschaft hatten die bereits im September veröffentlichten Pläne große Skepsis ausgelöst. Die IG Metall kritisiert die Unternehmen, einseitig Fakten zu schaffen, statt die Beschäftigten an den Prozessen zu beteiligen. Der Frankfurter Bezirkschef Jörg Köhlinger verlangte am 15. November 2018 einen Interessensausgleich mit dem Opel-Betriebsrat sowie Tarifverhandlungen mit der Segula zu den künftigen Arbeitsbedingungen. "Opel und Segula werden die betroffenen Beschäftigten nur mit Transparenz und tariflich regulierten Bedingungen zum Übergang in das neue Unternehmen überzeugen können", betonte Köhlinger.
Hier die Fakten rund um Opel unter dem Dach von PSA:
Der Grandland X soll künftig in Eisenach montiert werden – auch als Hybridversion.
Was sind Opels Kernprobleme? Die größte Aufgabe lag in der Rückkehr in die Gewinnzone. Die Sanierung des Unternehmens musste außerdem mit einer Modellfamilie erfolgen, die zu über 80 Prozent noch unter der Ägide von GM entwickelt wurde – mit dem derzeit erfolgreichen Flaggschiff Insignia an der Spitze. Dieses wurde wie die aktuellen Volumenmodelle Corsa und Astra ganz wesentlich und mit hohem Aufwand in Rüsselsheim geplant und dann teilweise unter anderen Namen in die weite GM-Welt geschickt, natürlich mit Griff in die Regale eines weltweit agierenden Konzerns. Die langjährige Tochter des US-Konzerns GM wurde daher zum 1. August 2017 an das französische Unternehmen PSA (Peugeot, Citroën) verkauft. Dieses forderte von Opel binnen 100 Tagen einen Sanierungsplan. PSA-Chef Carlos Tavares warnte damals: Man dürfe keine Zeit verlieren. Wenn bei Opel nichts passiere, werde sich die Situation verschlimmern. Wie weit ist Opel auf dem Weg der Besserung? In nur einem Jahr hat Opel nach fast 20 verlustreichen Jahren den Turnaround geschafft: Im ersten Halbjahr 2018 wies die Marke einen Gewinn von 502 Millionen Euro aus. Darin sind zwar weder Einmalkosten, Steuern oder Zinsen berücksichtigt. Doch es ist fast eine Sensation angesichts der Verluste und des öffentlichen Dauerstreits mit der Gewerkschaft. Immerhin hielten Opel-Chef Michael Lohscheller und sein Konzernchef Carlos Tavares Wort: Sie bauten die von General Motors (GM) für 1,3 Milliarden Euro übernommene Automarke ohne Standortschließungen oder betriebsbedingte Kündigungen um. Gemeinsamer Einkauf, geringere Fixkosten und ein stärkerer Fokus auf die tatsächlichen Erlöse pro Fahrzeug haben – trotz weiter sinkender Marktanteile – zur schnellen Wende beigetragen.
Zukunftspläne für Opel: Sparplan "Pace" und Renditeziele
Was ist "Pace"? Opel schwenkt bei seinem Sanierungsprogramm "Pace" (engl. Tempo) um auf die Technologie des neuen Mutterkonzern PSA. Seitdem die Franzosen bei Opel das Sagen haben, stammt die meiste Technik der ersten gemeinschaftlichen Modelle und des für 2019 geplanten neuen Corsa von PSA, die Opel-Leute geben den Autos beispielsweise mit Fahrwerksabstimmung und eigenen Design-Elementen ein deutsches Finish. "Germanness“ sollen die künftigen Opel-Modelle ausstrahlen, meint PSA-Chef Tavares - und meint damit Solidität, Effizienz und autobahnfeste Dynamik, gern auch elektrisch. Deutsche Ingenieurskunst werde weltweit bewundert, sagt der Portugiese, und will Opel so international vermarkten. Auf diese Weise sollen die Kosten pro hergestelltem Auto um 700 Euro sinken. Was ist das Ziel beim Sparen und bei der Rendite? Durch eine schlankere Produktpalette, eine kostengünstigere Produktion sowie einen gemeinsamen Einkauf will Opel/Vauxhall bis 2020 jedes Jahr 1,1 Milliarden Euro an Kosten einsparen. So soll ein operativer Gewinn in Höhe von zwei Prozent des Umsatzes erreicht werden. Danach sollen es sogar 1,7 Milliarden Euro jährliche Einsparungen sein, die Rendite soll bis 2026 auf sechs Prozent steigen. Darf Opel jetzt weltweit agieren? Ja. Opel darf unter PSA-Führung neue Märkte erobern. Bis 2022 werde der Autobauer auf mehr als 20 weiteren Exportmärkten tätig sein, kündigte Lohscheller bei der Präsentation des Zukunftsplanes in Rüsselsheim an. General Motors hatte die Rüsselsheimer auf Europa beschränkt, um die eigenen Marken auf wichtigen Märkten nicht zu kannibalisieren, und Opel damit wichtiger Wachstumschancen beraubt.
Modelle, Motoren, E-Autos
Der GM-basierte Opel Mokka dürfte vermutlich 2019 das Zeitliche segnen.
Wird die Zahl der Modelle und Plattformen eingeschränkt? Sehr stark sogar. Bis 2024 soll Opel nur noch zwei statt bisher neun verschiedene Plattformen nutzen, natürlich von PSA und mit den Bezeichnungen CMP und EMP2. Ähnlich bei den Motoren und Getrieben: Vier statt zehn bis 2024 lautet hier die Zielvorgabe. Der Umstieg von GM- auf PSA-Technik soll laut Michael Lohscheller schneller vonstatten gehen als bisher geplant. Bestehende Vereinbarungen will der Konzern einhalten, neue Vereinbarungen wird es aber voraussichtlich nicht geben. Immerhin soll Opel die Entwicklung der Vierzylinder-Motoren für PSA übernehmen. Welche Opel-Modelle werden betroffen sein? Fest steht: Zwei bereits geplante Modelle, die noch auf der Technik des früheren Eigners General Motors basieren, werden in den Werken Eisenach und Rüsselsheim durch neue Projekte auf PSA-Plattformen ersetzt. Anstelle des ab 2019 für Eisenach als einziges Modell geplanten Opel Mokka soll es nun ein Geländewagen mit PSA-Technik werden. Wie sieht die neue Elektro-Strategie aus? Es sind Elektrovarianten für jede Baureihe vorgesehen. Dabei spielt der noch von GM entwickelte Opel Ampera-e keine Rolle mehr. Im Jahr 2020 will Opel mit PSA-Technologie bereits vier Elektromodelle inklusive des neuen Corsa auf dem Markt haben und vier Jahre später jedes Modell auch in einer E-Variante anbieten können. Zu diesem Zeitpunkt soll es keine Fahrzeuge auf GM-Basis mehr im Programm geben.
Arbeitsplätze und Standorte
Wie wird bei der Belegschaft gespart? In knapp zwei Jahrzehnten gingen bei Opel/Vauxhall weit mehr als 30.000 Jobs verloren, der Marktanteil in Europa schrumpfte von fast zehn auf unter sechs Prozent, zuletzt nur noch erkauft mit einer Rekordzahl von Eigenzulassungen. Mit Gewerkschaft und Betriebsrat wurde nach heftigen Diskussionen ein Sanierungs-Tarifvertrag abgeschlossen, der gegen Lohnverzicht die in Deutschland verbleibenden rund 14.000 Jobs bis zum Jahr 2023 garantiert und außerdem den einvernehmlichen Personalabbau auf 3700 Menschen begrenzt. Auch an den anderen europäischen Opel-Standorten haben die Gewerkschaften finanzielle Einschnitte akzeptiert. Was bedeutet der Opel-Verkauf an PSA für die deutschen Standorte? Das Opel-Entwicklungszentrum in Rüsselsheim soll künftig innerhalb des PSA-Konzerns eine Schlüsselrolle einnehmen, verliert wegen wegfallender Aufträge von GM aber an Auslastung. Laut Lohscheller werde Rüsselsheim jeden Opel verantworten und zudem wichtige Themenfelder wie die Brennstoffzelle, Sitze oder eine neue Benzinmotoren-Familie zentral für den gesamten Konzern erledigen. Wie viele der über 7000 Ingenieure im Rüsselsheimer Entwicklungszentrum er dafür noch benötigt, hat der Opel-Chef allerdings bislang offen gelassen. Ebenfalls unklar ist, mit welchen Projekten die Werke Eisenach und Kaiserslautern künftig ausgelastet werden sollen. Immerhin soll künftig der Grandland X om Eisenach produziert werden, ab 2020 auch als Hybridversion; hier müssen 450 Mitarbeiter gehen. Details zu den anderen deutschen Standorten will das Unternehmen "zu gegebener Zeit" veröffentlichen.
Opels bewegte Geschichte
Rüsselsheim in Hessen ist seit der Geburtsstunde 1862 Stammsitz von Opel.
Der einstmals glanzvolle Autohersteller Opel wurde 1862 in Rüsselsheim gegründet und 1929 von General Motors übernommen. Seit 1999 erwirtschaftete Opel unter der GM-Ägide keinen Jahresgewinn mehr. Zwei Werksschließungen, neue Milliardeninvestitionen, einem kräftigen Personalwechsel und vielen neuen Modellen (u.a. Mokka und Adam) später erholt sich der Autobauer wieder und schreibt zwischenzeitlich zumindest wieder quartalsweise schwarze Zahlen. Zum August 2017 übernahm die Peugeot/Citroën-Mutter PSA das Unternehmen samt der britischen Schwestermarke Vauxhall für rund 2,2 Milliarden Euro. Die PSA Group ist mit weltweit 184.000 Mitarbeitern ungleich größer als Opel.(Mit dpa und Reuters)