Würden wir es böse meinen, könnten wir dem neuen VW Passat eine Identitätskrise attestieren. Ein Volkswagen, der kein Volkswagen mehr sein will. Oder wie es VW-Boss Martin Winterkorn bei der Passat-Premiere in der vergangenen Woche beschrieb: "Ein Auto mit Premium-Anspruch, aber ohne Premium-Kosten." Aha. Heißt wohl übersetzt, dass der Passat künftig eher Mercedes C-Klasse, BMW 3er und unglücklicherweise auch dem Konzernbruder Audi A4 Konkurrenz machen soll, die Preise aber volksnah bleiben werden – sie beginnen übrigens nahezu unverändert bei 25.875 Euro.

Schon optisch orientiert sich der Passat eine Etage höher

VW Passat
Dieser Passat will nach oben: Mit dem neuen Gesicht legt der VW einen selbstbewussten Auftritt hin.
Die spannende Frage beim neuen Passat wird also sein, in welcher Liga er künftig spielen wird. Luxus-Laster wie das T-Modell der C-Klasse oder doch bodenständiger Lade-Riese wie der neue Ford Mondeo, der im kommenden Jahr dann auch endlich bei uns angeboten wird. Machen wir also den Fakten-Check. Design: Riesenschritt oder doch wieder ein typischer Passat? Das Design des Wolfsburgers hat sich spürbar verändert – was in natura noch mehr als auf den Bildern zu erkennen ist. Die Proportionen passen endlich, der zu kurze Radstand ist Geschichte. Dazu kommt das selbstbewusste Gesicht mit dem üppig verchromten Grill – dieser Passat will nach oben. Interessant vor allem der Vergleich mit dem Mercedes. Mit seinem fast schon unterkühlten, dezenten Auftreten zitiert der VW eigentlich klassische Design-Werte der Stuttgarter. Trotzdem ist hier noch ein spürbarer Unterschied zu erleben. Mercedes hat geschickt das Styling der noblen S-Klasse in die Mittelklasse übertragen. Was zur Folge hat, dass die C-Klasse teurer aussieht, als sie tatsächlich ist. Der Mondeo hingegen fällt etwas ab. Sein Design zeugt vom Anspruch, auf allen Märkten dieser Welt, von den USA über Europa bis China, zu gefallen – was ihn weniger markant und damit beliebiger macht.
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Bei Materialien und Qualität ist im Mondeo noch Luft nach oben

Ford Mondeo
Im Mondeo finden sich einfachere Kunststoffe, die Detail-Verarbeitung lässt Raum für Verbesserungen.
 Qualität: Hohe Preise gleich bessere Verarbeitung und höherwertige Materialien? Zumindest in der Vergangenheit war das immer so. Vor allem Mercedes hat hier einen Ruf zu verteidigen. Und tatsächlich punktet die C-Klasse mit dem hochwertigsten Innenraum ihrer Klasse. Weiche Kunststoffe, Aluminium, satt rastende Schalter – was Anfühlqualität und Materialgüte angeht, sind die Stuttgarter in dieser Klasse Maß der Dinge – noch vor Audi. Der Passat, das zeigt zumindest der erste Eindruck der Vorserien-Wagen, hält hier noch einen Respektabstand. Was noch auf Fotos edel aussieht, entpuppt sich beim ersten Fingertest als schnödes Hartplastik – vor allem im unteren Armaturenbereich. Nicht wirklich dramatisch, zeigt es aber, dass auch die Wolfsburger Ingenieure unter hohem Kostendruck standen. Trotzdem macht der Passat auch hier einen großen Schritt, wie ein Blick zum Mondeo zeigt. Hier finden sich spürbar einfachere Kunststoffe, die Verarbeitung im Detail lässt Raum für Verbesserungen. Ausstattung: Vor allem technologisch haben sich die Premium- von den Massenherstellern unterschieden. Häufig konnten sie Technik aus der Ober- und Luxusklasse verwenden, auf die Hersteller wie VW oder Ford keinen Zugriff hatten.
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Vorbei. Für den neuen Passat bietet Volkswagen – wenn auch gegen Aufpreis – eine Ausstattung, die in der Mittelklasse noch lange nicht zum Standard zählt. Wie etwa LED-Scheinwerfer, ein Head-up-Display oder ein Navigationssystem, das wie selbstverständlich online geht und Verkehrsinformationen in Echtzeit verarbeitet.

Die C-Klasse ist das teuerste Auto im Vergleich

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Video: Mercedes C-Klasse T-Modell (2014)

Edler Lastesel

Motoren: Für den Passat hat Volkswagen komplett neue Motoren entwickelt. Die Benziner leisten zwischen 125 und 280 PS, die Diesel 120 bis 240 PS. Die Stuttgarter bieten zurzeit wie Volkswagen nur Vierzylinder an, der stärkste Benziner leistet 211 PS, der größte Diesel 204. Beide Hersteller haben zudem einen Hybriden im Programm. Während VW einen Plug-in-Benziner mit 211 PS Leistung an den Start bringt, dessen Akkus an der Steckdose aufgeladen werden können, bietet Mercedes seinen Kunden demnächst einen Diesel-Hybriden mit 231 PS Leistung an. Ford hält sich bei der möglichen Motorenpalette für den Mondeo noch bedeckt. Relativ sicher scheint aber, dass der stärkste Diesel 210 PS leistet – und der in den USA angebotene Hybrid mit rund 200 PS Leistung auch in Europa verkauft werden soll. Preise: Premium hört sich nicht nur teuer an. Die Hersteller verkaufen einen Lebensstil, die Macht ihrer Marke. Daran hat sich nichts geändert. So ist die billigste C-Klasse mit 33.558 Euro dann auch deutlich teurer als die Konkurrenz aus der Mitte des Volkes. Dafür gibt es einen aufgeladenen 1,6-Liter-Benziner mit 156 PS, die wichtigsten Ausstattungs-Details von Klimaanlage über Radio sind mit an Bord.
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Der Einstiegs-Passat startet rund 7000 Euro günstiger. Obwohl die Serienausstattung üppiger ausfällt, hat VW die Preise nicht erhöht. Für den neuen Mondeo gibt es noch keine Preise, allerdings dürfte der Kölner wegen des schwachen deutschen Marktes kaum teurer als bisher werden und bei etwa 21.500 Euro beginnen.

Fazit

von

Stefan Voswinkel
VW versucht, mit dem Passat einen neuen Weg zugehen: hochwertige Technik, Design aus der Premiumliga, kombiniert mit bodenständigen Preisen. Die C-Klasse muss man sich leisten wollen, der kaum günstigere Mondeo fällt im Vergleich ab.

Von

Stefan Voswinkel