Mercedes S-Klasse: Panzerfahrzeug, Guard, Politik, VIP
Mercedes S-Klasse Guard: Hier kommt keine Kugel rein!
Mercedes S-Klasse Guard: Probefahrt
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Die neue Mercedes S-Klasse Guard mit Sonderschutz gegen Terroristen und Kidnapper ist ein echter Hingucker. Eine Probefahrt in der gepanzerten Staatskarosse zum Regierungsviertel gerät augenblicklich zur Riesen-Show!
Bild: Daimler AG
Die beiden Damen zücken ihre Handys. Sichtlich irritiert, wer da nun in er 5,50 Meter langen Limousine an ihnen vorbeifährt und staatsmännisch winkt. Sie winken jedenfalls zurück. Sicher ist sicher, am Ende ist es der Kanzler. Auch wenn Olaf Scholz ja weder Haare noch Brille trägt.
Während drüben im Reichstag gerade die 11. Sitzung des 20. Deutschen Bundestags läuft, kurvt draußen ein neues Regierungsmitglied zwischen Bundeskanzleramt und Abgeordnetenhaus hin und her: der neue Kanzler-Panzer. Der sicherste Mercedes aller Zeiten. Manche sagen sogar, das sicherste zivile Auto der Welt. "Wobei das natürlich nur gilt, solange man nicht die zehn Zentimeter dicken Fenster herunterlässt und herauswinkt", mahnt der Fahrer den Passagier.

Am Türrahmen ist erkennbar, wie dick das Panzerglas ausgeführt ist. Die Fensterheber sind Sonderausstattung.
Bild: Fabian Matzerath
Im Bundestag regiert die Ampelkoalition, auf der Straße bleibt es bei der Großen Koalition: schwarzer Benz, roter Scholz. Allerdings wollten sich die Schwarzen ja erneuern. Und das haben sie getan. Das neue politische Schwergewicht heißt: Mercedes S 680 Guard 4matic. Ein 4,2-Tonnen-Monstrum, Zwölfzylinder (gibt es sonst nur im Maybach), 190 km/h schnell (mehr schaffen die Reifen nicht), im Rückwärtsgang immerhin noch 60 km/h.
Mercedes S-Klasse Guard kostet rund 540.000 Euro
Die ersten werden demnächst an die Regierung ausgeliefert. Stückpreis: rund 540.000 Euro. Ein Panoramadach gibt es nicht mal gegen Aufpreis, das leuchtet ein. Genauso wenig Over-the-air-Updates (wegen möglicher Hacker-Angriffe) und Head-up-Display, weil dafür die Frontscheibe zu dick ist.

Im Normalfall liegt das Blaulicht im Kofferraum – Anschluss über eine spezielle Buchse neben dem Fahrersitz.
Bild: Fabian Matzerath
Vorn auf dem Fahrersitz hat Steffen Schierholz Platz genommen. Kein BKA-Mann, aber auch bewaffnet bis an die Zähne, und zwar mit Informationen zum Behörden-Benz Nr. 1. Im normalen Leben schafft Schierholz als Pressesprecher bei Mercedes-Benz. Heute schafft er ein kleines Wunder: Direkt vorm Abgeordnetenhaus friemelt er an den Standartenhalter eine Deutschland-Fahne, die noch von der letzten EM übrig ist, während die Abgeordneten-Chauffeure interessiert zugucken.
Dann holt er eine Rundumleuchte aus dem Kofferraum, klemmt sie aufs Dach – und stellt sich mit flatternden Fahnen und eingeschaltetem Blaulicht direkt vor den Reichstag. (Natürlich nur kurz fürs Foto. Liebe Kinder, nicht nachmachen!) Zwei Ordnungsamts-Mitarbeiter schreiben derweil Parksünder auf, die S-Klasse bleibt unbehelligt. Auch Blech-Kleider machen offenbar Leute.
Guard-Bau dauert 50 Tage pro Stück
So, Herr Schierholz, erzähl'n se dem Kanzler von Köpenick hinten rechts mal die Geheimnisse des Guard. "Wir produzieren den in einem besonders gesicherten Werk in Sindelfingen. Knapp 60 speziell geschulte Mitarbeiter sind dort beschäftigt." Alles Manufakturarbeit. Für eine normale S-Klasse braucht Mercedes rund anderthalb Tage, für den Guard ca. 50. Produktionsziel? Solide dreistellig im Jahr.

Im Kofferraum der speziellen S-Klasse: Frischluft-Versorgung (gelb) und Feuerlöschanlage (rot) für den akuten Notfall.
Bild: Fabian Matzerath
Die Kundschaft: Königshäuser, Unternehmer, Regierungen. Alles Leute, die nicht auffallen möchten. Und so gilt beim Lack: Alle Farben sind möglich, Hauptsache es ist Schwarz. "Was anderes bestellt so gut wie niemand", sagt Schierholz. Daher wirkt der Guard auf den ersten Blick wie jede x-beliebige lange S-Klasse.
Eine völlig eigenständige Konstruktion
Doch unter dem Blechkleid versteckt sich ein Fahrzeug, das mit der normalen Stuttgarter Oberklasse nicht mehr viel zu tun hat. Die Fahrgastzelle ist so abgeschottet wie im vergangenen Herbst die Koalitionsverhandlungen. Da wurden, salopp gesagt, nicht einfach ein paar Stahlplatten in die Türen eingeschweißt wie bisher. Der neue Guard ist eigenständig konstruiert, basiert nicht auf dem Serienauto.

Den V12 mit 612 PS gibt es in der normalen S-Klasse nicht, nur im Maybach. Im Guard treibt er alle vier Räder an.
Bild: Fabian Matzerath
Angriffen der Opposition hält der Kanzler-Panzer somit jederzeit stand. Ganz egal, ob sie von extrem rechts oder extrem links kommen (unten oder oben sind natürlich auch kein Problem). "Der Guard hat die höchste Schutzklasse VR10", sagt Schierholz. Nur mal als Anhaltspunkt: Gegen Angriffe mit einem AK47-Schnellfeuergewehr hilft schon die Schutzklasse VR6.
Test mit 12,5 kg Sprengstoff bestanden
Bei diesem Benz hat selbst ein Scharfschützengewehr keine Chance. "Für die Zertifizierung wurden beim Beschussamt mehr als 300 Schüsse auf das Fahrzeug abgegeben", sagt Schierholz. Für was es nicht alles ein Amt gibt!
Hinzu kam ein weiterer Test mit 12,5 Kilo Sprengstoff. Alles bestanden. Allein die Türen wiegen 180 Kilo – pro Stück. Damit man sie überhaupt öffnen kann, sind sie mit einer speziellen Mechanik versehen. Schwer geht's trotzdem auf und zu. Egal, macht ja der Fahrer.

Die Spezialreifen haben einen Notlaufkern. Mit Durchschuss können sie noch 30 km weit mit 80 km/h fahren.
Bild: Fabian Matzerath
Brennt das Fahrzeug, aktiviert sich eine Löschanlage unter dem Wagenboden und im Motorraum. Bei Giftgasangriffen sorgt die Frischluftanlage für einen Überdruck in der Fahrgastzelle. Waffen sind nicht an Bord, dafür Massagesessel, Fernsehen, WLAN und ein Panikknopf.
"Werde ich dann rauskatapultiert, wenn ich den drücke?", frage ich Chauffeur Schierholz. "Nein, dann schaltet das Auto alles ein, was an Lichtern und Sirenen vorhanden ist, um auf sich aufmerksam zu machen."
MBUX will uns nach Dortmund schicken
Wenig Regierungserfahrung scheint noch das MBUX-System zu haben. Als wir vorm Außenministerium per Sprachsteuerung das Ziel "Schweizer Botschaft" angeben, will das System nach Dortmund – warum auch immer. Sei's drum, dafür kennt es die Botschaft von Brunei. Ach ja, wer unterwegs nach dem Weg fragen oder staatsmännisch winken will, muss die Fensterheber als Extra bestellen.
Denn für das schwere Panzerglas braucht es eine spezielle Hydraulik. "Kostet rund 10.000 Euro Aufpreis", sagt Schierholz. Immerhin, die Steuersenkung ist Serie – einfach links neben dem Lenkrad den Knopf drücken. So, Herr Schierholz, wo kann ich den jetzt bestellen? "Einfach bei Ihrem Mercedes-Händler." Okay, aber dafür muss ich zu Hause mit meinem Koalitionspartner erst mal einen Nachtragshaushalt verabschieden.
AUTO BILD – DAS MAGAZN
Ab Sonntag, dem 28. August 2022, zeigt BILD TV immer sonntags um 13 Uhr jeweils zwei von insgesamt zwölf Folgen des neuen BILD-Originals AUTO BILD – DAS MAGAZIN. Moderiert von Sidney Hoffmann. Die Reporter von AUTO BILD testen und präsentieren zusammen mit Sidney. Hier geht's direkt zum Stream.