Jetzt mischt auch VW mit einem ernstzunehmenden Fahrzeug auf dem E-Auto Markt mit. Der ID.3 tritt zwar das Erbe des e-Golf an, macht aber im Prinzip alles anders als der zum E-Auto umgebaute Golf. Ordentliche Reichweite, eigene Plattform und Heckantrieb klingen jetzt nun wirklich nicht mehr nach klassischer Kompaktstrategie aus Wolfsburg. Das ist gewollt und soll helfen, sich wichtige Marktanteile von Tesla und Co. zurückzuholen. Da muss dann aber auch die Konnektivität stimmen. Der ID.3 bekommt die neueste Generation an Infotainment aus dem VW-Konzern spendiert. Das bedeutet: Sprachsteuerung, drahtlose Verbindung mit dem Smartphone und eine einfachere Bedienung. Aber funktioniert das alles? AUTO BILD machte den Connectivity-Check und verrät, was das System kann und wo VW noch einmal eine Ehrenrunde drehen muss.

Grundlagen

ID.3 im Connectivit-Check: Bei der Vernetzung muss VW nachbessern.
Gut gelöst: Das Kombiinstrument ist fest am Lenkstock verbaut und somit immer gut ablesbar.
Bild: F. Roschki
Das erste von Grund auf als E-Auto entwickelte Fahrzeug von VW teilt sich das Infotainment mit dem neuen Golf. Hinter dem Armaturenbrett verbirgt sich der Modulare Infotainment Baukasten der dritten Generation (MIB 3). Er soll den ID.3 immer online halten und ermöglicht ihm eine drahtlose Verbindung mit dem Smartphone via Apple CarPlay und Android Auto. Eine neue Sprachsteuerung kann mittlerweile auch auf Fahrzeugfunktionen zugreifen und ermöglicht es, zum Beispiel die Sitzheizung über Zuruf zu aktivieren. Losgelöst vom neuen Konzerninfotainment erhält der ID.3 im Innenraum das "ID.Light", eine schmale LED-Leiste, die vor der Windschutzscheibe sitzt und den Insassen subtile Infos zukommen lässt.

Das gefällt beim ID.3 Infotainment

Aufgeräumte Anordnung

ID.3 im Connectivit-Check: Bei der Vernetzung muss VW nachbessern.
Der Homescreen ist aufgeräumt und einfach zu verstehen. Er lässt sich individuell konfigurieren.
Bild: Volkswagen AG
Einen klassischen Tacho gibt es im ID.3 nicht. Ein 5,3 Zoll großer Bildschirm informiert stattdessen die Person auf dem Fahrersitz über die Geschwindigkeit, den Zustand der Assistenzsysteme und die Navigationsanweisungen. Die Darstellung ist aufgeräumt, reduziert und dank des hochauflösenden Displays gestochen scharf. Bedient wird die Instrumentenkombi über ein neues Lenkrad mit Touchflächen, das auch schon im Golf 8 seine Anwendung findet. Die Darstellung der Infotainmentinhalte erfolgt in jeder Ausstattungslinie über einen zehn Zoll großen Touchscreen. Auch er arbeitet mit einer hohen Auflösung. Die Bedienoberfläche ist ebenfalls aufgeräumt, lässt sich aber individuell konfigurieren. Das Tauschen der angezeigten Inhalte erfolgt ähnlich wie beim Smartphone, die farbliche Gestaltung orientiert sich an Ambientelicht oder Fahrmodus. Wer ein modernes Telefon besitzt, wird auch im ID.3 zurechtkommen.

Mut zur Touchbedienung

Im ID.3 finden sich im Grunde keine klassischen Knöpfe mehr. Das erfordert von einem Volumenhersteller wie VW einiges an Mut. Die Lichtbedienung, die Lautstärkeregelung, die Bedienung der Klimaanlage, die Sitzheizung und selbst die Betätigung des Warnblinkers, hinter keinem Symbol verbirgt sich mehr ein physischer Kontakt. Das mag gewiss nichts für Puristen sein, die lieber einen klassischen Drehregler zur Hand haben, zu einem ganzheitlich neu gedachten Fahrzeug passt die moderne Steuerung aber allemal.

We Connect ID. App ohne unnötigen Schnick-Schnack

ID.3 im Connectivit-Check: Bei der Vernetzung muss VW nachbessern.
Die für ID. Modelle entwickelte App ist aufgeräumt und in ihrer Funktion reduziert.
Bild: Volkswagen AG
Dass Autos über eine App auf dem Smartphone ferngesteuert werden können, ist wirklich nicht mehr neu. Die von VW speziell für Elektroautos entwickelte App "We Connect ID." kann trotzdem überzeugen. Sie glänzt mit einer einfachen Bedienung und der reduzierten Auswahlmöglichkeiten. Selbstverständlich lässt sich mit der Anwendung der Ladevorgang samt Akkustand überwachen, lädt man zuhause über die Wallbox, kann sogar der Ladevorgang gestartet und abgebrochen werden. Ansonsten erlaubt die Applikation die Steuerung der Klimatisierung, was vor allem im Winter ein Vorteil für draußen geparkte Fahrzeuge sein wird. Auch eine interaktive Karte mit Ladepunkten und deren Verfügbarkeit findet sich in der Smartphone-Anwendung.

ID.3 bremst den Fahrer auf Wunsch ein

Ein wirklich gelungenes Feature des ID.3 wird erst beim Fahren relevant. Ist die Verkehrszeichenerkennung aktiv und sind die Energiesparhinweise eingeschaltet, gibt der VW Tipps, in welchen Situationen vom Fahrpedal gegangen werden kann. Das wird besonders deutlich, wenn man auf der Landstraße auf Ortschaften zufährt. Folgt der Fahrer der Aufforderung zum Ausrollen lassen, verzögert der ID.3 selbstständig bis auf 50 km/h. Super, so spart der VW Strom und kommt gleichzeitig mit der erlaubten Geschwindigkeit am Ortsschild an. Neben der Verkehrszeichenerkennung nutzt der VW für dieses Feature auch Daten aus dem optionalen Navigationssystem. Die Funktion lässt sich auf Wunsch auch deaktivieren. Im Alltag funktioniert die Funktion aber so gut, dass man sie gerne nutzt.

ID.Light interagiert mit den Insassen

Zugegeben, mit seinem Auto zu reden ist noch immer eine komische Sache, die ziemlich unpersönlich wirkt. Das "ID.Light" macht den ID.3 hier aber etwas nahbarer als andere Autos. Eine schmale Lichtleiste vor der Windschutzscheibe signalisiert, wem das Auto gerade zuhört, sei es dem Fahrer oder dem Beifahrer. Außerdem animiert es die Rückmeldung des Autos und dient sogar der Navigation. Ist eine Route geplant, zeigt eine über die gesamte Fahrzeugbreite laufende blaue Animation, in welche Richtung man demnächst abbiegen muss. Im Alltag funktioniert das zuverlässig und hilft tatsächlich, die richtige Einmündung zu finden.

Hier sollte VW nachbessern

Sprachsteuerung

ID.3 im Connectivit-Check: Bei der Vernetzung muss VW nachbessern.
Das Lenkrad ist auch schon vom Golf 8 bekannt und lässt sich auch per Touch bedienen.
Bild: Volkswagen AG
Mercedes hat mit MBUX gezeigt, wie Sprachsteuerung im Auto aussehen kann, BMW ist nachgezogen und mit Google Assistant und Amazon Alexa drängen sogar IT-Firmen ins Auto. Wie schlägt sich da der neue Sprachassistent aus Wolfsburg? Nicht besonders gut. Das System reagiert trotz guter Internetverbindung sehr träge, braucht lange zum Verarbeiten der Anfragen und verlangt bei der Zieleingabe nach einer festen Reihenfolge. Intuitiv ist das nicht, zumal der VW neben der Zielsuche nur wenige Fahrzeugfunktionen steuern kann. Bei Mercedes oder BMW lässt sich die virtuelle Assistentin nach Kalendereinträgen, dem Wetter oder sogar einfachen Rechenaufgaben befragen. Verglichen mit der Konkurrenz hinkt VW hier also noch immer hinterher.

Allgemeine Performance des Systems

Sprachsteuerung, drahtlose Anbindung von Geräten, das alles braucht Rechenleistung. Im Connectivity-Check schien der ID.3 mit all diesen Aufgaben teilweise überfordert zu sein. Der Wechsel der einzelnen Ansichten erfolgte oft nicht flüssig, Eingaben wurden an falscher Stelle übernommen und Untermenüs brauchten Zeit, bis sie geladen waren. Zugegeben, auch in Wettbewerberfahrzeugen hängt das System einmal, die Häufigkeit im ID.3 lässt sich allerdings nicht von der Hand weisen. Hoffentlich handelt es sich hier nur um ein Softwareproblem, das mit einem Update behoben wird, denn bleibt die Performance so, werden einige Kunden sicherlich enttäuscht sein.

Smartphone Anbindung und Head-up-Display

ID.3 im Connectivit-Check: Bei der Vernetzung muss VW nachbessern.
Die induktive Ladeschale ist im ID.3 nicht serienmäßig und kostet Aufpreis.

Bild: Thomas Starck
Der ID.3 kommt serienmäßig mit drahtloser Apple CarPlay- und Android Auto-Schnittstelle zum Kunden. Damit ist der VW selbst ohne Navigationssystem nicht planlos auf der Straße unterwegs, schließlich bietet Apple mit seinen Karten und Google mit Maps ordentliche Alternativen zum werksseitigen Navi. Allerdings muss das Feature erst noch freigeschaltet werden. Unser Testwagen war nicht im Stande, das Smartphone auf den Touchscreen zu spiegeln, die Verbindung über Bluetooth klappte dagegen wunderbar. Ein ähnliches Bild zeichnete das Head-up-Display. VW hat für den ID.3 eine Projektion mitsamt Augmented Reality in der Scheibe des E-VW versprochen, bislang konnte man das aber noch nicht ausprobieren. Aktuell ist das HUD damit nicht innovativer als das von anderen Herstellern. Schade, denn nach der Vorstellung des ID.3 waren die Erwartungen sehr hoch. Ein Softwareupdate soll noch bis Ende des Jahres 2020 die fehlenden Features nachliefern. Frühe Kunden des E-VW müssen sich also noch etwas gedulden.

Induktives Laden ist optional

Bereits in der Basis lassen sich alle gängigen Smartphones ohne Kabel mit dem neuen ID.3 verbinden. Ein tolles Feature, denn so ist der Kunde nicht immer gezwungen, das teure Navigationssystem des Herstellers zu kaufen und kann stattdessen beispielsweise Google Maps nutzen. Leider macht eine kabellose Telefonschnittstelle nur Sinn, wenn das Smartphone auch induktiv geladen werden kann. Eine kabellose Ladeschale ist beim ID.3 aber ein optionales Feature. Somit verkommt die an sich gute Sache zu einem Marketinggag. Auf kurzen Strecken muss das Telefon zwar nicht mehr aus der Tasche genommen werden, sobald der Akkustand aber niedrig ist, wird wieder ein Kabel erforderlich. Wirklich schade, hier zwingt VW seine Kunden unnötig zu optionaler Ausstattung.

Fazit

Was die Ergonomie des Innenraums betrifft, kann das ID.3-Debüt als geglückt betrachtet werden. Alle Bedienflächen sind gut erreichbar und sind klar gegliedert. Die Touch-Bedienung erfordert Umgewöhnung, macht den Innenraum des ID.3 aber sehr modern. Leider liefert VW sein neues E-Auto mit einem halb fertigen Infotainment aus. Weder das viel beworbene AR-Head-up-Display war zum Testzeitpunkt verfügbar noch die drahtlose Smartphoneanbindung. Dazu kommt die teils mangelnde Performance des Systems und die wenig intelligente Sprachsteuerung.
Die neue Aufpreispolitik macht den ID.3 zudem schnell teuer. Während die aktuelle Basis bei 35.574 Euro startet, müssen Interessenten von Head-up-Display und Navigationssystem mindestens 43.680 Euro berappen. 8106 Euro Aufpreis für ein bisschen Connectivity? Nicht ganz. Natürlich ist der ID.3 dann auch mit Matrix LED-Scheinwerfern und einer erweiterten Ausstattung versehen. Wer das alles nicht braucht, und nur besser vernetzt sein möchte, wird allerdings genötigt, diesen Aufpreis zu zahlen. VW bietet das E-Auto aktuell nämlich nur mit vordefinierten Ausstattungspaketen an. Bei der Connectivity verpasst VW im ersten Test die Chance, sich mit der Konkurrenz auf Augenhöhe zu stellen.