Die Welt ist aus den Fugen geraten, und zwar mal so richtig. Da stellt Kia eine 54.900 Euro teure Limousine im Coupé-Stil auf die Straße, baut einen Sechszylinder-Benziner ein sowie Allrad und feinstes Leder. Wir sagen: Wow! Und das ist umso beachtlicher, weil wir zum ersten Vergleich den ebenfalls neuen VW Arteon mitgebracht haben. Der soll so gut sein, dass ihm VW einen Doppeljob zutraut. Erstens soll er den CC ersetzen und zweitens an Stelle des ausgelaufenen Phaeton der neue Luxus-VW in der Limo-Liga sein.
Ob das klappt? Ran ans Blech!

Das Blechkleid des Stinger ist aufregend und detailreich

Kia Stinger 3.3 T-GDI AWD
Hübsch gemacht: Kia-Designer Peter Schreyer hat dem Stinger eine attraktive Hülle gezeichnet.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
Ja, es ist wirklich ein Kia! Ex-VW-Mann Peter Schreyer, aus dessen Feder Golf IV und Audi TT stammen, hat mit dem Stinger einen Gran Turismo entworfen, der schon im Stand Gänsehaut macht. 4,83 Meter lang, nur 1,40 Meter hoch, mit breiten Schultern am Heck und einer abfallenden Dachlinie an der C-Säule, die sexy aussieht, aber leider auch nicht allzu viel Sicht nach hinten lässt. Und man achte auf die vielen Details. Erstens: den Frontgrill mit der Kia-typischen Tiger-Nase. Diese Linie haben sie zweitens oben in der Frontscheibe fortgesetzt. Dritter Augenschmeichler: Die Motorhaube ist inselartig eingearbeitet, das wirkt richtig edel. So geht's innen weiter. Der Armaturenträger ist mit Leder bezogen, hinterm Dreispeichenlenkrad klassische Rundinstrumente, kleiner Automatik-Wählhebel, zwei Alu-Deckel für Ablagefächer, oben der Touch-Bildschirm in Sichthöhe, drunter Kurzwahltasten für Telefon, Radio und Karte. Richtig fein, und doch haben wir zweimal Kritik. Der Monitor sitzt zu weit hinten, wer touchen will, muss den Arm zu lange ausstrecken. Und sitzen hinten ist nicht wirklich top, weil die Füße nicht weit genug unter die fetten Vordersitze passen.
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Die technische Plattform des Arteon kommt vom Golf

VW Arteon 2.0 TSI 4Motion
Unter dieser hübschen Hülle steckt viel bekannte Technik. Der Arteon steht auf der Plattform des Golf.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
Wechsel von Rot nach Gold. Ja, der Arteon sieht gut aus mit seinen grauen 20-Zöllern (1020 Euro) und dem Lack in Kurkumagelb metallic (760 Euro). Und ja, er macht mit seiner Außenlänge von 4,86 Metern (drei Zentimeter mehr als der Stinger) wirklich was her. Unter dieser hübschen Hülle steckt viel bekannte Technik. Der Arteon steht auf der Plattform des Golf. Das heißt auch: Quer statt längs eingebaute Motoren, bei vier Zylindern ist Schluss. Der Arteon ist also unten ein Golf und oben ein Passat. Von dem hat er nämlich das Cockpit. Und da gibt es ganz viel Lob für die Digital-Show mit Navi- Karte hinterm Lenkrad (510 Euro, gibt’s bei Kia nicht), saubere Verarbeitung, perfekte Ergonomie. Aber auch zweimal Raum für Verbesserungen: In der 50 000-Euro-Liga darf beim Head-up-Display (565 Euro) keine Scheibe ausfahren. Und das neue, große VW-Navi (1995 Euro) hinter Glas sieht zwar cool aus, aber "Plus" und "Minus" für laut und leise ist doof und lenkt ab.
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Bitte, bitte, VW: Gebt uns den Drehregler zurück! Und wenn ihr schon dabei seid, baut das Navi eine Etage höher ein. Ach ja, sitzen hinten: viel besser im Arteon, bei der Kopf-und Beinfreiheit und beim Ausblick. Fondpassagiere würden VW kaufen, die vorne lesen jetzt ganz genau.

Sportcoupé ist nicht nur eine Worthülse für Kia

Kia Stinger 3.3 T-GDI AWD
Dynamisch: Im Sport-Modus erlaubt der Stinger Heckschwenks, die Lenkung ist erstaunlich direkt.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
Ja, wir haben es krachen lassen auf der Rennstrecke. Und ja, der 280-PS-Arteon fährt dank Allrad so perfekt und zielgenau wie ein GTI – trotz seiner Länge. Die Federung ist über jeden Zweifel erhaben, die Lenkung reagiert so direkt und richtungstreu – da kannst du beim besten Willen kein Haar in der Suppe finden. Aber dann sind wir auch da langgefahren, wo die Kunden diese Autos genießen: Landstraße, bergige Serpentinenpisten. Und da haben wir uns verliebt in den Stinger. Ex-BMW-Entwickler Albert Biermann, dem wir Autos wie M3 und M5 verdanken, hat Kia das BMW-Gen eingepflanzt. Im Sport-Modus wird dieser Allradler zur Heckschleuder, beim beherzten Tritt aufs Gas wackelt er am Scheitelpunkt der Kurve dankbar mit dem Arsch, als wolle er sagen: Ja, mach weiter, ich besorg's dir!

An der Kasse überspringt der Stinger die 50.000-Euro-Grenze

Kia Stinger 3.3 T-GDI AWD   VW Arteon 2.0 TSI 4Motion
Kostbare Coupés: 54.900 Euro sind für einen Kia eine echte Ansage – der VW kostet sogar 66.000 Euro.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
Dabei ist die Lenkung erstaunlich direkt, der Stinger fährt für ein Auto dieser Gewichtsklasse überraschend agil, hat mit seinem seidenweichen Sechszylinder immer genügend Bums und Kraftreserven, wo der Arteon mit seinem Vierzylinder doch merklich angestrengt knurrt. Nur der Sound ist noch ein bisschen zu leise und synthetisch, da darf sich Kia mehr trauen. Ach ja, am Ende unserer hügeligen Vollgas-Spaßrunde gönnte sich der Kia 13 Liter, der VW wollte 'ne Pulle (0,3 l) mehr. Was den Preis angeht, dringen die Koreaner in die 50.000-Euro-Liga vor: 54.900 Euro für den V6-Stinger mit Komplett-Ausstattung, Aufpreis kosten nur Schiebedach (690 Euro) und Dreifach-Rot (890 Euro). Und VW? 66.000 Euro! Das ist der Testwagen-Preis für den Arteon mit 280 PS und Allrad und R-Line-Paket, mit Navi, großen Alus, Lederausstattung. Über 11.000 Euro mehr, dafür zwei Zylinder, 90 PS und fünf Jahre Garantie weniger. Die Welt ist wirklich aus den Fugen geraten. So was von!
Andreas May

Fazit

Bei diesem Vergleich gibt es keine zwei Meinungen: Der VW Arteon tut so, als sei er ein Premium-Coupé, der Kia Stinger ist wirklich eins. So luxuriös, so stylish, so sportlich war noch nie ein Kia. Im VW steckt dagegen zu viel Golf fürs Geld. Die spannende Frage ist: Wer gibt so viel für einen Kia aus?