Bescheidenheit hört sich anders an: "Neuer Name, neues Auto, neue Ära". So vollmundig trommelt Opel für seinen neuen Insignia , der am 22. Juli auf der London Motor Show wie der Blitz einschlagen soll. Und damit der Vectra-Nachfolger die Messebesucher elektrisiert und später viele Neuwagenkäufer zu den Opel-Händlern lockt, werben die Rüsselsheimer schon drei Monate vor der Weltpremiere für ihr neues Flaggschiff. Die Erwartungen sind hoch. Kann der große Opel sie auch erfüllen? Zunächst ist festzustellen, dass der Insignia in kein Wachstumssegment startet. Stufenhecklimousinen gehören in Deutschland nicht (mehr) zu den Rennern und stehen (zu Unrecht) im Ruf des Senioren-Lieblings. Außerdem trifft das Opel-Topmodell auf starke Konkurrenten wie VW Passat, Ford Mondeo und den noch frischen Mazda6. Wie kann der Insignia in diesem schwierigen Umfeld punkten?

Die Linie bricht radikal mit dem Vectra-Design

Opel Insignia
Opel sucht den Erfolg mit einer aufregenden Linienführung, wie die ersten offiziellen Werksfotos beweisen. Die gestreckte Karosserie bricht radikal mit dem biederen Design des Vectra. Sie vermittelt eigenständigen Charakter und Sportlichkeit. Die für Opel typischen Ecken und Kanten sind verschwunden. Dafür gibt es harmonische Rundungen. Zwischen den geschlitzten Scheinwerfern sitzt ein breiter Grill mit großem Opel-Emblem, Chromspange und drei Querlamellen – der Neue hat Gesicht. Unruhiger ist das Heck. Die Spoilerlippe auf dem Kofferraumdeckel und die Rückleuchten erinnern ein wenig ans polarisierende BMW-Bangle-Design. Die Dachlinie des neuen Opel fällt sanft nach hinten ab, damit ähnelt die Stufenheck- Limousine einem Coupé. Unter dem schmalen Fensterband haben die Opel- Designer ein "Swoosh" an die Türen geprägt. Es erinnert an das Markenemblem des Sportartikelgiganten Nike. Besonders von schräg vorn ist der markante Haken ein auffälliges Stylingmerkmal. Ganz klar: Der Insignia ist ein modischer und mutiger Entwurf. Er ist länger, höher und auch rund zwei Zentner schwerer als der Vectra. Bei 2,74 Meter Radstand und 4,83 Meter Länge will er zurück zu alter Rekord-Größe. Und übertrifft sie zugleich. Entspricht doch das Außenmaß sogar dem des ersten Opel Senator (ab 1978). Aber das ist Geschichte.

Auf Wunsch gibt es 4x4-Technik aus Schweden

Opel Insignia
Die neue Opel Limousine soll nicht nur den Vectra beerben, sondern möglichst auch die Lücke schließen, die der Omega hinterlassen hat. Die Chancen, ins Japaner- und Koreaner-Lager abgewanderte Kunden zu Opel zurückzuholen, stehen nicht schlecht. Denn zum modischen Auftritt des Insignia kommt viel konstruktives Know-how, das ein ausgereiftes und fahraktives Modell erwarten lässt. Besonders die stärkeren Motorvarianten stammen aus der gehobenen Technikküche. Die neu konstruierte Hinterachse mit zusätzlichen Längslenkern soll Abrollgeräusche minimieren und ist damit ein Wink Richtung Premiumsegment. Gleiches gilt für das weiterentwickelte IDS+, das sich nun FlexRide nennt. Durch Vernetzung der adaptiven Stoßdämpfer mit dem ESP sowie der Motorsteuerung bietet der Insignia optional ein aktives Fahrwerk, das eine hohe Spurstabilität in verschiedensten Situationen verspricht. Natürlich gibt es eine Sport-Taste, mit der dynamische Fahrer die Abstimmung besonders straff wählen können.
Und erstmals seit dem 1997 eingemotteten Calibra 4x4 bietet Opel auch wieder Allradtechnik im Pkw an – gegen Aufpreis. Sie stammt von der GM-Tochter Saab und ist bereits im Saab 9-3 XWD erhältlich. Der 4x4-Antrieb arbeitet mit einem Haldex-System der vierten Generation. Es ermöglicht nicht nur die blitzartige Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse, sondern auch einen variablen Drehmomentfluss zwischen den Hinterrädern. Weiterer Options-Höhepunkt ist das adaptive Lichtsystem AFL mit insgesamt neun Programmen. Ob Landstraße, Autobahn, Regenfahrt, Großstadtboulevard oder Tempo-30-Zone – in fast jeder Fahrsituation soll der Insignia seinen Lenkern optimale Beleuchtung zur Verfügung stellen. Höchstmögliche Sicherheit gehört für die ambitionierten Opelaner ohnehin zu den Selbstverständlichkeiten. Fünf Sterne im Euro- NCAP-Crashtest werden intern als Minimalziel genannt. Im Innenraum haben die Stylisten den "Swoosh"-Pfeil aufgegriffen. Der dynamische Haken soll übrigens alle künftigen Opel-Modelle zieren. Ergonomie und Sitzkomfort sollen Maßstäbe setzen.

Sieben Motoren, sechs Gänge und "grünes" Tagfahrlicht

Opel Insignia
Das Bedienkonzept hat Opel so optimiert, dass Einstellungen an Hi-Fi- und Navigationssystem nicht nur über den tiefliegenden Dreh-und-Drück-Schalter auszuführen sind. Zusätzlich gibt es jetzt eine parallele Auswahlmöglichkeit im oberen Konsolenbereich. Der Fahrer ist weniger abgelenkt, die Bedienung wird sicherer. Zum Marktstart im November 2008 kommt der Insignia mit sieben Motoren. Alle Aggregate erfüllen die Euro-5-Abgasnorm und sind serienmäßig mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe gekoppelt. Wie schon in den anderen Modellreihen üblich, wird das verbrauchsgünstigste Aggregat "Ecoflex" heißen. Im Insignia ist das der 2.0 CDTI mit 110 PS. Ob der Verbrauch des Insignia angesichts des deutlich gestiegenen Gewichts niedriger ausfällt als beim Vectra, ist sehr fraglich. Immerhin sorgt das LED-Tagfahrlicht für ein grünes Gewissen. "Gegenüber konventionellem Halogenlicht sinkt die Emision von sechs Gramm CO2 pro Kilometer fast auf null", verkündet Opel stolz. Ob das reicht, damit möglichst vielen Käufern ein Licht aufgeht?