Rutschige Straßen? Da muss Allrad her. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Was 4x4 wirklich bringt, klärt der große Antriebstest. Folge 1: Fahren im Schnee.
Allrad- oder Zweiradantrieb: Was ist besser? Für Babys ist das keine Frage: Im ersten Lebensjahr kennen sie nur die Fortbewegung auf allen vieren, bevor sie in den aufrechten Gang wechseln. Der Krabbelmodus ist sicherer, stabiler und schneller. Flure, Absätze, sogar Treppen bewältigen die Kleinen mit Händen und Füßen zügig. So zügig, dass manche Eltern ihrem Nachwuchs kaum folgen können.
Sieht aus wie ein Allradler, hat aber nur eine Antriebsachse: Tucson 2WD. Für Autos gilt grundsätzlich das Gleiche. Allradantrieb ist angesagt. Besonders bei den SUV-Modellen. Die meisten gibt es nur mit "Four Wheel Drive" (4WD), egal, ob man das nun braucht oder nicht. Vier angetriebene Räder sind hier eine Selbstverständlichkeit. Noch zumindest. Denn zunehmend gehen die Hersteller dazu über, der Allrad- eine simplere und damit preisgünstigere Standard-Version zur Seite zu stellen. Motto: Wie ein Offroader aussehen, aber nur mit einer Antriebsachse fahren, wie zum Beispiel der Hyundai Tucson 2WD.
Wer wird Schneekönig? 14 Autos aus sieben Klassen im Antriebstest. Auf der anderen Seite werden immer mehr Mittelklassetypen, Sport- und selbst Kleinwagen optional mit 4x4-Antrieb angeboten. Das Segment wächst. Zwischen 1990 und 2006 hat sich der Allrad-Anteil an den Pkw-Neuzulassungen in Deutschland verdoppelt. 2006 wurden rund zwei Millionen Neuwagen mit vier angetrieben Rädern ausgeliefert. Doch wie sinnvoll ist die aufwendige Allrad-Aufrüstung? Bringt uns das komplexere Antriebssystem wirklich weiter? Und wenn ja, wann, wo und wie? Lohnt der Aufpreis? Oder fährt ein 2WD-Modell genauso gut wie sein 4WD-Pendant? Diese Fragen klärt der große AUTO BILD-Antriebstest. 14 Kandidaten aus sieben Klassen mussten in sechs anspruchsvollen Disziplinen beweisen, was sie draufhaben. Vom Kleinwagen über Kombi bis zum Kraftmeier war alles dabei. Grundsätzlich gilt: 4WD-Modelle sind schwerer und verbrauchen mehr Sprit als die entsprechenden Zweirad-Ausführungen.
Verglichen haben wir sieben Modellpaare: jeweils mit und ohne Allradantrieb. Messwerte und subjektiver Eindruck führen zu klaren Empfehlungen, bei welchen Modellen und Straßenbedingungen sich das 4x4-System tatsächlich bezahlt macht. Und natürlich gibt es auch einen Gesamtsieger. Bewertet wurden die Prüflinge nach Noten von eins (besser geht's nicht) bis sechs (ungenügend).
Vor allem auf Schnee zeigte der Allrad-Panda, was er drauf hat. Motorleistung und Getriebeart sind auf glatten Straßen nebensächlich. So konnte der Panda den Porsche gleich in mehreren Disziplinen schlagen. Vor allem auf Schnee zeigte der 70-PS-Italo-Winzling dem 325-PS-Boliden aus Stuttgart frech sein kantiges Heck.
Für bestmögliche Vergleichbarkeit waren bei allen Fahrversuchen die vom Hersteller empfohlenen Winterreifen aufgezogen. Ihre Schneetauglichkeit mussten sie auf mehreren Testparcours bei St. Jakob in den österreichischen Hochalpen beweisen. Eine abgesperrte Passstraße mit festgefahrener Schneedecke diente als Handlingkurs. Alle Testteilnehmer absolvierten außerdem einen Traktionsversuch im Tiefschnee, der zeigt, wie gut ihr Antrieb in Extemsituationen nach heftigen Niederschlägen funktioniert.
Im ersten Teil des Vergleichs geht es deshalb ums Vortriebsvermögen sowie die Beherrschbarkeit unter stark winterlichen Straßenverhältnissen. Wichtigste Erkenntnis: Mit guten Winterreifen und besonnener Fahrweise kommen auch die zweiradgetriebenen Modelle erstaunlich weit. Selbst ein BMW 330i bewältigt mit seinem Hinterradantrieb auf einer festgefahrenen Schneedecke Steigungen bis zu zehn Prozent. Dabei sind seine Traktionseigenschaften allerdings denen von Fronttrieblern wie Audi A4 und FiatPanda weit unterlegen. Der BMW müht sich nur sehr langsam durch Eis und Schnee. Den ersten Testteil absolviert er mit Mangelhaft und wird Letzter. Für alle 2WD-Modelle gilt: Auf lockerem Neuschnee sowie vereister Fahrbahn kommen sie schnell an ihre Grenzen. Beispiel Mercedes E 280 CDI: Rollt er in der Ebene auf etwa 15 Zentimeter dicker Schneedecke noch gut vorwärts, ist schon am ersten leichten Anstieg Schluss. Die Hinterräder kriegen Schlupf, das ESP regelt die Motorleistung weg, und schon steht der Benz wie ein Denkmal. Auch Abschalten der Elektronik-Fahrhilfe bringt dann nichts mehr. Die Räder drehen durch, und die E-Klasse versinkt langsam in der weißen Pracht.
Vorerst Platz eins: Der Schneekönig heißt Mercedes E 280 CDI 4Matic.Ganz anders der Mercedes mit dem 4Matic-Schriftzug auf dem Kofferraumdeckel: Souverän und spielerisch nimmt er die gleiche Steigung. Mehr noch, er zieht sogar seinen 1,9 Tonnen schweren Bruder mit dem Abschleppseil den Berg hoch. Ein klares Votum für sein Allradsystem und vorerst Platz eins: Der Schneekönig heißt Mercedes E 280 CDI 4Matic.
Ob er es bleibt, zeigt Teil zwei des großen Antriebstests in AUTO BILD 6/2007 (ab 9. Februar im Handel). Er beschäftigt sich mit dem Fahrverhalten bei Regen sowie der Brems- und Traktionsleistung auf unterschiedlich griffigen Oberflächen (µ-Split-Test). Diese Fahrversuche absolvierten die Prüflinge quasi unter Laborbedingungen im Contidrom und der Wabco-Testbahn, beide bei Hannover. Dabei waren vor allem die elektronischen Regelsysteme gefordert. Wie gut und schnell verteilen sie Antriebskraft und Bremsdruck auf die Räder? Ob Allradfahrzeuge unter kritischen Bedingungen tatsächlich Sicherheitsvorteile bieten – in AUTO BILD und bei autobild.de werden Sie es erfahren.
AUTO BILD-Fazit
Souveräner geht es nicht: Die Mercedes E-Klasse4Matic erstürmt nicht nur in Bestzeit unseren Schnee-Handling-Kurs, sondern beweist auch in den anderen Übungen großes Wintertalent. Genauso gut: der Audi A4quattro. Doch sein mechanisches Torsen-Allradsystem wirkt eine Spur träger. Grundsätzlich zeigen alle Allradmodelle erwartungsgemäß gute Traktionseigenschaften auf winterlichen Straßen. Der Fiat Panda 4x4 macht aber Zicken, die dringend behoben werden müssen. Enttäuschend ist der BMW 330i. Der Hecktriebler fällt besonders durch seine untauglichen Winterreifen nach hinten. BMW wäre gut beraten, Alternativ-Pneus mit besseren Laufeigenschaften anzubieten. Überraschend schlecht auch beide Porsche.
Den ersten Teil des großen Antriebstests mit allen technischen Daten und Wertungen können Sie hier bequem als PDF herunterladen.