Nein, ich fliege nicht. Obwohl ich gerade das Gefühl habe, abzuheben. Der Grund hierfür ist ein Stelldichein von fünf sehr potenten Limousinen der oberen Mittelklasse. Vier von ihnen kennt man schon etwas länger: Audi S6, BMW 550i, $(LB219419:Chrysler 300C SRT8)$ und Mercedes E 500 gehören wegen ihres Leistungsspektrums von 367 bis 435 PS zwar nicht gerade zu den Bestsellern auf unseren Straßen, lassen sich aber dennoch das eine oder andere Mal im Verkehrsgetümmel ausmachen. Das kann man von der Nummer fünf in diesem Vergleich nicht behaupten. Noch nicht. Denn mit dem neuen, 416 PS starken XF SV8 könnte Jaguar zum Höhenflug ansetzen. Von Bruchlandungen in Form des X- und S-Types geläutert, verzichtete der ehemalige Aston-Martin-Designer Ian Callum bei der Gestaltung seines ersten Jaguars bewusst auf die barocke Designsprache der Vorgänger. Dabei schuf er ein vollkommen neues und zugleich sehr selbstbewusstes Markendesign.

Ein Designerappartement ersetzt den englischen Landsitz

Jaguar XF SV8
Schon der markante Kühlergrill in Maschendrahtoptik macht mächtig an; spätestens beim Betrachten der coupéhaften Seitenlinie und der Heckpartie im knackigen Aston-Martin-Look wird dem letzten Betrachter klar, dass Understatement bei der Entwicklung nicht die Hauptrolle gespielt haben dürfte. Das gilt auch für den Innenraum. Wo früher Edelholz und Plüschteppich die Atmosphäre eines englischen Landsitzes versprühten, erinnert der XF an ein durchgestyltes Designerappartement. Kühles Alu, helles Leder und feinstes Holz wurden perfekt miteinander kombiniert, die Verarbeitung hinterlässt in diesem Quintett den hochwertigsten Eindruck. Dazu kommen verspielte Hightech-Gimmicks wie der rot pulsierende Start-Stopp-Knopf, der aus seiner Versenkung fahrende Drehregler der serienmäßigen Sechsstufenautomatik und die per Elektroantrieb einmal um sich selbst rotierenden Belüftungsdüsen.

Der Jaguar XF fährt sich genauso sportlich wie er aussieht

Jaguar XF SV8
Doch fährt sich der XF auch so sportlich, wie er aussieht? Die Antwort lautet ja. Unter herrlichem V8-Gebrüll sprintet der "Jag" in sechs Sekunden von 0 auf 100 km/h, Tempo 200 liegt 13,7 Sekunden später an. Dank der ausgezeichneten Traktion der 20-Zoll-Bereifung tritt selbst bei Vollgas kein nennenswerter Schlupf auf. Dieser Grip hilft auch in Notsituationen. Bei einer Vollbremsung aus 100 km/h benötigt der XF gerade einmal 34,3 (kalte Bremse) respektive 34,9 Meter (warme Bremse) bis zum Stillstand. Doch der XF überzeugt nicht nur, wenn es geradeaus geht. Mit einer bei Jaguar noch nie da gewesenen Präzision lenkt er zackig durch Kurven jeglicher Art. Lenkung und Fahrwerk verwöhnen dabei mit jeder Menge Rückmeldung. Etwas gewöhnungsbedürftig fällt hingegen das Lastwechselverhalten bei hohen Geschwindigkeiten aus. Da driftet das Heck dann schon mal etwas heftiger nach außen, bevor das ESP eingreift. Die Sechsstufenautomatik von ZF ist über alle Zweifel  erhaben, hält stets den richtigen Gang parat oder wechselt diesen blitzschnell und butterweich. Schade nur, dass der V8 so durstig ist wie eine ganze Rugby-Mannschaft. Satte 16,4 Liter genehmigte er sich auf unserer Verbrauchsrunde.
Das kann der Audi S6 besser. Obwohl er 72 zusätzliche Kilos mit sich herumschleppt und über 19 PS mehr sowie zwei weitere Zylinder verfügt, verbraucht er mit einem Durchschnittswert von 14,3 Litern deutlich weniger als der Jaguar. Dank seines Allradantriebs wirkt der Audi selbst bei seiner eindrucksvollen Höchstgeschwindigkeit von gemessenen 270 km/h so ruhig, als wären seine Räder mit der Piste verzahnt. Tempo 100 erreicht der Ingolstädter nach 5,7 Sekunden. Das serienmäßige Sportfahrwerk sorgt mit den dazugehörigen 19-Zöllern für agilen Fahrspaß, nervt im schlaglochgeprägten Alltag aber durch übertriebene Härte. Trotz dieser ausgepräten Sportlichkeit meistert der Audi Kurven nicht so agil wie der Jaguar. Der vor der Vorderachse sitzende Zehnzylinder und der gewichtige Allradantrieb lassen ihn besonders in engen Spitzkehren untersteuern. Die Bremsanlage vermittelt trotz ihrer Größe (Scheibendurchmesser: 385 Millimeter vorn, 335 Millimeter hinten) im heißen Zustand weniger Pedalgefühl als die des Jaguar. Auch die an sich exzellenten Bremswerte von 35,4 Metern (kalt) und 36,4 Metern (warm) können nicht ganz mit der Vorgabe des XF mithalten. Nichts zu meckern gibt es an der feinfühligen Lenkung und der aufmerksamen Automatik.
Wie der Jaguar gegen seine Konkurrenten abschneidet, erfahren Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Vergleichstest mit allen Tabellen gibt es im Heftarchiv als pdf.

Von

Lars Zühlke