Wer heute einen Rover kaufen will, muss zum Gebrauchtwagenhändler. Oder nach China. Dort hat die einst glorreiche englische Traditionsmarke Zuflucht gefunden. Zusammen mit der sportlichen Rover-Schwester MG. Genau genommen wurde 2006 auch gar nicht Rover an die Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) verkauft, sondern nur Patente und Technik des Rover 75. Die Marke MG, der Rest der Rover-Patente und die kompletten Produktionsanlagen in Longbridge übernahm die Nanjing Automobile Corporation (NAC). Der Markenname Rover landete bei Ford und ist seit dem Verkauf von Jaguar und Land Rover im Besitz von Tata Motors. Das Wirrwar hat sich inzwischen gelichtet. Zumindest auf chinesischer Seite. Denn unmittelbar nach dem Deal mit Rover und MG verdonnerte die Parteiführung die bis dato konkurrierenden Unternehmen SAIC und NAC zur Fusion unter dem Dach der SAIC. MG und Rover friedlich vereint in China. Auf Befehl der KP. Wahnsinn.

Die Reste der Rover-Entwicklung kommen zu neuen Ehren

Roewe N1
Das Fehlen der Rechte am Namen Rover konnte die Karriere der einstigen Traditionsmarke im chinesischen Riesenreich übrigens nicht lange aufhalten. Ersatz war schnell gefunden: Roewe. Klingt so ähnlich wie Rover und bedeutet übersetzt in etwa "königliche Kraft". Da steigt man als Chinese gerne ein. Auswahl gibt es inzwischen reichlich. Neben den MG-Modellen MG3 SW (früher Rover 25 Streetwise) und MG7 (früher MG ZT) wurde ab 2007 auch der Roewe 750 vorgestellt – ein direkter Nachfahre des Rover 75. Seinen deutlich moderneren Look verdankt der Roewe 750 europäischen Ingenieuren, die im Auftrag von SAIC die Modellpalette von Roewe und MG weiterentwickeln. Der erste Roewe ohne direkten Rover-Vorgänger wurde 2008 in Peking vorgestellt. Roewe 550 (ab 16.000 Euro) heißt die modern gezeichnete Mittelklasse-Limousine, die auf der verkürzten Plattform des Rover 75 aufbaut. Die wurde seinerzeit noch von Rover selbst entwickelt und geistert noch heute als Projekt RDX60 durch die Rover-Fangemeinde. Unterm sanften Kühler-Lächeln schieben zwei Vierzylinder-Benziner (133 und 160 PS) Dienst – beide von Grund auf echte Engländer.

MG und Roewe – auch in China wird gemeinsam entwickelt

MG TF
Die nächsten Evolutionsstufen der kurzen 75er-Basis scharren bereits mit den Rädern. Roewe N1 und MG6 heißen die beiden kompakten Limousinen-Zwillinge, die auf der Auto Shanghai 2009 vorgestellt wurden. Anfang 2010 soll der MG6 an den Start gehen – knapp ein Jahr später der Roewe N1, der in Shanghai noch im futuristischen Kleid einer Studie zu sehen war. Einziger Haken: Europäische Technik und europäisches Design sind teuer. Auch in China. Der günstigste Roewe kostet rund 16.000 Euro. Für das Topmodell der Roewe 750 werden fast 32.000 Euro fällig. Ein vergleichbarer MG7 ist nicht günstiger. Zu viel, um wirklich im chinesischen Massenmarkt Fuß fassen zu können.  Aber wenig genug, um vielleicht in Europa und England Freunde zu finden. Das weiß man auch bei SAIC und hat von Anfang an eine Rückkehr nach England eingeplant.

Nie ganz weg gewesen

Eigentlich war man ja nie ganz weg. Der Kult-Roadster MG TF wird nach wie vor in Longbridge montiert – mit Teilen, die aus China zugeliefert werden. Ein Modell, das auch mit den neuen Roewe-Modellen funktioneren könnte. Die Technik stimmt. Die Sicherheit auch. Beim chinesischen NCAP-Crashtest holte der Roewe 550 souverän fünf Sterne. Ein Crashtest-Debakel wie es Brilliance in Deutschland wiederfahren ist, scheint somit ausgeschlossen. Was fehlt also zum Neustart in der alten Heimat? Ein bisschen Mut, eine ganze Menge Geld und natürlich passende Dieselmotoren. Die befinden sich laut SAIC bereits in der Entwicklung. Ein Zweiliter-Turbodiesel soll noch 2009 auf den Markt kommen. Mit Jahreszahlen muss man bei chinesischen Autobauern allerdings vorsichtig sein. 2006, kurz nach der Übernahme durch MG und die Rover-Reste, sprach NAC nämlich davon, schon 2008 die ersten Roewe-Modelle nach Europa zu bringen. Das ist lange her. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Von

Jochen Knecht