Eigentlich hatte VW ihn schon mal abgeschrieben, den Golf Variant – zu unwichtig. Außerdem kannibalisiert er den teureren, aber kaum größeren Passat Variant. Darum sollte die Kombiversion des Golf vor zehn Jahren sogar aus dem Programm fliegen. Doch viele Kunden beschwerten sich. Die VW-Manager erhörten den Protest, und da es im mexikanischen VW-Werk Puebla gerade freie Kapazitäten zu füllen gab, erteilte VW 2007 einen Gnadenerlass und ließ den Golf Variant V und VI im südamerikanischen Exil produzieren. Eine gute Entscheidung, wurde die Verlegenheitslösung doch zu einer Erfolgsgeschichte. Eine Golf-Generation ohne Kombi? Inzwischen undenkbar, die Konkurrenz ist zu hart und das Segment mit vielen attraktiven Kandidaten bestückt. In Deutschland macht der Lade-Golf heute rund 20 Prozent des gesamten Golf-Absatzes aus.
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Der Lademeister-Golf

Kein Wunder also, dass VW den Golf Variant nicht mehr als simple Verlängerung des Fünftürers betrachtet, sondern als "planmäßiges Mitglied der Baureihe", das parallel zur Limousine entwickelt wurde. Seine mexikanische Staatsbürgerschaft hat er in der siebten Generation wieder abgelegt und läuft im sächsischen VW-Werk Mosel vom Band. Gegenüber seinem Vorgänger ist er zudem um bis zu 105 Kilo leichter geworden. Aber wie schlägt sich der Neue gegen die aggressiven Preisbrecher aus Korea? Kann der Kombi mehr überzeugen als der Kia cee'd Sportswagon? Ist der VW Variant die bessere Variante? Preislich trennen die beiden derzeit stärksten Diesel-Kombis fast 6500 Euro: Den cee'd 1.6 CRDI mit 128 PS gibt es ab 20.790 Euro, den 150 PS starken Golf 2.0 TDI erst ab 27.275 Euro. Da bei den Kombi-Talenten wie Kofferraum, Ladekantenhöhe und Platzangebot so gut wie Gleichstand herrscht, spricht beim Blick auf die nüchternen Zahlen alles für den Koreaner. So lässt sich der mittlere Fondplatz des cee'd besser nutzen als der im Golf, da beim Kia kein hoher Bodentunnel im Fußraum stört. Der cee'd ist ein echter Fünfsitzer. Im Golf dagegen finden die Füße des in der Mitte Sitzenden nur mühsam Platz. Auch das Durchrutschen beim Ein- und Aussteigen gestaltet sich im VW komplizierter.

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Kia cee'd SW
Sparsam: Bei der Vergleichsfahrt schluckte der cee'd auf 100 Kilometer 0,4 Liter weniger als der Golf.
Bei der 120 Kilometer langen Vergleichsfahrt über holländische Landstraßen und Autobahnen zeigt der 22 PS schwächere Kia außerdem den größeren Willen zum Spritsparen. Bei verhaltenem Tempo brauchte er 5,1 Liter Diesel pro 100 Kilometer, der Golf schluckte 0,4 Liter mehr. Gleiche Größe, ähnliche Platzverhältnisse, niedrigerer Preis, geringerer Verbrauch – so gesehen wäre der Kia ein strahlender VW-Bezwinger. Aber sobald Technik, Fahrverhalten und Komfort ins Spiel kommen, dreht sich das Bild. Schon das Design spielt eine – subjektive – Rolle. Wo sich beim VW ein breites Fensterband samt edler Chromleiste (beim Highline) um die kühl gezeichnete Karosserie legt, wirbt der cee'd mit einer stylish ansteigenden Seitenlinie um den modischen Zeitgeist. Der Golf wirkt klarer, traditioneller, seriöser – ein Kombi mit Format, auch optisch. Seine großen Glasflächen bieten zudem den Vorteil, dass sich der Variant besser überblicken lässt als sein Rivale. Wer rückwärts einparkt, sieht im VW mehr. Noch überzeugendere Argumente liefert der Golf, wenn es flott vorwärtsgehen soll. Zwar fordert der mit Schaltgetriebe bestückte Testwagen einen gefühlvollen Gas- und Kupplungsfuß, weil sonst der Motor ins Turboloch stürzt und sich anfahrschwach nach oben hangelt – doch sobald erst mal 1800 Umdrehungen anliegen, zieht der Golf äußerst kraftvoll nach vorn.
Der Schaltknauf rastet geschmeidig und präzise in die Gangpositionen. Auch die Lenkung baut je nach Einschlag genau die richtigen Widerstände auf, um den VW exakt durch jede Kurve zu manövrieren. Die Fahrwerkabstimmung ist ein weiterer Pluspunkt für den VW Golf. Denn erstmals kommt auch der Variant gegen Aufpreis mit der adaptiven Dämpfung DCC, die seine Karosserie zehn Millimeter absenkt und eine dreistufige Verstellung der Dämpfer ermöglicht. Ebenfalls ein Kombi-Novum ist die elektronische Differenzialsperre. Sie gibt es sogar serienmäßig an der Vorderachse.
VW Golf Variant Kia cee'd SW
Durchaus deutliche Unterschiede: In Sachen Fahrverhalten hängt der Golf Variant den cee'd SW ab.
Beide Technikdetails verhelfen dem Golf zu einem neutralen, vergnüglichen Fahrverhalten. Viel dynamischer lässt sich ein Kombi mit Vorderradantrieb nicht abstimmen. Doch trotz der straffen Dämpfung rollt der Variant komfortabel ab. Und leise ist er auch: Die Dämmung von Motor-, Wind- und Abrollgeräuschen ist VW nahezu perfekt gelungen. Der Variant übernimmt also alle Tugenden, die auch den Normal-Golf auszeichnen. Beim direkten Umstieg in den Kia offenbart dieser jedenfalls, dass die Koreaner vor allem bei Lenkgefühl, Fahrwerkabstimmung und Geräuschdämmung noch Nachholbedarf haben. Den kompletten Vergleich mit allen technischen Daten lesen Sie in AUTO BILD 26/2013. Dazu im aktuellen Heft: Die Super-Limousinen – neuer BMW 530d trifft auf Audi A6 3.0 TDI und Mercedes E 350 Bluetec. Und: Citroën C4 Picasso gegen Ford C-Max und Mercedes B-Klasse.

Fazit

Wer viel Kombi fürs Geld will und wem Nutzwert über alles geht, der findet im cee'd Sportswagon ein sehr gutes Angebot. Die derzeitige Technik-Speerspitze im Reich der kompakten Kombis aber ist der neue Golf Variant. Er ist feiner abgestimmt, macht mehr Freude beim Fahren und beeindruckt mit einer langen Liste an innovativen Assistenzsystemen.