Designer sind kreativ, nicht naiv. Als Michael Mauer (46) 2004 seinen neuen Job in Zuffenhausen antrat, wusste er sehr genau, was auf ihn zukommen würde. Einen viertürigen Porsche zu entwerfen, war in etwa so, wie die Pyramiden neu zu erfinden. Porsche, das war immer nur der Elfer. Segen und Fluch zugleich. Die anderen Modellreihen mussten sich an ihm messen. Der Übervater aller Sportwagen definiert das Reinheitsgebot seit mehr als drei Jahrzehnten. Und jetzt das: Projekt Panamera – eine Sportlimousine mit Frontmotor und Heckklappe. Kein Stretch-Elfer, eine neue Zeitrechnung. Ideen für einen Familien-Porsche gab es freilich schon früher: viertürige Prototypen vom Elfer (1967), vom 928 (1986) oder vom 989 (1993). Keiner von ihnen schaffte es zur Serienreife.

Der Panamera soll  SUV-Umsteiger und S-Klasse-Kunden begeistern

Doch nun soll die Zeit reif sein für die erste Businessclass aus Zuffenhausen. Und wer Porsche-Boss Wendelin Wiedeking kennt ("Ich bin nicht geizig, nur sparsam"), weiß, dass dieser Schritt kein wirtschaftlicher Amoklauf wird. 20.000 Panamera sollen ab September 2009 in Leipzig vom Band laufen. Und auch verkauft werden. Zu über 80 Prozent an Nicht-Porsche-Fahrer und an "Menschen, die aus Sozialdruck das Segment wechseln müssen". Übersetzt: Fahrer, die sich im dicken Super-SUV nicht mehr wohl fühlen, darunter sicher auch einige Cayenne-Absteiger. Porsche will also in vielen Teichen Kunden fischen. "Unsere Konkurrenten heißen $(LB528365:S-Klasse, A8 und 7er)$, aber auch Aston Martin Rapide oder Maserati Quattroporte", erklärt Michael Mauer beim ersten Panamera-Schnuppertest unter freiem Himmel. Er hat sein Baby in der Lieblingsfarbe mitgebracht: Yachting Blue. Innenraum hellbeige, fast weiß. Das Schnellboot steht auf mächtigen 20-Zöllern, besohlt mit fetten 295er-Gummis. "So muss er aussehen", schnalzt Mauer ganz verzückt und impft mir gleich mal zum Mitschreiben die tragenden Panamera-Säulen ein.

Man kann sich nur schwer der Faszination des Panamera entziehen

Porsche Panamera 4S
"Porsche-Schnäppchen": Der Basis-Panamera V6 mit 300 PS soll unter 75.000 Euro kosten.
Wir sprechen über die coupéhafte Silhouette, die entkoppelte Dachlinie, die typischen Kotflügel, die – natürlich – höher sitzen als die Haube. Und er verweist auf die sinnliche Wölbung der langen Schnauze, die zeigen soll, "wo das Herz des Autos sitzt". Spricht von Marken- und Produktidentität, dem eigenen Charakter des Autos, geprägt von den Scheinwerfern und, na klar, dem knackigen Lopez-Hintern, bei dem er sich ein wenig von den verschwenderischen Formen des Jaguar E-Type 2+2 hat verführen lassen. Ich stehe dabei und denke nur: Was für ein Tier! Nicht der Mauer, dieser Fast-Fünf-Meter-Schlitten natürlich. Ist der breit. Ist der fett. Ist der gut? Ja, mal ehrlich: Gefällt der mir eigentlich? Ist der schön oder nur ein unförmiger Elfer? Süßsaure Gurke oder Edelmarzipan? Er ist halt kein Elfer. Und diese Schere haben wir alle im Kopf. Okay: Man muss den Panamera nicht mögen, auch nicht elegant finden, aber es ist verdammt schwer, sich seiner Faszination zu entziehen. Er ist ein blechgewordenes Statement made in Germany. Punkt.
Vor allem wenn sich der Muskelberg in Bewegung setzt. Ja, der Panamera muss fahren, röhren, seine ganze Potenz in den Asphalt fräsen. Dann ist da nur noch Dynamik. Porsche eben. Fahrdynamisch, sagen sie, soll er ganz nah am Elfer sein. Schwer zu glauben, bei einem Radstand, der deutlich länger ist als ein ganzer Smart. Immerhin sitzt der Fahrer fast in der Mitte des Autos – und gut ein paar Zentimeter tiefer als in einer Normalo-Limousine. Beim Einsteigen wird deutlich, dass hier für vieles Platz war, bloß nicht für Kompromisse. Vier Einzelsitze, alle sportlich ausgeformt, vorn typisches Porsche-Cockpit mit zentralem Drehzahlmesser, Zündschlüssel links, die Armaturen als höchsten Punkt. Die ansteigende Mittelkonsole macht sich bis in den Fond breit und erinnert an den Carrera GT. Obendrauf keine zentrale Bedieneinheit à la iDrive, sondern eine stattliche Sammlung von Knöpfen. Gut 20, oder mehr. "Porsche-Philosophie", sagt Mauer, "jede Funktion muss direkt anwählbar sein." Find ich gut. Vor allem die Motorsound-Taste. Sie steuert eine Klappe im Abgasstrang und verändert den Zündzeitpunkt. So brüllt das Raubtier mal böse und mal so richtig mies gelaunt. Eine herrliche Spielerei.

In Reihe zwei wundert man sich über das üppige Platzangebot

Porsche Panamera 4S
Neuer Eindruck: Es ist ein komisches Gefühl, hinten in einem Porsche zu sitzen. Und auf einen großen Kofferraum zu schauen.
Wir wechseln nach hinten. Dem Heiligen Gral des Gran Turismo, dem absoluten Neuland. Schon ein komisches Gefühl. Hinten in einem Porsche zu sitzen, der nicht einen Meter überm Boden schwebt und Cayenne heißt. Man fällt tief. Und wundert sich über den Platz. Kaum eine Chance, mit den Knien an dem Vordersitz zu schubbern, und noch Luft überm Scheitel. Mauer: "Die Vorgabe war, dass der Boss hinten kommod sitzen kann." Er meint seinen Chef Wiedeking. Gut 1,85 Meter lang. Vollschlank. Vom Fernseher bis zu elektrisch verstellbaren Sitzen gibt's hier hinten all den Schnickschnack für Betuchte, den wir auch in anderen Luxusschlitten finden. Dazu umlegbare Rücksitzlehnen. Voll besetzt, passen hinten vier Samsonite-Koffer aufrecht nebeneinander. Alles komplett flach gelegt, wird der Panamera zum Schnelltransporter. 1250 Liter Gepäck schluckt dann der edle Schlund.
Damit ist dieser Porsche ein Solist in der Welt der erdgebundenen Businessclass. Der Schnellste sowieso. Über 300 rennt der Turbo. Wie scharf Porsche auf die Limousinen-Luxusliga zielt, zeigt letzlich der Preis. Der Basis-Panamera V6 mit 300 PS soll unter 75.000 Euro kosten. Damit unterbietet er klar den Elfer und auch deutlich die S-Klasse. Aber schlüpft ein klassischer Doppelreiher-Träger wirklich noch mal in ein Sportsakko?

Das Fazit von AUTO BILD-Redakteur Tomas Hirschberger

Der Panamera läutet eine neue Zeitrechnung ein. Ist das noch ein Porsche? Na klar! Viel mehr als der übergewichtige Cayenne. Nicht jeder wird den Viertürer schön finden, dafür haben wir alle zu sehr die 911er-Schere im Kopf. Aber als sportliche Alternative zu all den Luxusschlitten wird der Panamera seinen Weg machen – und wohl auch allen gnadenlos um die Ohren fahren. Wir sind gespannt.

Von

Tomas Hirschberger