Der Crash droht an der harmlosen Einfahrt zum Kreisverkehr. Man schaut nach links, fährt vor, plötzlich bremst der Vordermann – der XC60 aber auch. Automatisch. "City Safety" heißt der elektronische Schutzengel, den der neue Volvo serienmäßig besitzt. Aus maximal Tempo 30 bremst die Elektronik das Auto bis zum Stillstand. "Der sicherste Volvo aller Zeiten", das ist jedoch nicht der einzige Superlativ. Der XC60 ist auch der sanfteste, man könnte sagen: der weiblichste Volvo aller Zeiten. Vorbei die Zeit der Kanten, verpönt das Wort SUV. "Crossover" soll der XC60 sein, ein optischer Gratwandler: vorn der markante, vergrößerte Grill, am Heck ein Coupé. Sanft fällt das Dach nach hinten ab, die Heckleuchten schwingen wie Rockzipfel im Wind. Der Softie unter den SUV, die gerade wie Pilze aus dem Boden schießen (Audi Q5, Mercedes GLK, VW Tiguan).

Im XC60 sitzt man 13 Zentimeter höher und aufrechter als im V70

Laut Volvo sollen in den USA zu 50 Prozent Frauen den XC60 kaufen, bei uns zu 25 Prozent. Das Eingeständnis, dass in dieser Boom-Klasse oft Damen am Steuer sitzen. Den wichtigsten Grund schätzen auch Männer: Im XC60 sitzt man 13 Zentimeter höher und aufrechter als im V70, aus dem alle Schalter, Hebel und Instrumente stammen. Es gibt nicht mehr Platz als im Kombi, man fühlt sich nur luftiger, umgeben vom typisch sachlichen Volvo-Stil – eine Art rollendes Billy-Regal für Akademiker. Die Rückbank lässt sich – anders als im Rivalen Audi Q5 – nicht verschieben. "Die Kunden nutzen es nicht", entschuldigt ein Entwickler die Rotstift-Politik. Aber Frauen denken doch praktisch? Dann stört sie vielleicht, dass der Volvo den kleineren Kofferraum (495 bis 1455 Liter) hat als der gleich lange Audi Q5 (540 bis 1560), und dass man nach schräg hinten herzlich wenig sieht. Der Preis der Schönheit.

Im kompakten Volvo-SUV gibt es eine schöne Verwöhn-Federung

Volvo XC60
Beruhigen wird das Fahrgefühl. Man schwebt im XC60 D5 dahin, begleitet vom grummelnden Klang des Fünfzylinder-Diesels, der besänftigt wie ein knisterndes Kaminfeuer. Aus dem gleichen Holz geschnitzt ist die Sechsstufenautomatik (2050 Euro extra), die nicht so modern ist wie das Doppelkupplungsgetriebe bei Audi, trotzdem sehr gut passt zum entspannten Charakter des Volvo. Ähnlich wie der Land Rover Freelander besitzt der XC60 eine schöne Verwöhn-Federung, die vor allem die Deutschen anscheinend verlernt haben. Sportliche Geister werden klagen, man rutsche auf den breiten Sitzen herum, und die Lenkung arbeite wie bei Volvo üblich verzögert. In scharfen Kurven sind BMW und Audi agiler, dort schiebt der schwere Diesel den XC60 kräftig über die Vorderräder. Die verbesserte Haldexkupplung im Allrad-Strang beherrscht den Kraftmix zwischen Vorder- und Hinterachse flotter, doch im Kern ist der Volvo ein Fronttriebler. Gelände? Besser nie.
Ein beliebteres Revier werden sicher die Preislisten. Dem Basis-Lockvogel ab 33.900 Euro fehlen Laderollo und Klimaautomatik, doch ab 35.500 Euro für den kleinen Diesel (mit 163 PS und Ausstattungspaket Kinetic) ist alles an Bord, was die Konkurrenz schmerzhaft teurer macht: Multifunktionslenkrad, Audioanlage, Nebelscheinwerfer ... Was fehlt? Ein sparsamer Zweiliter-Diesel, ein kleiner aufgeladener Benziner oder eine Start-Stopp-Automatik. Kommt alles, verspricht Volvo. Und kündigt einen simplen Spartrick an: den XC60 nur mit Frontantrieb. Der ist leichter, sparsamer und günstiger als mit Allrad. Noch so eine schöne Seite am XC60.

Das Fazit von AUTO BILD-Redakteur Joachim Staat

Mit der weichen Welle liegt Volvo goldrichtig: Der XC60 ist ein Gesicht in der Masse – und das zählt bei modischen SUV mehr als Offroad-Können. Bei den Sparmotoren sollte Volvo schnell nachlegen, die Preise sind attraktiv. Dieses Auto kann ein großer Erfolg für Volvo werden.

Ein Wettbewerbsumfeld in Bestform: die Konkurrenten des XC60

Audi Q5

Audi Q5
Das kann er: Der Q5 überzeugt mit einem Mix aus Alltags-Nutzwert (verschiebbare Rückbank), viel Platz und sparsamen Motoren. Agiles Fahrgefühl, aber zu harte Federung.
• Das kostet er:
Der Q5 zählt zu den Teuren – ab 38.300 Euro gibt es zwei Diesel (170, 240 PS) und einen Benziner (211 PS). Offroad- und Sportpakete extra.
• Die kaufen ihn: Aufsteiger vom Avant ebenso wie Freunde des hochwertigen, unterkühlten Audi-Stils. Designer-Stück.

BMW X3

BMW X3
• Das kann er:
Der wollte nie in den Dreck, sondern ums Eck. Die Fahrmaschine bietet eine direkte Lenkung, agiles Handling, wenig Platz und eine straffe Federung. Offroadpakete sind nicht verfügbar.
• Das kostet er: Da der Basis-Benziner (150 PS, 35.300 Euro) schlapp wirkt, beginnt die BMW-Freude bei 38.300 Euro für den kleinsten Diesel (2,0 Liter, 177 PS).
• Die kaufen ihn: Das Blut fließt noch flotter. Der Nachbar hat einen Touring – dann muss es X3 sein. Auch für 3er-Fahrer.

Mercedes GLK

Mercedes-Benz GLK
• Das kann er:
Der kurze Mercedes beherrscht von Offroad bis Boulevard jedes Parkett, wenn er entsprechend aufgerüstet wird. Keiner ist optisch so kantig.
• Das kostet er: Am meisten, er ist halt der Mercedes dieser Liga. Ab 40.341 Euro für den 170-PS-Diesel oder 43.554 Euro für den V6-Benziner (231 PS). Günstigere Motoren folgen frühestens Ende 2009.
• Die kaufen ihn: Kunden, die in der runden Welt das Eckige mögen, oder Leute mit Stern-Faible: Umsteiger von ML oder G-Klasse.

VW Tiguan

VW Tiguan
• Das kann er:
Viel mehr, als die schnöde Form verspricht. Der Tiguan hält in Platz, Leistung und Fahrspaß mit den Großen mit. Wenig Image, großer Erfolg: Der VW ist Bestseller im 4x4-Markt.
• Das kostet er: Das Schnäppchen in der Edel-Liga, ab 27.200 Euro für den empfehlenswerten 150-PS-Benziner. Diesel (140 PS) gehen bei 29.300 Euro los.
• Die kaufen ihn: Vernunftmenschen, Sparfüchse, Cleverles – den VW umweht der Golf-Effekt. Dieses Auto passt vielen.  

Von

Joachim Staat