Wer packt den riesigen Gepäck-Berg?

"Papa, wann sind wir endlich da?" Tausendmal gehört, tausendmal gestöhnt. Bei kleinen Nörglern hilft die nächste CD von Bibi Blocksberg oder Tokio Hotel. Bei Sonnenbrand hilft eine Creme. Aber was hilft bei diesem Mount Everest an Urlaubsgepäck? Koffer, Taschen, Kisten, Kühlbox, Kinderrad, Bälle, Helm, Decken, Tauchermaske und Alligator Felix – wer packt das? Da hilft nur Platz. Viel Platz. Und deshalb lädt AUTO BILD zum großen Urlaubstest. Barbara (39), Stephan (39), Joshua (7) und Janin (3) packen für uns sieben große Vans und testen deren Vielseitigkeit. Was klappt wann, wo und wie nicht?

Eine ganz normale Familie. Stephan fährt einen Passat Variant, der langsam überquillt, und schielt auf den Galaxy 2.0 TDCi. Ein frisches Gesicht, normale Klapptüren und im langen Heck wahlweise sieben Sitze oder als Fünfsitzer mit 580 Liter Gepäckraum. Ein modernes Raumtalent ist er geworden, der neue Ford. Vorn tiefe, feste Sitze wie im Pkw, dahinter wählen die Kölner bei der Variabilität den praktischen Mittelweg. Alle Sitze lassen sich verschieben, ruck, zuck umlegen, aber nicht ausbauen. Na und? Auch so erhält man einen fast ebenen Ladeboden und maximal 2325 Liter Stauraum. Das Panoramadach (ab 765 Euro extra) mit den zerbrechlichen Ablagefächern heizt den Innenraum nur unnötig auf, wir empfehlen statt dessen die Drei-Zonen-Klimaautomatik ab 1380 Euro, die den Fond separat kühlt.

Modernster Konkurrent des Galaxy ist der Renault Grand Espace. Ein avantgardistisches Gewächshaus, das hinten eine neue Sitzmechanik bekommen hat. Fünf identische Einzelsitze flutschen auf langen Schienen in jede mögliche Position, nun endlich fällt deren Ausbau genauso leicht. Nur wohin damit? Man muß die 24-Kilo-Klötze rausschleppen und irgendwo lagern, gewinnt dafür bis zu 3050 Liter Gepäckraum. Oder hinter der zweiten Reihe 750 Liter – nur Fahrrad, Ball und Schwimmring unseres Gepäckstapels bleiben draußen. Vorn thront Papa, umgeben von einer verglasten Kanzel, Anzeigen in der Mitte und jeder Menge rätselhaft verteilter Knöpfe. Da gibt es immer wieder was zu entdecken – Espace fahren ist irgendwie eine französische Glaubensfrage.

Von Hochdach-Kombi bis Kleintransporter

Die amerikanische Alternative heißt Grand Voyager. Ein Van, so lang und luxuriös und lässig wie das Land. Automatik, Audioanlage und jede Menge Cupholder sind selbstverständlich, die beiden seitlichen Schiebetüren ein Segen in jeder Parklücke. Nachteil: Die Kinder vermissen im Fond Seitenfenster zum Öffnen. Zudem grassiert die alte, leidige Van-Krankheit. Der 5,10 Meter lange Voyager hat viel Platz (maximal 4550 Liter), aber nur kleine Plätzchen. Die hinteren Stühlchen reichen gerade für Kinder, sie stehen zu flach am Boden. Nur auszuhalten, weil der Ami-Kreuzer mit seiner 2-2-3-Sitzordnung eine bequeme Luftigkeit bietet. Hinten paßt alles hinein, bis auf Luftmatratze und den Alligator Felix. Das entspannt. Wie weit ist es bis Los Angeles?

Der Gegensatz heißt Mitsubishi Grandis. 15 Zentimeter flacher, mehr Hochdach-Kombi als Van. Hinterm Steuer sitzt man fast sportlich. Im langen Heck zählt Sitzkomfort mehr als Umbautalent. Die beiden dick gepolsterten, verschiebbaren Einzelsitze in Reihe zwei werden nur zusammengefaltet und hinter die Vordersitze geschoben. Reihe drei verschwindet – mit einer allerdings genialen Mechanik – im Boden. Fertig. Klar, daß der Mitsubishi weniger Kofferraum (maximal 1545 Liter) hat als Stephans Passat.

Also doch VW Sharan? Der frühere Van-Bestseller spielt hier die Zwischengröße. Kompakter und enger als der Ford Galaxy, variabler als der Mitsubishi. Joshua und Janin hocken im dreisitzigen Fond recht nahe am Fenster, also baut Papa Stephan den Fond flott zu zwei Einzelsitzen um. Breite Radkästen schränken den Gepäckraum auf 710 Liter ein, das können moderne Vans besser.

Bei den modernen Vans klappt's leicht

"Jetzt ein Bully", stöhnt Barbara mit Blick auf den Traum aller Kinderreichen: den VW Multivan. Ein kastiger Riese, der vor jedem Parkhaus Zweifel weckt: Passen seine 1,97 Meter Höhe ohne Kratzer da rein? Jedenfalls schluckt der Multivan klaglos unseren ganzen Kofferberg, wobei alle Insassen königlich thronen. Nix Kinderstühle, sondern breite, menschengerecht hohe Sitze, die selbst tausend Urlaubskilometer erträglich gestalten. Nur: Von einem Van sollte VW nicht sprechen, wenn das Wort auch "flottes Umräumen" bedeuten soll. Denn der Ausbau aller Sitze ist ein verfluchter Kraftakt, der Fingernägel, Zeit und Nerven kostet. Wer damit mal 15 Minuten verbracht hat, tut es nie wieder. Schiebt nur die letzte Bank vor und genießt den Restplatz.

Kaum anders im Mercedes Viano 2.2 CDI Trend. Der ist mit seinen 4,99 Metern zehn Zentimeter länger als der Multivan, dabei ähnlich geräumig und ähnlich kompliziert. Vier Einzelsitze im Fond könnten aus der Chefetage stammen. Ab Werk stehen sie in Konferenzstellung. Schöner Teppich, schickes Dekor, Luftdüsen hinten – in diesem Auto holt das Grand Hotel wichtige Gäste vom Flughafen ab. Aber wehe, Stephan will umbauen. Die Bedienungsanleitung läßt die Hölle erahnen. "Drücken Sie Hebel B, ziehen an Griff A ..." Die Regale eines skandinavischen Möbelhauses sind leichter erbaut. Nein, das ist kein Van, sondern im Herzen ein Transporter, der hinterm Steuer Truckergefühle beschert. Das Lenkrad steht flach, der kurze Schalthebel wie ein Joystick im Cockpit.

Wie ein kleiner Laster benimmt sich der Viano. Der 2,2-Liter-Diesel brummt ständig durch den langen Kasten, das rumpelige Fahrwerk ist fühlbar für schwere Lasten ausgelegt. Zudem sorgen Preise ab 35.612 Euro für eine erhebliche Belastung des Familienetats. Zum sprichwörtlichen Apotheker-Preis kommt der Multivan für 40.971 Euro. Der Fünfzylinder-TDI zieht kräftiger und kultivierter als der Mercedes-Motor, doch vom langen Radstand des VW hätten wir uns mehr Komfort versprochen. Ständig meldet die Federung Schläge und Stöße, der Frontantrieb zerrt beim Beschleunigen in der Lenkung.

Nein, bei den Reisequalitäten liegen "echte" Vans vorn. Schon Altmeister Sharan läuft mit dem schwächeren 140-PS-TDI flotter und leiser als der Multivan, wenngleich sein Fahrwerk in die Jahre gekommen ist. Mit dem fast baugleichen Motor aus dem VW-Regal kommt der Mitsubishi erstaunlich gut klar und erreicht hohe Reiseschnitte. Da macht sich die kleinere Statur des Grandis bezahlt, der mit sparsamen 6,8 Liter Testverbrauch auch die Urlaubskasse schont.

Fazit und PDF-Download

Das Schnäppchen im Vergleich kommt aus dem Dollar-Reich. Schon ab 30.990 Euro bietet der Chrysler sieben Sitze, Klimaanlage, vier Fensterheber und das patente Stow-'n'-go-System, das beide hinteren Sitzreihen im Boden versenkt. Das gute Preis-Platz-Verhältnis tröstet über schaukeliges Fahrverhalten (kein ESP), gefühllose Lenkung und müden 2,8-l-Diesel, dem eine Viergang-Automatik Kraft raubt, hinweg. Ein Riese zum Gleiten.

Ganz anders der Espace. Der Komfortmeister scheint über Straßen aller Art zu schweben. Dazu kommt der beste Diesel im Feld, ein traumhaft leiser und starker dCi. Wäre nur nicht die gefühllose Lenkung, die aber eigentlich nicht stört, außer beim plötzlichen Ausweichmanöver. Aber im Espace will man reisen, nicht rasen. Vielleicht Spaß haben? Den trägt der Galaxy ins Blech geschrieben. Knackiges Fahrwerk, zielgenaue Lenkung und ein Diesel, der einfach nur da ist. Der Ford packt vielleicht nicht das ganze Gepäck, dafür aber den Mann vorn: unseren Stephan.

Fazit von Joachim Staat und Dirk Branke: Große Vans sterben aus, überflüssig dank Zafira und Co? Von wegen! Der neue Galaxy beweist, daß Siebensitzer fahraktiver werden, kostenbewußt sind, Variabilität und hohen Antriebskomfort bieten. Der Ford gewinnt überlegen vor dem komfortablen Renault, dem günstigen Grandis und dem endlich gereiften Sharan. Der frühere Trendsetter Grand Voyager hinkt hinterher – mangels Modellpflege. Multivan und Viano erfüllen umfangreichere und teurere Wünsche. Ihr großer Punkteabstand zeigt: Raum ist nicht alles.
Den kompletten Test mit allen technischen Daten können Sie für 1,00 Euro als PDF herunterladen.

Von

Andreas Borchmann
Joachim Staat